Worte zum Leben: Hermann Hesse, Sein Leben in Bildern und Texten (Hrsg. von Volker Michels)

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Inhalt:

Die Zusammenstellung des reichhaltigen Bildmaterials, kombiniert mit Textauszügen aus den Werken und Briefen Hermann Hesses, lässt vor den Augen des Lesers und Betrachters eine illustrierte Autobiographie erstehen, die Zusammenhänge von Lebens- und Werkgeschichte in unübertroffener Vollständigkeit anschaulich macht.

Quelle: [online]  https://www.amazon.de/Hermann-Hesse-Bildern-Texten-taschenbuch/dp/3458328114 [27.07.2020]

Der Lebensweg Hermann Hesses, dargestellt in Fotographien mit knappen Erläuterungen – eine Illustration des bewegten und bewegenden Lebens von Hermann Hesse. Aufgrund der vielen und hervorragenden Fotografien hat das Buch die Kraft, die Lesenden und Betrachtenden tiefer zu berühren als eine „bloß“ geschriebene Biographie.- Die hier vorgelegte Auswahl kann hier   heruntergeladen werden.

Die Zitate:

„Das erste und brennendste meiner Probleme war nie der Staat, die Gesellschaft oder die Kirche, sondern der einzelne Mensch, die Persönlichkeit, das einmalige, nicht normierte Individuum.“

Hesse, Hermann (1951): Aus einem Brief an französische Studenten, in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 82.

„Wer ist so mächtig wie er? Wer ist so schön, so phantastisch, schwärmerisch, fröhlich und schwermütig? Er ist ein Held und Zauberer, er ist ein Verführer und Bruder des Eros. Er vermag Unmögliches, arme Menschenherzen füllt er mit schönen und wunderlichen Dichtungen. Er hat mich Einsiedler und Bauern zum König, Dichter und Weisen gemacht. Leer gewordene Lebenskähne belastet er mit neuen Schicksalen und treibt Gestrandete in die eilige Strömung des großen Lebens zurück. So ist der Wein. Doch ist es mit ihm wie mit allen köstlichen Gaben und Künsten. Er will geliebt, gesucht, verstanden und mit Mühen gewonnen werden.“

Hermann Hesse (1937), zitiert in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 124.

„Überall erkennen wir die Überlegenheit unserer Zivilisation und Technik, und überall sehen wir die religiösen Völker des Ostens doch ein Gut genießen, das uns fehlt und das eben darum höherstellen als alle jene Überlegenheiten. Es ist klar, dass kein Import aus Osten uns hier helfen kann, kein Zurückgehen auf Indien oder China, auch kein Zurückflüchten in ein irgendwie formuliertes Kirchenchristentum. Aber es ist ebenso klar, dass Rettung und Fortbestand der europäischen Kultur nur möglich ist durch das Wiederfinden seelischer Lebenskunst und seelischen Gemeinbesitzes. Ob Religion etwas sei, das überwunden und ersetzt werden kann, mag Frage bleiben. Dass Religion oder deren Ersatz das ist, was uns zutiefst fehlt, das ist mir nie so unerbittlich klar geworden wie unter den Völkern Asiens.“

Aus: Hesse, Hermann, (1914): Erinnerung an Asien, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 11.

„Psychoanalyse ist nicht ein Glaube oder eine Philosophie, sondern ein Erlebnis. Dies Erlebnis bis auf den Grund auszukosten und im Leben die Folgen daraus zu ziehen ist das einzige, was eine Analyse wertvoll macht. Andernfalls bleibt sie eine hübsche Spielerei.“

Hesse, Hermann (1921): Aus einem Brief an Hans Reinhart, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 201.

„Die Weisheit, die uns nottut, steht bei Lao-Tse, und sie ist ins Europäische zu übersetzen, ist die einzige geistige Aufgabe, die wir zur Zeit haben. […] Lao-Tse soll uns nicht das Neue Testament ersetzen, aber er soll uns zeigen, dass ähnliches auch unter anderem Himmel und früher schon gewachsen ist, und das soll unseren Glauben an die Internationalität der Kulturfähigkeit stärken.“

Hesse, Hermann (1913/1919): Aus Buchbesprechungen, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 203.

„Der Tod von Gandhi war für mich kein Schrecken, er war die gewissermaßen legitime Antwort der Welt auf Gandhis Leben und Werk, so wie Golgatha die folgerichtige Antwort auf Jesus war.“

Hesse, Hermann (1948): Aus einem Brief an Pia Ludwig, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 205.

„Goldmund aber ist viel mehr als Narziß auf polare Schwingungen eingestellt, ihm ist es nicht gegeben, sich in patriarchalischer Ordnung zu begnügen, er ist Schöpfer und daher ein Mensch der Spannungen.“

Hesse, Hermann (1929): Aus einem Brief an Josef Englert, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 224.

