Gebetshilfen aus der Schrift – Glauben – mehr „Gehen“ oder mehr „Stehen“?

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Glauben – mehr „Gehen“ oder mehr „Stehen“?

Manchmal ist schon die Frage falsch. Und wenn das so ist, wer kann dann die richtige Antwort finden? Paulus predigt auf dem Areopag: „In Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28a). Wie kann das gehen, sich glaubend und betend in Gott bewegen? Was mag Ihnen da als Antwort, zumindest als Antwortversuch, einfallen? Zwei bewegende und bewegte „Geh-Geschichten“ kommen mir in den Sinn, die etwas mit dem „in Gott bewegen wir uns“ zu tun haben können.

Ex 3: Mose am brennenden Dornbusch

Die erste Geh-Geschichte ist gut bekannt. Es geht um die Geschichte vom brennenden Dornbusch in Ex 3. Mose geht, er treibt die Schafe seines Schwiegervaters Jitro über die Steppe hinaus und kommt am Gottesberg Horeb an. Dort sieht er die Erscheinung des Dornbuschs, der brennt und doch nicht verbrennt. Sie kennen die Geschichte, Sie kennen das „Leg deine Schuhe ab, denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.“ Der Schluss der Geschichte ist mir wichtig. Gottes Auftrag: „Und jetzt geh! Ich sende Dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten.“ Sie können, wenn Sie wollen, den Dreischritt des Sich-in-Gott-bewegens schon hier erkennen: Gehen (im Alltag) – Stehen (in der Begegnung) – Anders gehen (in der Berufung).

Lk 10: Die Aussendung der Jünger

Die zweite Geschichte ist dem Lukasevangelium entnommen, es geht um die Aussendung der zweiundsiebzig Jünger – ein kleiner „Synodaler Weg“ im Vergleich zu Markus und Matthäus, dort gilt der Auftrag der Sendung den zwölf Aposteln, hier geht es um die Jünger! Sie finden in dieser Perikope bei Lukas (und in den Parallelgeschichten bei Markus und Matthäus) genau den gleichen Dreischritt: Gehen (im Alltag) – Stehen (in der Begegnung) – Anders Gehen (in der Berufung)

Jesus schickt die Jünger aus, dorthin zu gehen, wohin er selbst gehen will; es sind keine Orte genannt, die Jünger scheinen entscheiden zu können, wohin Jesus selbst gehen will! Jesu Anweisung „Geht! Ich sende Euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“ wird für die Jünger zum Gehen (im Alltag).

Die Stelle des Dornbuschs wird hier übernommen vom Haus, in dem ein Mann des Friedens wohnt: „Wenn Ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Mann des Friedens wohnt, wird der Friede, den ihr ihm wünscht auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu Euch zurückkehren. Bleibt in diesem Haus, […] Zieht nicht von einem Haus in ein anderes!“ (Lk 10,5-7). Hier haben Sie das Stehen (in der Begegnung). Eine Besonderheit liefert Lukas. In Lk 10,10 heißt es: „Wenn Ihr aber in eine Stadt kommt, in der man Euch nicht aufnimmt, dann stellt Euch auf die Straße und ruft: Selbst den Staub Eurer Stadt, der an unseren Füßen klebt, lassen wir Euch zurück; doch das sollt Ihr wissen: Das Reich Gottes ist nahe.“ Das Stehen (in der Begegnung) kann auch zum Umkehren, zum Abbruch, zum Ende der Begegnung führen, dazu, dass man den Staub von seinen Füßen schütteln mag oder sogar muss.

Fehlt noch das dritte Moment, das Anders Gehen (in der Berufung). Wieder Lukas in seiner tiefen Sprache und Deutung: „Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und berichteten voll Freude: Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir Deinen Namen aussprechen“ (Lk 10,17). Die Jünger haben im beschriebenen Dreischritt ihren Platz und ihre Berufung gefunden – zumindest für den Moment. Denn die Berufung des Mose wie auch der Jünger geht ja weiter.

