2. Sonntag der Osterzeit – Die präsente Präsenz Jesu

  • Auf Links gedreht - Das Evangelium
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Wort – Wirkung – Wirklichkeit: Achtmal Apostelgeschichte

Kennst du das? Da war mal ein Gedanke, der ist dann einige Monate oder sogar Jahre weg, dann tut es einen Schlag, und er ist wieder da, als sei er nie weggewesen. Gerade jetzt heißt dieser Gedanke „Wort – Wirkung – Wirklichkeit“. Lass mich dir erzählen, was ich meine.

In der Osterzeit, also in den Wochen zwischen Oster- und Pfingstsonntag sind die Ersten Lesungen in der Messfeier nicht aus dem Alten Testament, sondern aus der Apostelgeschichte genommen. Es geht um die Wirkungen, die das Wort von der Auferstehung bei den Jüngern, Jesu Zeugen zu sein „in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Ich möchte die Lesungen aus der Apostelgeschichte an den Sonn- und Feiertagen zwischen Oster- und Pfingstsonntag gerne daraufhin befragen, welche Wirkung das Wort von der Auferstehung hat, um dann zu schauen, ob und wenn ja, welche Wirklichkeit daraus gegründet wird und darin begründet bleibt. Von daher also ab heute jetzt achtmal Apostelgeschichte statt Evangelium „auf links gedreht“.

» Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde. «
Apg 1,8

Vor Pfingsten ist nach Pfingsten

Du musst allerdings in Kauf nehmen, dass die Texte in den Gottesdiensten anachronistisch auf dich zukommen, zeitlich also falsch eingeordnet sind. Erst am Ende wird das Pfingstfest stehen. In den Wochen bis dahin wird aber schon getan, als hätte Pfingsten, das Geschenk des Heiligen Geistes, sich schon ereignet.

Nimm das Pfingstereignis schon mal vorweg: Die Jünger haben sich mit Maria im Obergemach – vielleicht – des Hauses, in dem das Jesu letztes Abendmahl stattfand, aus Furcht vor den Juden versammelt, eingeschlossen und verharren im Gebet. In der Erfahrung des Heiligen Geistes reden sie in einer Weise, dass Juden aus allen Teilen der Welt, die zum Pessach in Jerusalem waren, sie verstehen konnten. Allein schon die Namen der Länder und Gegenden ihrer Herkunft auszusprechen ist eine Herausforderung.[1] Alle, auch die Nichtjuden, konnten verstehen, was die Jünger geistbegabt und geisterfüllt und nach dem Erleben der Auferstehung sagten. – Wie gesagt, das setzen die Lesungstexte, die jetzt auf Pfingsten zugehen, schon voraus. An die Stelle der Furcht vor den Juden ist jetzt die Erfahrung des Staunens, der Bewunderung und der Hochachtung seitens der Juden und der anderen gegenwärtig Anwesenden getreten.

» In den letzten Tagen wird es geschehen,
so spricht Gott:
Ich werde von meinem Geist ausgießen
über alles Fleisch.
Eure Söhne und eure Töchter werden Propheten sein,
eure jungen Männer werden Visionen haben,
und eure Alten werden Träume haben.
Auch über meine Knechte und Mägde
werde ich von meinem Geist ausgießen in jenen Tagen
und sie werden Propheten sein. «
Apg 2,17f

Präsenz zeigen

Das erste, was Petrus an Pfingsten angeht, ist, dass er Präsenz zeigt. Er bringt sich – wenn auch an Jesu statt – zur Geltung, tritt öffentlich auf, tritt in Erscheinung, steht auf inmitten der Menge, ist einfach dabei und ist und bleibt einer von ihnen. Am Ende der Zeit, so habe Gott gesagt, werde er, Gott, seinen Geist über alle Menschen ausgießen. Eure Söhne und Töchter werden prophetisch reden, die Jüngeren unter euch werden Visionen haben und die Älteren prophetische Träume. Und das werde auch den Dienern und Dienerinnen gelten, sagt Petrus (vgl. Apg 2,17f).

Das scheint das die erste Wirkung des Wortes von der Auferstehung zu sein: Der Mut, den Rückzug hinter sich zu lassen und hinauszugehen aus der Komfortzone, aus der eigenen „Bubble“, so einfach reden (und handeln), dass dieses Reden (und Handeln) auch von Menschen von „außerhalb“ (das fülle, wie du magst) verstanden und angenommen wird. Dann das Eintreten für die Größe, die Selbstbestimmung der anderen, die Visionen und prophetische Träume für ihr eigenes Leben und das Leben in Gemeinschaft entwickeln können – und die von Gott kommen. Das Volk schätzte sie hoch, heißt es in der heutigen Lesung. Der Grund mag darin liegen, dass die Wirkung, die Wahrheit des Wortes von der Auferstehung notwendig den Wunsch erweckt zu einem selbstbestimmten Leben hin und zum Mut dahin anstiftet.

