„Nehmt Gottes Melodie in euch auf“ (Ignatius von Antiochien)

  • (An-) Stiftungen zum Gespräch
  • –   
  • –   

Hintergrund

Kennzeichen der Moderne waren u.a. Institutionen und eine Weise des Lebens, die von den Institutionen geregelt, vorgegeben wurde. Diese Weise des „Tanzes nach vorgegebener Musik“ findet sich im Berufsleben, in der Gesellschaft, in Konventionen, und natürlich auch in der Kirche, ihrer Lehre (Religiosität), ihrem kollektiven Ausdruck (Frömmigkeit) und der/den Weise(n), zu leben und Leben zu deuten (Spiritualität). Versteht man die Postmoderne als Fortschreibung oder sogar als Überwindung der Moderne, so ist verständlich, dass religiös nach dem Gehalt der Lehre für das eigene Leben, fromm nach den individuellen und auch kollektiven Vollzügen des Glaubens und spirituell nach den Deutungsmustern für das eigene Leben, aber auch für das Leben im Miteinander, in Gemeinschaft und Gefährtenschaft gefragt wird. „Leben als Tanz mit und vor Gott“ fragt nach dem „Woher“ der Musik, der Melodie Gottes.

 

Drei Zitate

„Eine schöne Definition eines erwachten Menschen: ein Mensch, der nicht mehr nach der Pfeife der Gesellschaft tanzt, ein Mensch, der zu der Musik tanzt, die aus ihm selbst kommt.“

aus: De Mello, Anthony (21992): Der springende Punkt. Wach werden und glücklich sein, Freiburg, 175.

„In jener Zeit sprach Jesus zu der Menge: Mit wem soll ich diese Generation vergleichen? Sie gleicht Kindern, die auf dem Marktplatz sitzen und anderen Kindern zurufen: Wir haben für euch auf der Flöte Hochzeitslieder gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen.“

Mt 11,16f

„In dem Brief, den Ignatius an die Gemeinde von Ephesus schreibt, kommt ihm das Bild in den Sinn, diese Gemeinde mit einem großen Chor zu vergleichen. Er schreibt: ‚Nehmt Gottes Melodie in euch auf. So werdet ihr alle zusammen zu einem Chor, und in eurer Eintracht und zusammenklingender Liebe ertönt durch euch das Lied Jesu Christi. Das ist das Lied, das Gott, der Vater, hört – und so erkennt er euch als die, die zu Christus gehören.‘ […] Ignatius hat die Vorstellung, dass Gott für jeden eine Stimme, eine Lebensmelodie hat. Und wenn jeder die ihm zugedachte Melodie Gottes wirklich hört und in sich aufnimmt, dann wird der Zusammenklang aller Stimmen eine Symphonie. Im Griechischen steht buchstäblich das Wort Symphonie – es heißt wörtlich Zusammenklang.“

aus: Bours, Johannes (61985): Nehmt Gottes Melodie in euch auf. Worte für das tägliche Leben, Freiburg, 40. – Bours bezieht sich hier auf den Kirchenvater Irenäus von Antiochien (2. Jhdt.n.Chr.).

 

Impulse für den Austausch

 

  • Ankommrunde: Im Liedtext heißt es: „Ich sing Dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben“. Wie klingt mein Leben heute? Von welchen diesen Klang hervorrufenden Harmonien bzw. Disharmonien möchtest Du erzählen?

 

  • Im Blick auf das Thema: Es soll weniger um die Musik gehen, von der wir uns abwenden, denn um die, nach der wir „tanzen“ wollen. Drei Fragen zur Hilfe: (1) Kannst Du ein Erleben, eine Erfahrung erzählen, in der Du „Gottes Melodie“ in Dir gehört hast? Und wie hat Dein „Tanz“ auf diese Melodie ausgesehen, was hat diese Melodie Gottes angestoßen und bewegt? (2) Wie unterscheidest Du Gottes Melodie in Dir oder auch außerhalb Deiner von Deinem eigenen Gesumme? (3) Wo und wie erlebst Du den „Chor der zusammenklingenden Lieder“, den Ignatius von Antiochien beschreibt?

 

  • Abschlussrunde: Welchen Satz, welches Statement aus dem Austausch greifst Du für Dich selber noch einmal auf? Was willst Du ausprobieren, was willst Du üben, um der Lebensmelodie Gottes für Dich mehr auf die Spur zu kommen?

Köln, 20.07.2021
Harald Klein