Die Frage leben

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Hintergrund

Ihn den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts wendet sich der junge Franz Xaver Kappus an den Dichter Rainer Maria Rilke. Kappus ist Sohn eines hohen Militärangestellten; der Vater schickt ihn auf eine Kadettenschule und danach auf eine Militärakademie. Kappus will Dichter werden, sein Vater drängt ihn jedoch in die Militärlaufbahn. In den Jahren 1902-1908 schickt Kappus seine Gedichte an Rilke, aber auch Beschreibungen seiner Zerrissenheit und seiner Lebenssituation. Kappus erhofft sich Impulse von Rilke, sowohl was die Qualität seiner Gedichte angeht als auch, wie und in welcher Richtung er sich entscheiden soll: Dichterleben oder Militär?

Das Zitat für den Vormittag:

„Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst lieb zu haben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein“ (aus dem Brief vom 16. Juli 1903).

  • Am Semesterende, in der Sommerpause o.ä. lasst uns die Fragen teilen, die uns begleiten, die wir mitnehmen, die uns begleiten, die vielleicht auch schwer sind. Mit welchen Fragen gehst Du in diese Sommerzeit?
  • Was löst Rilkes Rat, die Fragen selbst liebzuhaben, in Dir aus?
  • Und wie geht es Dir mit seiner Antwort an Kappus: „Es handelt dich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.“

Der Impuls für den Nachmittag:

  • Ein Rückblick auf das vergangene Semester, auf das vergangene Halbjahr: welche Frage(n) hast Du gelöst, haben sich gelöst, sind beantwortet – und wer/was hat dazu geholfen? Kannst Du Dir etwas in die „private Werkzeugkiste“ legen, die zum Umgang mit Fragen hilft?

Köln, 17.07.2021
Harald Klein