» Die Kranken trug man auf die Straßen hinaus
und legte sie auf Betten und Bahren,
damit, wenn Petrus vorüberkam,
wenigstens sein Schatten auf einen von ihnen fiel. «
Apg 5,15

Präsenz, die verwandelt und heilt

Jetzt zum heutigen Abschnitt aus der Apostelgeschichte. Der Evangelist Lukas verwendet ein Summarium, d.h., er bündelt verschiedene Geschehnisse an einen Ort und in eine Zeit hinein. Das erste, verblüffende ist der Ort. Das, was jetzt kommt, spielt zu Beginn in der „Säulenhalle des Salomo“. Das ist so etwas wie ein Vorhof, oder, wenn du in eine Kirche gehst, der Eingang durch den Turm. Du bist da eher am Tempel als im Tempel. Für die Zeit nach der Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen[2] spielt der Tempel keine so große Rolle mehr, obwohl doch alle Jünger noch Juden sind. Das Treffen an einem gemeinsam abgesprochenen und vereinbarten Ort ist – zugegeben: auch aus Angst vor dem orthodoxen Teil der Juden – wichtiger. Man trifft sich zum Gebet, zur Lehre, zum Brechen des Brotes in den Häusern derer, die dem Auferstandenen nachfolgenden. Aus dem „Ort“ wird „Hauskirche“, um die „Kirche“ dabei zu „retten“. „Aus dem Meditieren, Beten und Essen wird aus dem gleichen Grund das „Abendmahl“. Die Straße und der Marktplatz werden zum Ort der Christusbegegnung und der Lehre. Eine Wirkung des Wortes von der Auferstehung ist die Entsakralisierung, die der Wirklichkeit der Welt, des Profanen eine neue Bedeutung gibt.

Es geschieht noch mehr: Die Menschen tragen ihre Kranken auf die Straßen hinaus und legen sie auf Betten und Liegen, damit, wenn Petrus vorüberkam, wenigstens sein Schatten auf einen von ihnen fiel (vgl. Apg 5,15). Hier setzt Lukas noch einmal einen drauf: Nicht der Tempel, sondern erst einmal seine Vorhalle und dann die Straße werden zu dem Ort, der verwandelt und heilt. Und jetzt wiederum eine Wirkung des Wortes von der Auferstehung: Es ist die Wirklichkeit der erlebten, reinen, bloßen Präsenz, die heilt – weder Worte noch Handlungen eines „Gottesmannes“ sind hier geschildert. Ich wünsche dir sehr, dass du diese Erfahrung als Wirklichkeit schon erfahren hast – dass die Präsenz eines vertrauten, geliebten Menschen heilsam, heilend, aufrichtend und mehr als nur wohltuend sein kann, ohne Worte, ohne Handlungen. Sei es die leibhaftige Präsenz, sei es das Wissen um diese Präsenz – entscheidend ist, ohne Worte oder Handlungen. Einfach durch Präsenz.

» Durch die Hände der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder im Volk.
Alle kamen einmütig in der Halle Salomos zusammen.
Von den übrigen wagte niemand,
sich ihnen anzuschließen;
aber das Volk schätzte sie hoch.
Immer mehr wurden im Glauben zum Herrn geführt,
Scharen von Männern und Frauen. «
Apg 5,12-14

Präsente Präsenz

Es ist schon verrückt – ich denke jetzt nur an die Apostelgeschichte: Alle wissen doch, dass da die Apostel durch die Straßen ziehen, und allen voran Petrus. Aus allen Städten rings um Jerusalem strömen die Leute zusammen, bringen Kranke und Geplagte mit. Und alle werden geheilt.

Es gibt einen Gap, eine Lücke im Zusammensein. Lukas erzählt: „Alle kamen in der Halle Salomos zusammen. Von den Übrigen wagte niemand, sich ihnen anzuschließen; aber das Volk schätze sie hoch. Immer mehr wurden im Glauben zum Herrn geführt“ (Apg. 5,13f).

Es gibt die Apostel – und es gibt die Übrigen. Von den Übrigen wagt niemand, sich den hochgeschätzten Aposteln anzuschließen. Und trotzdem wurden immer mehr dieser Übrigen – Achtung! – im Glauben zum Herrn geführt. Erst der Glaube, dann das Führen zum Herrn. Erst das Wort, dann die Wirkung, und dann hoffentlich die Erfahrung und die Erkenntnis der Wirklichkeit. Nur: den Anschluss an die Apostel sucht keiner. Die Apostelgeschichte beschreibt quasi einen frühchristlichen Priestermangel, oder?

Warum auch sollte sie sich damals den Aposteln anschließen, wenn die Menschen erfahren, dass in der Präsenz der Apostel der auferstandene Jesus selbst präsent ist. Und dass dieser auferstandene Jesus auch ihn ihnen präsent sein wird, wenn sie im Glauben zum Herrn Geführte sind. Man muss nicht zum Kreis der Apostel gehöre, um selbst Apostel zu werden – das hat Paulus gezeigt! Auch hier gilt die Veränderung vom Tempel zur Straße und zum Marktplatz, von der Nachfeier des letzten Abendmahles zu einem gemeinsamen Mahl in den Familien und den Kreisen der Gefährten und Gefährtinnen. Und: man muss nicht Mann sein, um sich in der Sendung des Auferstandenen zu wissen, das hat Maria Magdalena am Grab und mit ihrer Botschaft von der Auferstehung bei den Aposteln gezeigt.

M.a.W.: Wenn das Wort von der Auferstehung Wirkung zeigt in einem Menschen, der im Glauben zum Herrn geführt worden ist und immer wieder geführt wird, dann wird die Präsenz Jesu in der Präsenz dieses Menschen Wirklichkeit und für die Menschen drum herum spürbar. Und wenn das auf den Straßen, am Marktplatz und in den Häusern erfahrbar wird, relativieren sich der/die Tempel und die Rituale und Liturgie. Dann hat Spiritualität die Religion und die Frömmigkeit hinter sich gelassen!

Mit „Und alle wurden geheilt“ endet die Lesung – mit dieser Heilung beginnt die die Erfahrung der präsenten Präsenz Jesu in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten – und das ist heute!

Soviel für heute – und für diese Woche.

Köln, 25.04.2025
Harald Klein

[1] Versuche ruhig mal, Apg 2,6-11 laut zu lesen, wie Pfingsten verstanden wird und wem Pfingsten vieles verstehbar macht: „Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.“

[2] In einer Analogie zur Feier des Letzten Abendmahls am Gründonnerstag könnte man auch hier sagen: „… und das ist heute!“