02. Sonntag im Jahreskreis – Sich Ein-Stimmen auf den Menschen Jesus

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Die „Sonntage im Jahreskreis“

Ein wenig Mathematik vornweg: Der Zweite Sonntag im Jahreskreis ist paradoxerweise der erste Sonntag nach der Weihnachtszeit. Der Hintergrund dieses Umstandes ist die liturgische Zählweise. Nach dem Sonntag „Taufe des Herrn“ beginnen die Werktage der ersten Woche nach der Weihnachtszeit, von daher ist das „Fest Taufe des Herrn“ eigentlich der Startpunkt des Zählens. Und so erklärt sich, dass es nach Weihnachten – wie nach Ostern übrigens auch – keinen „Ersten Sonntag nach …“ gibt.

Kommen wir zu Wesentlicherem! Der Weihnachtsfestkreis ist zu Ende, in wenigen Wochen beginnt mit dem Aschermittwoch der Osterfestkreis. Beide Zeiten sind „geprägte Zeiten“, Du könntest auch von „besonderen Zeiten“sprechen. Der Weihnachtsfestkreis hat besonders die Sehnsucht nach Gottes Gegenwart, die Geburt Jesu und die Legenden seiner Kindheit zum Gegenstand; der Osterfestkreis stellt Dir die Auseinandersetzungen Jesu mit den Aposteln und mit den Mächtigen seiner Zeit, seinen Tod und seine Auferstehung vor Augen. Alles andere davor und danach wird in den Sonntagen im Jahreskreis erzählt. Hier geht es um den Alltag Jesu und den Alltag der Menschen um ihn herum; hier geht es um das Bestehen im Alltäglichen – und wenn Du Dir Dein Leben betrachtest, ahnst Du, wie viel Alltägliches da ist, auch im Leben Jesu, wie herausfordernd das Alltägliche für ihn wie für Dich sein kann und wie viel Kraft es von ihm wie von Dir braucht, das Alltägliche zu gestalten und ihm mit Zuversicht und in Entschiedenheit eine Form zu geben.

Ich bin davon überzeugt, dass es die Sonntage im Jahreskreis sind, anhand derer sich Dein und mein Verhältnis zu Jesus (wie auch Dein und mein Verhältnis zwischen uns) entscheidet, so erhaben auch die beiden „geprägten Zeiten“ vom Verhältnis zwischen Gott und Mensch und zwischen den Menschen untereinander zu erzählen vermögen. Und jeder erste (bzw. zweite) Sonntag im Jahreskreis ist eine Art „neuer Morgen“, gibt quasi einen neuen Impuls (bzw. einen alten Impuls neu), in dieses Verhältnis neu und anders einzusteigen, Dich Jesus zu nähern, ihn Dir nahe kommen zu lassen.

» Die innere Einstellung, mit der wir den Tag starten, entscheidet darüber, wie wir ihn erleben. Jeden Morgen können wir aufs Neue entscheiden, eine passende Einstellung zu wählen für das, was uns bevorsteht. «
7mind - Meditations-App "Kraftvoll in den Tag"

7mind: „Einstellung“ und „Stimmung“

Die m.E. sehr empfehlenswerte Meditations-App „7mind“ hält unter der Überschrift „Morgenroutine“ eine achtminütige Morgenmediation vor, die den Titel „Kraftvoll in den Tag“. Sie beginnt einleitend mit den Worten: „Die innere Einstellung, mit der wir den Tag starten, entscheidet darüber, wie wir ihn erleben. Jeden Morgen können wir aufs Neue entscheiden, eine passende Einstellung zu wählen für das, was uns bevorsteht.“ Und die sechsminütige Meditation „Der Morgen für mich“ beginnt einführend mit den Worten: „Häufig spielt unsere Stimmung eine große Rolle darin, wie wir Situationen wahrnehmen. Oft ist uns gar nicht bewusst, dass automatisch ablaufende Gedanken unsere Grundstimmung beeinflussen und das Erleben des Alltags manchmal schwerer machen als es sein müsste.

