07. Sonntag im Jahreskreis – Aufsteigen im Christsein

  • Auf Links gedreht - Das Evangelium
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Potenzielle Aufsteiger

Würdest Du versuchen, ein Drehbuch für die Verfilmung des Evangeliums zu schreiben, hättest Du es heute leicht. Lukas hat keine „Bergpredigt“ wie Matthäus, er hat eine inhaltlich ganz ähnliche „Feldrede“. Jesus ist mit den Seinen vom Berg herabgestiegen, um zu den Menschen „da unten“ zu reden. Lukas schildert Jesus immer wieder als den „Heruntergekommenen“, davon hast du letzten Sonntag lesen können. Fürs Drehbuch wichtig: Jesus kommt vom Berg herunter – und dann „richtet er seine Augen auf seine Jünger und sagt: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“ (Lk 6,20). Jesus schaut zu den seinen, überblickt sie, nimmt sie ausnahmslos alle in den Blick, sie sind so etwas wie sein „Augen-Blick“. Dann folgen die Seligpreisungen und die Wehe-Rufe, die eine Gültigkeit für alle haben. Wie letzten Sonntag gesagt: Der Heruntergekommene trifft die, die ihr Leben im „Unten“ fristen, nimmt sie in den Blick, spricht sie an. Für den heutigen Wahl-Sonntag könnte man sagen: Das Grundsatzprogramm Jesu.

Das Evangelium von heute ist die direkte Fortsetzung dieses Grundsatzprogramms, das allen gilt. Allerdings differenziert Jesus jetzt im An-Blick der Menge. „Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen…“ (Lk 6,27) – und es folgen die vielen unglaublichen „Zu-Mut-ungen“ Jesu, allen voran die Feindesliebe. Das, was jetzt kommt, gilt nicht für alle die, die da sind, sondern denen, die ihm zuhören. Da gibt es ein Band des Zuhörens, das als Band der Zugehörigkeit verstanden werden kann. Wirkliches Zuhören schafft Zugehörigkeit!

Fürs Drehbuch wichtig: war zu Beginn der Blick Jesu, die Blickrichtung vom heruntergekommenen Jesus auf die Heruntergekommenen in der Ebene wichtig, so ist es jetzt umgekehrt das Hören derer, die unten sind, auf einen, der von oben kommt. Aus Zuhören erwächst Zugehörigkeit.

» Gebet als Mittel, die Gottheit mit unseren Bedürfnissen zu konfrontieren und unsere eigenen Interessen auszudehnen bis zum Himmel – wenn es so steht, ist Beten nur ein erster Akt, auf sich selbst aufmerksam zu machen;... «
Drewermann, Eugen (2009): Das Lukasevangelium Bd.1: Bilder erinnerter Zukunft, Düsseldorf, 646.

Premium-Christen im besten Sinne

Es scheint, als gäbe es in der Verkündigung Jesu Worte, die heute über Social Media, über YouTube oder TikTok abgespielt werden können – da möchte ich allerdings kein Drehbuch schreiben! Worte, Begegnungen, Episoden, die etwas mit einem „Fast-food-Jesus“ zu tun haben. Es mag gut klingen, sogar gut aussehen, im besten Sinne des Wortes ansprechend sein, aber es bleibt oberflächlich, vor allem: es sättigt nicht den tiefen Hunger nach der Erfahrung von Menschsein. Dem „Fast-food-Jesus“ entspricht der „Fast-food-Christ“: hier (wenn überhaupt) mal heiraten oder taufen lassen, dann sich ärgern über den Aufwand, der mit Erstkommunionvorbereitung verbunden ist, bei der Firmung vor allem Omas Geldgeschenk mitnehmen, und dann die Eltern anständig beerdigen lassen – wie gesagt; wenn überhaupt! Wem könnte man das „Fast-food-Christsein“ verübeln? Wo gibt es die Erfahrung eines, ich nenne es mal, „Premium-Christseins“, das genau diese Erfahrung von Menschsein ermöglicht, anbahnt, erfahren lässt? Welche Sehnsucht in Dir könnte diese Suche für Dich initiieren? Und auf welchen Wegen, mit welchen „Methoden“ könntest Du vorgehen (das kann man schön doppeldeutig lesen).