Hesse über seine Freundschaft mit Thomas Mann: „Mir ist in meinem Kreise keine zweite so intensive, langdauernde, keine so treue und fruchtbare Lebenskameradschaft begegnet. […] Was hinter seiner Ironie und Virtuosität an Herz, an Treue, Verantwortlichkeit und Liebesfähigkeit stand, jahrzehntelang völlig unbegriffen vom großen deutschen Publikum, das wird sein Werk und Andenken weit über unsere verworrenen Zeiten hinaus lebendig erhalten.“

Hesse, Hermann (1955): Aus einem Brief an Katja Mann, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 238.

„Wenn einer alt geworden ist und das Seine getan hat, steht es ihm zu, sich in der Stille mit dem Tod anzufreunden. Nicht bedarf er der Menschen. Er kennt sie, er hat ihrer genug gesehen. Wessen er bedarf, ist Stille. Nicht schickt es sich, einen Solchen aufzusuchen, ihn anzureden, ihn mit Schwatzen zu quälen. An der Pforte seiner Behausung ziemt es sich, vorbeizugehen, als wäre sie Niemandes Wohnung.“

Tafel an Hesses Haustür mit den Worten des Men-Hsiä, eines fiktiven chinesischen Weisen, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 302.

„Beinahe alle Prosadichtungen, die ich geschrieben habe, sind Seelenbiographien, in allen handelt es sich nicht um Geschichten, Verwicklungen und Spannungen, sondern sie sind im Grunde Monologe, in denen eine einzige Person, eben jene mythische Figur, in ihren Beziehungen zur Welt und zum eigenen Ich betrachtet wird.“

Hesse, Hermann (1928): Eine Arbeitsnacht zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 304.

„Was mich zeitlebens beschäftigt, gefesselt und fruchtbar gemacht hat, waren nicht soziale Probleme, sondern die des Individuums, und die Tendenz der neuern Weltgeschichte, die Person zugunsten der konformen Masse auszurotten, ist mir völlig verhasst. […] Die Schwierigkeiten, welche die heutige Welt dem Individuum und seiner harmonischen Ausbildung entgegenstellt, werden, wie ich täglich erfahren auch innerhalb der autoritären Religionen und Staaten von sehr vielen, namentlich von der begabten Jugend, sehr stark empfunden.“

Hesse, Hermann (1940): Autobiographische Skizze, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 286.

„Ein Lebensweg mag von gewissen Situationen aus noch so sehr determiniert scheinen, er trägt doch stets alle Lebens- und Wandlungsmöglichkeiten in sich, denen der Mensch salbt irgend fähig ist. Und die sind desto größer, je mehr Kindheit, Dankbarkeit und Liebefähigkeit wir haben.“

Hesse, Hermann (o.J.): Lektüre für Minuten, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 329.

„Mit der Reife wird man immer jünger. Es geht auch mir so, obwohl das wenig sagen will, da ich das Lebensgefühl meiner Knabenjahre im Grund stets beibehalten habe und mein Erwachsenensein und Altern immer als eine Art Komödie empfand.“

Hesse, Hermann (o.J.): Lektüre für Minuten, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 329.

„Wo ein Werk geschaffen, wo ein Traum weitergeträumt, ein Baum gepflanzt, ein Kind geboren wird, da ist das Leben am Werk und eine Bresche ins Dunkel der Zeit geschlagen.“

Hesse, Hermann (o.J.): Lektüre für Minuten, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 329.

„Auf dem Weg von der Jünglingszeit zum Mannesalter sind die beiden Hauptstufen: Das Innewerden und Bewusstmachen des eigenen Ichs, und dann die Einordnung dieses Ich in die Gemeinschaft. Je einfacher und problemloser ein Jüngling ist, desto weniger Beschwerden werden beide Aufgaben ihm bereiten. Die stärker differenzierten und begabten Naturen haben es schwerer, am schwersten die, denen nicht ein Spezialtalent von selbst den Weg zeigt. Jedes Leben aber ist ein Wagnis, und das Gleichgewicht zwischen den persönlichen Gaben und Trieben und den sozialen Forderungen muss immer neu gefunden werden: es geht nie ohne Opfer, nie ohne Fehler. Und auch wir Alten, scheinbar Arrivierten und Gefestigten, stehen nicht über den Zweifeln und Fehlern, sondern mitten darin.“

Hesse, Hermann (um 1960): Handschriftlicher Briefentwurf, zit. in: Michels, Volker (Hrsg.) (1987): Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt/Main, 348.

Köln, 27.07.2020
Harald Klein