03. Sonntag im Jahreskreis – Ein dreifach Hoch …

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In Stimmung sein

Ob Du auch an der Mehrdeutigkeit unserer Sprache Deine Freude hast? Mir geht es jedenfalls so. Wenn im Rheinland jemand sagt, er sei in Stimmung, hat er meistens eine Pappnase und ein paar bunte Klamotten an – Karneval steht vor der Tür! Wenn ein Freund sag, er sei nicht in Stimmung, wird er eher zu Hause bleiben als mit ins Kino oder in die Cocktailbar zu kommen. Und der Beispiele gäbe es mehr!

Der letzte Sonntag diente dazu, sich einzustellen oder einzustimmen, die eigene Stimmung zu befragen, ob es da eine Bereitschaft gibt, sich neu dem Alltag Jesu zu stellen oder Jesus neu in den eigenen Alltag mit hineinzunehmen. Nichts anderes haben diese Sonntage zum Ziel als Altbekanntes (die Texte der bzw. die Begegnungen in und mit den Evangelien) mit dem neuen, jetzt beginnenden Alltag zu konfrontieren, oder anders: als in den jetzt neuen und gegenwärtigen eigenen Alltag den Alltag Jesu hineinzunehmen und das Alte neu, gegenwärtig zu hören. Es ist die Bewegung, zu der die Lehre der Achtsamkeit anstachelt: Mit der Wachheit auf den neuen Alltag können die altgewohnten Worte und Begegnungen Jesu einen neuen Klang und eine neue Bedeutung bekommen. Die Frage an Dich wie an mich ist: Bin ich, bist Du in Stimmung? Kannst Du Dich, kann ich mich darauf einstellen? Wenn ja, dann los!

» Vielleicht kann man einen Menschen am besten daran erkennen, welche Interessen ihn leiten und welche Motive ihn bestimmen. Doch welch eine Verzauberung muss von der Person Jesu ausgegangen sein, wenn sie imstande war, Menschen aus ihrem Alltag , aus ihren vertrauten Lebenszusammenhängen herauszulösen und in eine ganz neue Welt hineinzustellen, und zwar SOGLEICH, wie Markus immer wieder sagt. «
Drewermann, Eugen (5. Aufl. 1989): Das Markusevangelium. 1. Teil. Bilder von Erlösung, Freiburg, 162.

Das Anfangswort Jesu – die dreifache Nähe des Reiches Gottes

Der Evangelist Markus erzählt zu Beginn seines Evangeliums sehr knapp in 13 Versen vom Auftritt Johannes des Täufers, von der Taufe und der Versuchung Jesu. Dann siehst Du – und noch wichtiger: dann hörst Du – Jesus zum ersten Mal in Aktion auf andere Menschen hin. Sein erstes Wort – und Du weißt, wie wichtig in einer zustande kommenden Beziehung das erste gesprochene Wort ist – lautet: „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“

Ich beschränke mich jetzt mal auf das Wort von der Nähe des Reiches Gottes. Lass dieses alte Wort, das Du bestimmt kennst, doch mal in Deinen gegenwärtigen Alltag hinein. Du kannst es auf dreierlei Weisen hören, die ich, nimm es mir nicht krumm, dem „Schuldbekenntnis“ der katholischen Liturgie[1] entnehme: (1) Nähe des Reiches Gottes in Gedanken: Hier malst Du Dir aus oder deutest in spiritueller Weise den Teil Deines Alltags, der heil oder heilsam ist, und die Menschen darin, die Dir dieses Heilschenken und Dir heilsam begegnen; (2) Nähe des Reiches Gottes in Worten: Du erinnerst Dich an Gespräche, auch an wortarmes und dennoch erfülltes Schweigen, an Briefe oder „Posts“, die Dir das Herz erfüllen, die Dich tragen, halten weiterbringen oder innerlich anrühren, das Beste also, was unsere Sprache zu leisten vermag; (3) Nähe des Reiches Gottes in Werken: ob es der Kaffee am Bett ist, den Du Deiner Frau oder Deinem Mann oder einem Freund, einer Freundin bringst, ob es die Teilnahme an einer der Protestaktionen gegen eine nationalistische und populistische Partei ist, ob es der Brief ist, der geschrieben sein will, um sich zu entschuldigen – die Liste der „Werke“, in denen durch Dich (und damit auch für Dich) das Reich Gottes nahe ist, kannst nur Du bestücken.

Du kannst die gleiche Übung auch mit dem „Die Zeit ist erfüllt“ oder dem „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ machen. Es ist immer eine Frage der Stimmung und der Einstellung, ob für Dich diese Sätze wirklich, wahr oder sogar wirklich wahr sind. Und Du wirst sie nur teilen können mit Menschen, die in der gleichen Stimmung sind wie Du und die Deine Einstellungen teilen.

Ein dreifach Hoch den Gedanken, den Worten, den Werken, in denen sich für Dich die Nähe des Reiches Gottes ausdrückt, und denen, die Menschen um sich haben, mit denen sie das teilen können.