Diese beiden Meditationen leisten in aller Kürze das, was einen Tag, eine Woche, einen Monat, vielleicht sogar ein Leben ausmachen: sie betonen die Kraft der inneren Einstellung und der Stimmungen, die meine und Deine Wahrnehmung, mein und Dein Verhalten, mein und Dein Handeln und Unterlassen vielleicht mehr beeinflussen als alle Vernunft!

Nimm den Hype um das Neujahr mit Vorsätzen, Verhaltensänderungen und Hinter-sich-lassen wollen. Es ist DeineStimmung und Deine innere Einstellung, diese diesem kalendarischen „Datum“ (lat. für „das Gegebene“) seine Bedeutung gibt. Alles, was Du am 1. Januar, am Neujahrstag tun und unterlassen könntest, könnte an jedem beliebigen anderen Tag des Jahres auch geschehen (ausgenommen vielleicht das Schauen des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker).Und trotzdem ist es gut und hilfreich, solche Tage stimmungs- und einstellungsmäßig aufzuladen: z.B. feierst Du an jedem Geburtstag oder Hochzeitstag ausdrücklich, was immer gilt: die Freude über Dein oder des anderen Dasein, die Dankbarkeit und die Hoffnung auf ein weiteres Miteinander in Liebe und im Füreinander-Einstehen. Noch einmal die ‚Anfangssätze der Einleitung der beiden Meditationen: „Die innere Einstellung, mit der wir den Tag starten, entscheidet darüber, wie wir ihn erleben.“ – Und: Häufig spielt unsere Stimmung eine große Rolle darin, wie wir Situationen wahrnehmen. Oft ist uns gar nicht bewusst, dass automatisch ablaufende Gedanken unsere Grundstimmung beeinflussen.“

» Alle intensiven Beziehungen unter Menschen lassen sich durch eine zentrale ‚Standpunktgemeinsamkeit‘ beschreiben. [...]. Fragt man nach Jahren, was Menschen wesentlich, jenseits aller Augenblicksschwankungen, zusammenhält, so ist es fast immer eine Gemeinsamkeit fundamentaler Werteempfindungen und (religiöser) Überzeugungen. Dazu zählt nicht, dass zwei Menschen sich in allen Fragen ‚einig‘ sind – dass sie dieselbe politische Partei wählen oder in dieselbe Kirche gehen, dass sie dieselben Hobbys hegen oder den gleichen Freizeitsport betreiben -, unverzichtbar aber ist eine gleiche Sicht auf die Menschen, bedeutsam ist eine Gleichartigkeit der Wahrnehmung menschlicher Not, entscheidend ist eine zumindest vergleichbare Bereitschaft, darauf einzugehen. ‚Am selben Strick zu ziehen‘ bildet irgendwann das wohl tiefste Glück der Verbundenheit, vorausgesetzt, an diesem ‚Strick‘ hängt menschlich Wertvolles, bewegt sich etwas, das über Sinn und Unsinn, über Gelingen und Misslingen des Lebens entscheidet. Und diese ‚Standpunktgemeinschaft‘ ist es, die der johanneische Jesus sowohl zwischen sich und seinen Jüngern als auch zwischen den Jüngern untereinander betrachtet. «
Drewermann, Eugen (2003): Das Johannesevangelium. Bilder einer neuen Welt. Zweiter Teil, Düsseldorf, 231.

