Der Zufall und die Liebe…

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Der Anlass

Liebe Angela, lieber Thomas,
lieber Nico, liebe Julia, lieber Lukas mit Vera,
liebe Verwandte, Freunde und Freundinnen unserer Eheleute,

es ist zwar nicht abgesprochen, aber ich glaube, ich darf Euch im Namen aller, die hier sind, erst einmal Danke sagen dafür, dass Ihr uns heute eigeladen habt, um ein wenig in kleiner Öffentlichkeit nachzuholen, was beinahe so irgendwie nebenher passiert ist – wir dürfen Eure Hochzeit nachfeiern. Und wenn ich schon beim Doppelkopf nicht mal singen darf, so freut es mich heute um so mehr, einmal predigen zu dürfen. Das ist ja auch das erste Mal in acht Jahren gemeinsamen Weges, dass ich das vor Euch beiden tue!

Neulich auf Facebook…

Für mich war es schon seltsam war, plötzlich auf Facebook zu lesen, dass Angela und Thomas sich getraut haben. Ich hatte Angst, vielleicht nicht richtig zugehört und den Termin vergessen zu haben, oder ich war ein wenig traurig, dass die beiden mich nicht haben teilhaben lassen – wenigstens ein Kerzchen hätte ich als Wahl-Kölner schon gerne angezündet. Aber als dann Thomas schrieb, er habe am 05.07. – bei der Zeit bin ich mir nicht mehr sicher – um 11:00 h noch nicht gewusst, dass er um 11:20 h verheiratet sei, da war ich dann beruhigt.

Typisch – habe ich mir gedacht. Ich bin sicher, die meisten hier kennen die Geschichte und wie es zur standesamtlichen Trauung kam, wenn nicht, lasst sie Euch unbedingt erzählen. Und ich bin mir sicher, Ihr werdet dann dasselbe sagen oder denken: Typisch! Da wird lange etwas gesucht, manches geplant, vieles hin und her abgewogen – und dann tut sich eine Gelegenheit auf, und – Bäm – es wird zugeschlagen!

Schön, dass Ihr vor allem Eure Kinder, Eure Familienangehörigen und uns, den Freundeskreis wenigstens nachträglich an diesem „Bäm“ teilhaben lasst – sodass wir trotz dieser „zufälligen Hochzeit“, trotz dieses  „Pas de deux‘“ ein wenig zum einen so etwas wie „Trauzeuginnen und Trauzeugen“ werden, und zum anderen einfach mit Euch und auf Euch anstoßen dürfen.

Der Zufall und die Liebe

Der Zufall und die Liebe – das hängt für Euch beide, Angela und Thomas, schon sehr zusammen. Am Anfang war Groups und die Suche nach einer Doppelkopfrunde; dann das eine oder andere Mal wandernd unterwegs sei mit dieser durch Algorithmen zusammengewürfelten Gruppe. Solange, bis Nico irgendwann mal seinen Boxer nicht mehr beruhigen konnte, weil draußen ein Auto vor der Tür hielt und keiner der beiden wirklich aussteigen und den bzw. die andere alleine lassen wollte. Aber ist das Zufall? Ist es Zufall, dass Ihr eine gemeinsame Leidenschaft fürs Tanzen entdeckt habt. Ist es Zufall, dass in die gleiche Zeit berufliche Veränderungen anstanden, die durchzutragen einer den anderen als Stütze und Halt nehmen konnte. Ihr beide wisst, dass ich dafür ja lieber das Wort „Fügung“ nehme, aber das ist meine Deutung.