» Dies ist das Eigentümliche jeder wirklichen Berufung: zu erfahren, dass es keine Macht gibt noch geben kann, die imstande wäre, Menschen in den Gefängnismauern des Irdischen einzukerkern. «
Drewermann, Eugen (5. Aufl. 1989): Das Markusevangelium. 1. Teil. Bilder von Erlösung, Freiburg, 162.

Die Nähe des Reiches Gottes verändert soziale und familiäre Festschreibungen

Der Evangelist Markus erzählt weiter, was geschieht, wenn Menschen sich in ihrem Alltag – damals dem Alltag der Fischer – auf Jesus und seine Botschaft einstimmen und einstellen. (Übrigens liegt der Unterschied zu Dir darin, dass die Worte für sie erstmalig zu hören und „neu“ sind).

Auf Jesu „Kommt her, ich werde Euch zu Menschenfischern machen“ lassen Simon, später Petrus genannt, und sein Bruder Andreas sogleich ihre Netze liegen und folgten Jesus nach (Mk 1,17f). Sie lassen ihren Beruf und damit ihren Stand und ihren Habitus zurück, schwer zu glauben, dass sie die Netze später noch einmal hätten finden können, sollten sie sich von Jesus wieder trennen. Und wenn Du Menschenfischer mit einem Bischof verbindest, der seine Netze über Menschen wirft und sie an sich resp. an die Kirche binden will, mag das stimmen; im Sinne der Nähe des Reiches Gottes glaube ich eher Eugen Drewermann, der die Haltungen, die einen guten Fischer ausmachen, betont für jeden, der für diesen Jesus alltäglich eintritt: „Geduld, Wachsamkeit, Ausdauer, Zielstrebigkeit, eine gewisse Langsamkeit der Bewegungen, ein Gespür dafür, den anderen nicht durch Unachtsamkeiten zu verschrecken: all das, was einen guten Fischer ausmacht, werden diese Jünger auch in Zukunft benötigen und brauchen; aber es wird Teil einer menschlichen Haltung, eines menschlichen Austausches, es hört auf, nur eine berufliche Verfahrensweise zu sein.“[2]

Wieder wird deutlich: es ist nicht der Stand, nicht der Habitus, später dann auch nicht die Herkunft, sondern der Modus, die Art und Weise, wie Menschen sich begegnen, um an die dreifache Nähe des Reiches Gottes glauben, um den Alltag daraufhin und daraus her deuten zu können.

Dasselbe gilt für Bindungen, selbst für familiäre Bindungen. In den beiden darauffolgenden Versen ruft Jesus Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, ebenfalls Fischer, die im Boot sitzen und mit ihrem Vater und einigen Tagelöhnern die Netze flicken. Während die ersten beiden sogleich alles stehen und liegen ließen, um Jesus zu folgen, sieht Jesus die kleine Gruppe und ruft sogleich Jakobus und Johannes, die zu „Aussteigern“ aus der Familie werden; sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach (Mk 1,19f).

» Ein Mensch lebt nicht von dem, was er erarbeitet, um zu leben. Was ein Mensch ist, ergibt sich aus der Wahrheit, die in ihm liegt und zu der er berufen ist. «
Drewermann, Eugen (5. Aufl. 1989): Das Markusevangelium. 1. Teil. Bilder von Erlösung, Freiburg, 166.

Bist Du in Stimmung?

In der Gegenwart Jesu ist das Reich Gottes als Deutungsmacht und Deutungskraft für das Alltägliche – richtig: ich meine auch Deinen Alltag – nicht nur nahe, sondern erweist sich als wirkmächtig mit einer Art Sprengkraft, die Stand, Habitus, Bindungen und sicher noch vieles mehr hinter sich zu lassen vermag. Ich erinnere noch einmal an die Frage ganz zu Anfang: Es ist diese Bewegung zur Deutung des Alltags in einer ganz bestimmten Weise, zu der die Lehre der Achtsamkeit anstachelt: Mit der Wachheit auf den neuen Alltag können die altgewohnten Worte und Begegnungen Jesu einen neuen Klang und eine neue Bedeutung bekommen. Die Frage an Dich wie an mich ist: Bin ich, bist Du in Stimmung? Kannst Du Dich, kann ich mich darauf einstellen? Wenn ja, dann los!

Amen.

Köln, 19.01.2024
Harald Klein

[1] Du kennst es? Das Gebet geht: „Ich bekenne, Gott, dem Allmächtigen, und allen Brüdern und Schwestern, dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe. Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken, durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld. Darum bitte ich die selige Jungfrau Maria, alle Engel und Heiligen, und Euch, Brüder und Schwestern, für mich zu beten bei Gott unserm Herrn.“

[2] Drewermann, Eugen (1989): Das Markusevangelium. Bilder von Erlösung. 1. Teil, 5. Aufl., Olten/Freiburg i.Brsg., 167.