13. Sonntag im Jahreskreis – „Nichts! Und niemand?“

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Unterwegs sein

Du kennst die Erfahrung, wenn du wandernd oder gar pilgernd unterwegs bist: solltest du zu denen gehören, die Sicherheit lieben, hast du reserviert – sollte dir das Abenteuer mehr liegen, gehst du drauflos und schaust, was sich ergibt. Und dann gibt es die, die Sicherheit gewinnen, weil sie das Abenteuer gewagt haben!

Ich will es nicht glauben, aber Jesus gehört – zumindest dem heutigen Evangelium nach – zu denen, die zumindest auch mal Sicherheit vorziehen. Auf dem Weg nach Jerusalem schickt er Boten vor sich her, eine Unterkunft zu besorgen, aber man nimmt sie nicht auf. Dem Zorn der Jünger, besonders des Johannes und des Jakobus, der „Donnersöhne“, begegnet er einfach, pragmatisch und lakonisch: sie gehen in ein anderes Dorf.

» Als sie auf dem Weg weiterzogen, sagte ein Mann zu Jesus: Ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst. Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann. «
Lk 9,57f

Heimatlos! – Kein Ort für das Haupt

Mag sein, dass diese Erfahrung Pate steht für das, was folgt. Da kommt ein Mann auf die Gruppe zu und spricht Jesus an, er wolle ihm nachfolgen, wohin er auch gehe. Abenteuerlich, oder? Jesus antwortet: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels haben Nester, der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Lk 9,58).

Keinen Ort! Ich vermute, dass dieser Satz (1.) im Christentum mehr Schaden als Nutzen gebracht hat. Er vermag so etwas wie die Heimatlosigkeit Jesu auszudrücken, und schnell ist man dabei, in allen Geflüchteten und Heimatlosen diesen Jesus gegenwärtig zu sehen. Das schlechte Gewissen meldet sich, weil ich meine Blicke lieber auf anderen Menschengruppen richte als auf diese Marginalisierten, und in dieser Lesart dann ja auch Jesus aus dem Blick verliere.

Dieser Satz lässt (2.) auf ein vagabundierendes Leben schließen, und alles bürgerlich Gewachsene und Gewordene kommt in Verdacht, einen Spalt zwischen diesen vagabundierenden Jesus und mich zu treiben, i.S.v.: er hatte nichts, und ich habe nahezu 100 m2, und alles, was da mitgedacht und mitgesehen werden kann. „Sein“ und „Bleiben“ wird passivisch verstanden – dabei ist „Bleiben“ doch eine aktive Form des Seins: Dranbleiben am Unterwegssein!

Dieser Satz könnte (3.) in Jesu Zielrichtung auf das Reich Gottes, für dass sich die „Vagabunden Jesu“ einsetzen, die Unversöhnlichkeit mit der Gegenwart überbetonen. Statt ganz im Jetzt und Hier zu sein, geht es innerlich wie äußerlich weiter auf ein noch ausstehendes „Reich Gottes“. Das könnte u.a. ein Grund für die häufig erlebbare Unzufriedenheit bei Gottes Bodenpersonal sein: Mehr geht halt immer!

Die Haltung hinter diesem Satz könnte (4.) in Hierarchien, sei es Kirche oder sei es Staat, gut die Begründung einer erwarteten und vorausgesetzten Verfügbarkeit der Personen für die Belange der Institution ausdrücken. Da wird dann schnell jede Form einer Beheimatung verdächtig!

So ist das mit dem „keinen Ort haben, wo man sein Haupt hinlegen.“

» Es sind nicht in erster Linie unsere Überzeugungen und moralischen Ansprüche, die uns zu einem besseren Mitmenschen machen. Es ist eher die Bereitschaft, achtsam auf unser Herz zu hören und mitfühlend innezuhalten. Eine aufgeschlossene, achtsame Haltung wertet unseren Alltag auf. «
Mannschatz, Marie (2019): Vollkommen unvollkommen. Zehn Qualitäten, die das Beste in uns zum Vorschein bringen, München, 115.

Heimat finden – Nicht „wo“, sondern „bei wem“

Es mag zu den soziologischen Entwicklungen der letzten Generationen gehören, dass diese Heimatlosigkeit gar nicht so sehr als Beeinträchtigung, als vagabundierendes Leben oder als Unzufriedenheit mit einem gegenwärtigen erreichten Status quo gewertet wird.