» ... weit wichtiger indessen ist es, im Gebet auf sich selbst aufmerksam zu werden. Und das geschieht! Kein Mensch würde sich an die Gottheit wenden ohne Vertrauen, irgendwie gehört zu werden – gehört, nicht unbedingt erhört. «
Drewermann, Eugen (2009): Das Lukasevangelium Bd.1: Bilder erinnerter Zukunft, Düsseldorf, 646.

In die Tiefe gehen – aus der Tiefe hören

Vorweggesagt: jetzt wird es plakativ, und ich manchen „Verkündigenden“ und manchen „Quasi-Premium-Christen“ Unrecht tun. Dennoch scheint mir in dieser Zweiteilung der Feldrede ein Dualismus, eine Zweiteilung im Christsein zu liegen, die nicht nur unterscheidet, sondern trennt.

Du findest ein „Quasi-Premium-Christsein“ vor, das „von oben kommt“, herabsteigt aus den höheren Weihen, herunterkommt aus einer „wahren Welt“ in die Untiefen des Gegebenen. Diese „Heruntergekommenen“ richten ihre Augen auf die, die sie vorfinden – sicher anders, als Jesus es tat – und hauen dann raus, wie Christsein zu gehen hat. Da hörst du die Gebote, die Begründung „Jesus hat gesagt“ und „in der Bibel steht“ – und jede Errungenschaft einer Aufklärung, einer Psychologie und einer Soziologie muss hinter dieser Art des „Premium-Christseins“ zurücktreten. Es gibt die da oben und dann die da unten. Für die da oben sind diejenigen Menschen (neben ihnen selbst) „Premium-Christen“, die sich konfrontativ von außen (also von ihnen, nicht von innen) sagen lassen, was gut und was böse, was richtig und was falsch ist – und in der Demut macht ihnen keiner was vor!

Im unmittelbareren „Premium-Christsein“ tauschst du das „von außen“ („von ihnen“) gegen ein „von innen“ ein! Es geht nicht um einen anderen, der dich sieht (wie Jesus im ersten Teil der Feldrede), sondern es geht um dich, der du zuerst dich selbst siehst, und dann zusiehst und zuhörst! Es gibt kein passives Über-dich-hinweg, sondern nur ein aktives Dabei- und Mittendrin-sein. „Premium-Christ“ ist so etwas wie ein ‚Aufstieg im Herunterkommen“ (auch doppeldeutig).

Damit es erkennbar um „Christsein“ geht, gilt es, diesem Jesus Christus zuzusehen, zuzuhören, mit ihm mitzugehen. Das ist es, was wir Gebet oder christliche Meditation nennen. Sehen, wie Jesus da als Heruntergekommener unter Heruntergekommenen steht. Hören, was er sagt und wie die Menschen reagieren. Spüren, was sein Wort in ihnen und vor allem in dir auslöst. Und klären, ob sich da nicht so etwas wie ein Ruf für dich mitten in deinem Alltag zeigt.

Zum „Premium-Christsein“ entwickelt sich diese christliche Praxis dann, wenn du in dieser Haltung des Gebetes – Sehen/Hören/Spüren/Klären – nicht nur dem Christus des Evangeliums begegnest, sondern auch dem Christus in den Herzen und in den Geschichten der Menschen, mit denen du lebst und die um dich herum sind. Hier wie dort gilt: In die Tiefe gehen – aus der Tiefe sehen, hören, spüren, klären.

Das meine ich, wenn ich von „potenziellen Aufsteigern“ rede. Schreib doch mal ein Drehbuch für dich selbst, nur für einen Tag oder eine Woche, wie du dich bewegen kannst, innen wie außen, um dich selbst als „potenzieller Aufsteiger“ auf ein gutes „Premium-Christsein“ zu erleben und zu deuten. Und dann vergleiche mit dem Vorher.

Amen.

Köln, 22. 02.2025
Harald Klein