Die Berufung für den Moment

Mit den beiden Perikopen betend umgehen kann dazu führen, der eigenen Berufung näherzukommen, gemeint ist hier die Berufung als eine „Berufung für den Moment“.

Wir sind es gewohnt, „Berufung“ oft mit „Wahl“ und „Stand“ in einem zu denken. Man kennt – vielleicht im Ranking der Kirche? – die Berufung zum Priesteramt, zum Ordensleben bzw. zum Leben in Gemeinschaft, in neueren Ansätzen auch die Berufung des Lebens allein in Gefährtenschaft. Berufung meint hier Wahl eines Standes, und in diesem Stand, aus diesem Stand heraus bewege ich mich, im Alltag, in der Welt, und im oben beschriebenen Dreischritt auch in Gott.

Übersehen wird dabei oft die Berufung für den Moment. Es war ein Moment im Leben des Mose, ein Moment der Aussendung bei den zweiundsiebzig Jüngern, der ihrem Leben eine neue Wendung gab.

Sich in Gott bewegen kann hier heißen, zwar im gewählten Stand zu bleiben, aber dennoch auch im Stande zu sein, diesen Stand neu zu füllen. Sich in Gott bewegen kennt Routinen, kennt das Gehen (im Alltag). Aber es kann schnell zu dem „Wie geht’s?“ – „Es geht.“ kommen. Sie hören es schon: „Es geht.“ Die Antwort sollte besser heißen: „Ich gehe!“ Routinen helfen, Freiräume zu schaffen für neue Begegnungen und für eine neue Berufung. Beinahe schon paradoxerweise erfordert das sich bewegen in Gott ein Stehenbleiben (in der Begegnung). In unserer ignatianischen Spiritualität sind das die Exerzitien, sind das Gebetszeiten und ist das die Geistliche Begleitung. Natürlich kann es dazu kommen, dass wir die großen Berufungen, dass wir auch den Stand in Frage stellen, keine Frage. Aber in aller Regel geht es in diesen „Lebensmitteln ignatianischer Frömmigkeit“ um die kleinen Berufungen für den Moment erspüren, herausfinden, herauslesen oder -hören wollen. Und das sich in Gott bewegen wird dann zur Folge haben (oder zumindest haben können), dass ich anders gehe (in der Berufung). Die Berufung für den Moment ändert sich in den Begegnungen. Was kann das Sich in Gott bewegen in diesem Dreischritt alles bewirken, sei es bewirkt durch die ignatianischen Lebensmittel, sei es bewirkt durch andere Formen des Gehens (im Alltag) – Stehens (in der Begegnung) – Anders Gehen (in der Berufung), wie sie andere Spiritualitäten anbieten.

Der eigenen Berufung für den Moment auf die Spur kommen

Für das eigene Gebet, aber auch für das Gebet in der Gruppe schlage ich Ihnen vor, Ihrer eigenen Berufung für den Moment auf die Spur zu kommen, um sich dadurch in Gott zu bewegen.

Betrachten Sie den Mose, wie er die Schafe hütet; betrachten Sie die Jünger, wie sie zu zweit gehen und an die Haustüren klopfen. Betrachten Sie Ihren Alltag und Ihre Routinen. Sie gehen damit durch Ihren Alltag, und die Routinen geben Ihrem Leben ein Gerüst. Wie sieht Ihr Routinen-Gerüst aus?

Aber Sie tun das, um Freiräume für Begegnung zu schaffen. Wer/was spricht Sie an, ruft Sie heraus? Wo ist gerade jetzt Ihr „heiliger Boden“, Ihr „Haus, in dem der Friede wohnt“? Bleiben Sie betrachtend stehen in der Begegnung.

Es ist Gott selbst, der (den Mose) führt und (die Zweiundsiebzig) sendet. Reihen Sie sich ein. Erspüren, erfragen besprechen Sie Ihre Berufung für den Moment – und Sie werden anders gehen (in der Berufung).

Harald Klein, Köln
*1961, Priester und Sozialpädagoge
mit Schwerpunkt „“Spiritualität für Soziale Berufe“,
gebundenes Mitglied in der GCL