Gebetshilfen aus der Schrift – Du mutiger Jesus, erbarme dich unser

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Auf der Suche nach dem mutigen Jesus

Im neuen Gotteslob finden sich unter den Nummern 556-569 die Litaneien. Sie dienen dem gemeinsamen Gebet und haben ihren Wert darin, dass Vorbetende einzelne Glaubenswahrheiten benennen oder ansagen, die dann von allen meist durch eine wiederkehrende Antwort bestätigt werden. Vier Litaneien dienen der Anbetung Christi: Die Christusrufe (GL 560), die Jesus-Litanei (GL 561), die Litanei von der Anbetung Jesu Christi (GL 562) und die Litanei vom Leiden Jesu (GL 563). Daneben kann noch die Herz-Jesu-Litanei (GL 564) genannt werden. All diesen Litaneien gemeinsam ist es, dass sie Wesenszüge Jesu benennen, seine Geduld, sein Gehorsam, seine Barmherzigkeit usw. Die Nennung, die Anrufung des „mutigen Jesus“ werden Sie darin aber nicht finden. Einen Satz wie „Du mutiger Jesus, erbarme Dich unser“ gibt es nicht. Es scheint, als habe in der Anbetung Jesu sein Mut keinen Platz oder keine Bedeutung.

Es lohnt, sich in einer Gebetszeit einmal diesem mutigen Jesus zu nähern – es wird nicht bei der einen Zeit bleiben! Die Bitte, die diese Gebetszeit rahmt, könnte sein: Dem mutigen Jesus begegnen wollen an den verschiedenen Orten, in denen er Mut brauchte.

Vier Orte, an denen Sie dem mutigen Jesus beregnen können, möchte ich Ihnen vorstellen.

Jesus in Nazareth (Lk 4,16-30)

Zu Beginn seines öffentlichen Lebens in Galiläa predigt Jesus in der Synagoge seines Heimatortes, legt einen Schrifttext von Jesaja aus, den er auf sich bezieht – zumindest kann man das „das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, hat sich erfüllt“ so verstehen. Nicht nur das allein ist mutig. Als sich die Menschen aus Nazareth gegen ihn erheben, ihn aus der Stadt heraustreiben auf einen Berg, von dem sie ihn hinabstürzen wollen, da schreitet er mitten durch die Menge hindurch und geht weg. – Ich stelle mir das bildlich vor: der Abhang des Berges, die zornige Menge, der aufrecht gehende Jesus, der langsam, sich seiner selbst und seiner Sendung bewusst, die hinter sich lässt, bei denen er groß geworden ist. Er verlässt das, was ihm äußere Heimat ist, um dem treu zu bleiben, was ihm innere Heimat ist: seine Sendung. Ich suche nach diesem Mut in mir, der mich um meiner Sendung Willen dazu bringt, ggf. sogar in Anfeindungen und Spott aufzustehen, (m)einer Heimat den Rücken zuzukehren und zu gehen.

Die wahren Verwandten Jesu (Lk 8,19-21)

Auf der gleichen Linie, um die familiäre Nuance verschärft, lese ich die Perikope von den wahren Verwandten Jesu. „Deine Mutter und Deine Brüder stehen draußen und möchten Dich sehen.“ – Er erwiderte: „Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln.“ Es geht sicher nicht um die Ablehnung der leiblichen Familie oder um deren Geringschätzung. Es braucht Mut, sich in dieser Weise dennoch abzugrenzen von der Familie, von der Verwandtschaft, und schlüssig ist es nur, wenn wiederum deutlich wird, dass die Sendung Jesu, dass sein Lebensziel, dass das Grundprojekt seines Lebens sogar die familiären Bindungen unterordnet. Was wie eine Frechheit klingt, klingt mutig, wenn der Aspekt der Sendung dazukommt.

Herodes, der Fuchs (Lk 13,31-33)

Jesus nimmt wieder seinen ganzen Mut zusammen, als einige Pharisäer zu ihm kommen und ihn vor Herodes warnen. Jesus solle weggehen, da Herodes ihn töten lassen wolle. Mutig bringt Jesus seine Sendung ins Wort und entgegnet: „Geht und sagt diesem Fuchs: Ich treibe Dämonen aus und heile Kranke, heute und morgen, und am dritten Tag werde ich mein Werk vollenden. Doch heute und morgen und am folgenden Tag muss ich weiterwandern; denn ein Prophet darf nirgendwo anders als in Jerusalem umkommen.“ Mit der Geschichte Jesu, mit der Fortgang des Evangeliums werden die Auseinandersetzungen größer, in die Jesus verstrickt wird. Jetzt u seiner Sendung Willen mutig zu sein heißt, sich leibhaftige Feinde zu schaffen.

Jesus am Ölberg (Lk 22,39-46)

Den abschließenden Höhepunkt des mutigen Durchtragens der Sendung sehe ich im Gebet, im Ringen Jesu am Ölberg. Dass Jesus den Jüngern rät, darum zu beten, nicht in Versuchung zu geraten, ist sicher auch ein Rat, den er sich selbst gibt. Im geistlichen Sinne ist das Gegenteil des Mutes nicht die Angst, sondern die Versuchung. „Mut“ meint in spiritueller Sicht, der eigenen Sendung treu zu bleiben. So findet dieser Mut Jesu seinen wirklichen Höhepunkt in der Bitte an den Vater: Wenn Du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern Dein Wille soll geschehen.“ In der Kraft, die ihm der Engel vom Himmel bringt, bleibt Jesus seiner Sendung treu – bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz, um die Sprache der Litaneien zu gebrauchen.

Eine Litanei vom/zum mutigen Jesus beten

Für das eigene Beten oder für das Gebet in der Gruppe schlage ich Ihnen vor, eine Litanei vom mutigen Jesus bzw. zum mutigen Jesus zu beten. Das Evangelium mit den Stationen, den Begegnungen Jesu und den Begebenheiten um Jesus herum daraufhin betrachten, ob und wie Jesus mutig seiner Sendung treu geblieben ist. Und aus dem, was sich zeigt, eine Litanei sammeln, schreiben, beten. Einige mir wichtige und liebe Entdeckungen schreibe ich Ihnen als „Starthilfe“ auf.

(V) Du mutiger Jesus, (A) erbarme Dich unser
(V) Jesus, der im Tempel die Alten lehrt, …
(V) Jesus, der die Versuchung des Hungers kennt…
(V) Jesus, der die Versuchung des Reichtums kennt…
(V) Jesus, der die Versuchung der Macht kennt, …
(V) Jesus, der aufrecht durch die Menge geht, …

(V) Du mutiger Jesus, (A) erbarme Dich unser.
(V) Jesus, der mich in seine Sendung nimmt, …
(V) Jesus, der mit Freimut handelt …
(V) Jesus, der ganz offen redet, …
(V) Jesus, der die Wunden berührt, …
(V) Jesus, der die Hand hinhält, …

(V) Du mutiger Jesus. (A) erbarme Dich unser

Köln, 01.04.2020
Harald Klein