„Seht, das Lamm Gottes!“ – „Was sucht ihr?“ – „Kommt und seht!“

Das Evangelium des heutigen Sonntags spricht zuerst von Johannes dem Täufer. Wie ein Sprecher oder eine Sprecherin, wie ein Lehrender der Meditationen von 7mind führt er in die Meditation Jesu, in die An-Schauung Jesu ein; er richtet seinen Blick auf den vorübergehenden Jesus, und sagt zu zwei Jüngern, die bei ihm stehen, ihren Blick auf Jesus lenkend: „Seht, das Lamm Gottes!“

Was jetzt kommt, ist das Wichtigste, obwohl kein Wort davon geschrieben ist: Jetzt übernehmen die innere Einstellungund die Stimmung, die in Andreas, dem einen der beiden Jünger, und seinem Kompagnon herrschen, die Führung. Lapidar heißt es. „Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus.“

Was meinst Du: Tun sie das selbst- oder fremdgesteuert, sind sie eher intrinsisch oder eher extrinsisch motiviert, hinter Jesus her zu sein? Befolgen sie des Johannes‘ Weisung, oder ist es ihre Neugierde, hinter Jesus her zu sein? Jesus jedenfalls bleibt stehen und sagt zu ihnen: „Was sucht ihr?“ Sie sagten zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst Du?“ Er sagte zu ihnen: „Kommt und seht!“ Da kamen sie mit ihm und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm; es war um die zehnte Stunde (vgl. Joh 2,36-39).

» Häufig bestimmt unsere Stimmung eine große Rolle darin, wie wir Situationen wahrnehmen. Oft ist uns gar nicht bewusst, dass automatisch ablaufende Gedanken unsere Grundstimmung beeinflussen und das Erleben des Alltags manchmal schwerer machen als es sein müsste. «
7mind - Meditations-App "Der Morgen für mich"

Noch einmal: „Einstellung“ und „Stimmung“

Der Sonntag ist – wie schon gesagt – ein wiederholter Neuanfang, ein wiederholter Einstieg in die Begleitung Jesu in seinen Alltag. Und umgekehrt mag auch gelten: ein Aufmerken auf den Einstieg der Begleitung Jesu in Deinen Alltag. Das heutige Evangelium ist so etwas wie ein „Start-up-Evangelium“. Die Internet-Zeitschrift Computer-weekly.de definiert ein Start-up- Unternehmen als ein „neu gegründetes Unternehmen mit einer besonderen Dynamik, die auf der wahrgenommenen Nachfrage nach seinem Produkt oder seiner Dienstleistung basiert. Die Absicht eines Startups ist es, schnell zu wachsen, indem es etwas anbietet, das eine bestimmte, spezifische Marktlücke schließt.“[1] Schau selbst, ob und wie Du die Parallelen zum heutigen Evangelium und zu dessen Folgen ziehen kannst.

Mir ist für diesen Sonntag und auf dieses schöne Evangelium hin ein Vergleich besonders wichtig und lieb: Ich weiß, dass ich täglich – unabhängig von geprägten Zeiten oder vom Jahreskreis – meine Einstellungen und meine Stimmung gegenüber Jesus ändern, neu ausrichten kann. Ich möchte mir meiner inneren Einstellungen und meiner StimmungJesus gegenüber bewusst sein, um an diesem Sonntag im Jahreskreis, am Beginn des Alltags Jesu, den ich begleite, und meines Alltags, den Jesus begleitet, ganz intrinsisch motiviert meinen Weg der Nachfolge Jesu und meine Weise meines Bleibens und Mitgehens mit ihm bestimmen können. Die, deren Blick auf Jesus geht und die auf Jesus schauen, brauchen keine extrinsischen Motivationen und Weisungen, es genügt die Frage „Wo, bei wem, wie bist Du in dieser Welt zu Hause?“ und die Antwort „Kommt und seht.“ Von Andreas und seinem Kompagnon heißt es: Und sie blieben jenen Tag bei ihm. Dranbleiben – auch eine Weise, die zur Meditation bei 7mind gehört, dient sicher auch zur Meditation, zur An-schauung Jesu.

Amen.

Köln, 12.01.2024
Harald Klein

[1] vgl. [online] https://www.computerweekly.com/de/definition/Startup-Unternehmen#:~:text=Ein%20Startup%2DUnternehmen%20ist%20ein,eine%20bestimmte%2C%20spezifische%20Marktlücke%20schließt. [12.01.2024]