Ich könnte das Beispiel der „Digitalnomaden“ anführen, die, oft den „Millennials“ angehörend, ortsunabhängig und flexibel und in verschiedenen Arbeitsmodellen arbeiten, offen sind für Reisen und Kulturen und dazu noch ein Potenzial für hohe Einkommen haben. Es sind die „Millennials“, die als Generation vermutlich nicht so sehr mit einem „wo“, sondern vielmehr mit einem „bei wem“ nach einem Zuhause, fragen. Nicht nach einem „Ort“ also, sondern vielmehr nach einem Menschen, nach einer Gemeinschaft, die Zugehörigkeit bedeutet.

Heimat findet man nicht einfach vor, gelegen zwischen zwei gelbe Ortsschilder oder vorzufinden in einem Haus, dessen Schlüssel man hat. Heimat scheint mir gesucht und hoffentlich gefunden zu werden, versehen mit Menschen-, nicht mit Ortsnamen. In der 2. Lesung dieses Sonntags aus dem Galaterbrief steht der schöne Satz des Apostels Paulus: „Steht daher fest und lasst euch nicht wieder ein Joch der Knechtschaft auflegen! Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder und Schwestern“ (Gal 5,1.13). Freiheit – das gilt auch für die Frage, wer, oder wo für dich Heimat ist!

„Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels haben Nester, der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Lk 9,58) – das spielt auf das „wo“ an; die Frage „bei wem“ taucht in diesem Zusammenhang nicht auf. Doch schon Lesen des Evangeliums, bei den „Boten“, die er ausschickt, bei der Nennung von Johannes und Jakobus wird deutlich, wer ihm und wem er diesen „Ort“ bereiten darf, an dem er und die Seinen sein Haupt hinlegen kann. Das Evangelium ist voll von dieser Weise des „Heimat-seins“, die Jesus hat, und die andere bei ihm finden!

Die „Heimat“ als „Ort“ betonen, sie dem einen gewähren und den anderen verwehren, hat im nationalen wie im institutionellen Kontext schnell etwas Exklusives, Ausschließendes, vielleicht sogar Gewalttätiges.

» Das ist die Kernthese dieses Buches, die in einem Satz zusammengefasst lautet: Wenn wir alle unsere Fähigkeiten zur Verfügung stellen und mehr Gewicht auf die Gestaltung unserer Beziehungen legen, finden wir uns in einer unübersichtlichen Welt besser zurecht.«
Knapp, Natalie (2013): Kompass neues Denken. Wie wir uns in einer unübersichtlichen Welt orientieren können, 3. Aufl., Reinbek, 15.

Ankommen

Heimat, den „Ort“ für das Hinlegen (nicht nur) des Hauptes, schaffen Menschen sich auch in einer unübersichtlichen Welt dadurch, dass sie sich einander eine Heimat schenken, und füreinander, aber auch sich selbst, Heimat sind. Natalie Knapp, Philosophin aus Berlin, hat über die Orientierung in einer unübersichtlichen Welt ein geniales Buch geschrieben, dessen Kernthese lautet: „Wenn wir alle unsere Fähigkeiten zur Verfügung stellen und mehr Gewicht auf die Gestaltung unserer Beziehungen legen, finden wir uns in einer unübersichtlichen Welt besser zurecht.“[1] Eigenmächtig ergänzen möchte ich: „… und werden füreinander zum Ort, wo du dein Haupt niederlegen kannst.“

Franz von Assisi wird der Ausspruch zugeschrieben: „Wenn es dir guttut, dann komm.“ Die Christus nachfolgen, brauchen weniger einen Ort als eben diese Haltung, die gelebte Gemeinschaft, lebendigen Austausch, ein Einstehen füreinander, gegenseitige Unterstützung und vielleicht auch geteilte Spiritualität beinhaltet. Eben: Nicht wo, sondern bei wem bist du, bin ich beheimatet?

So viel für heute – und für die Woche.

Köln, 20.06.2025
Harald Klein

[1] Knapp, Natalie (2013): Kompass neues Denken. Wie wir uns in einer unübersichtlichen Welt orientieren können, 3. Aufl., Reinbek, 15.