Von „Zufall und Liebe“ erzählt Milan Kundera in seiner „Unerträglichen Leichtigkeit des Seins“. Das Buch spielt im Prager Frühling, in einer Zeit des Umbruchs – da ist eine erste Parallele zu Euch beiden. Tomas und Teresa, die beiden Protagonisten, lernen sich in einem Café kennen, es könnte in der Parallele vielleicht das Herbrandt‘s sein. Teresa – hier hört die Parallele auf, weil sie eher eine blasse Figur vom Lande ist – jobbt in einem Hotel und dort in der Bar oder im Café, als sie Tomas, dem erfolgreichen Arzt begegnet, genau zu der Zeit, als eine bestimme Melodie von Beethoven im Radio läuft, die Teresa liebt, und Tomas liest ein Buch, ich meine, es sei Kafka, das Teresa besonders fesselt. Und – Bäm!

Kundera schreibt zu dieser Situation einen Satz, der zu meinen liebsten Zitaten gehört, und den ich Euch beiden, Thomas und Angela, heute gerne verbal in Eure Ringe eingravieren möchte:

Drei kleine Punkte zum Zitat – wie sich das halt für eine Predigt gehört:

Der erste Punkt: „Nicht die Notwendigkeit…“ – um es ganz kurz zu sagen: Die Notwendigkeit zielt auf die Treue, aber der Zufall zielt auf die Liebe. Es sind die „zufällig“ gefundenen Karten, die Thomas an Angela schreibt, es sind die „zufällig“ gefundenen Ziele und Ideen, die Euch in der Liebe halten – ok, manchmal gibt es da auch Reibereien. Aber das erste ist: Nicht die Notwendigkeit, sondern der Zufall ist voller Zauber. Bleibt offen für das Zufällige, für das, was Euch zufällt.

Der zweite Punkt: „Soll die Liebe unvergänglich sein…“ – auch ganz kurz: auf den Weg des romantischen Verliebtseins folgt oft der mühevolle Weg des Zusammenraufens hinein in eine Liebe, die Unvergänglichkeit anzielt und zu erreichen sucht. Damit trotzdem das romantische Verliebtsein wach bleiben kann, braucht es keinen Masterplan oder kein Organigramm, sondern braucht es das Zufällige. Das habt Ihr ja am Standesamt erlebt. Vergesst es nicht.

Und der dritte Punkt: Die Vögel auf den Schultern des Franz von Assisi. Neben Ignatius von Loyola mein Lieblingsheiliger. Die Legende erzählt, er sei so einfach in seiner Lebensführung und so voller Liebe für alles Geschaffene um sich herum, dass sich die Vögel auf seinen Schultern und die Waldtiere zu seinen Füßen versammelte, wenn er predigte. Ein wenig steht das im Widerspruch zu einem Zitat, das von ihm überliefert ist: „Verkündet das Evangelium zu allen Zeiten, und wenn es nötig ist, auch mit Worten.“  Diese Einfachheit hatman nicht, man muss sie sich erarbeiten, für sich selbst, und miteinander, und füreinander.

Die Ringsegnung

Für alle drei Punkte mögen die Ringe stehen, die Ihr Euch jetzt nochmal und eigens für uns anstecken werdet. Für all diese Punkte und für das, was Ihr damit verbindet sollen die Worte stehen, die Ihr Euch als Trauspruch ausgesucht habt und die Ihr Euch vor uns zusagen werdet. Und für all diese drei Punkte – Offenheit für das Zufällige, Treue und Liebe im sich ändernden Verliebtsein, Einfachheit des Lebens für- und miteinander – mag der Segen stehen, den ich auf Eure Ringe lege:

Du Gott der Liebe und der Treue,
ich bitte Dich für Angela und Thomas:
Wie der Ring den Finger ganz umschließt,
so umschließe das Band der Liebe und der Treue die beiden,
die diese Ringe tragen.
Schenke ihnen in ihrem Verbundensein
Offenheit für alles, was ihnen zufällt,
Beständigkeit und Wachstum in ihrer Liebe zueinander
und Einfachheit in ihrem Leben füreinander und miteinander,
durch Christus, unsern Herrn.
Amen.

Köln, am 13. August 2018
Harald Klein