Eine kleine Medaille – und eine große Gemeinschaft
In der vinzentinischen Familie ist heute ein Festtag. Die Schau Mariens durch eine Novizin, Katharina Labourè am 27.11.1830 prägte – im doppelten Sinne des Wortes – ein Zeichen, die kleine Wunderbare Medaille. Wer sie trage, dem seien große Gnaden durch die Gottesmutter verheißen. Und dass die Verbreitung dieser Medaille zum verkündeten Dogma von der unbefleckten Empfängnis Mariens 24 Jahre späte einen wichtigen Beitrag lieferte, ist geschichtlich gesichert.
Vom Umgang mit heiligen Zeichen
Wie kann ich heute für diese Medaille, für das Tragen der Medaille und für den Zusammenhang mit den „verheißenen Gnaden“ werben? Wie müsste ich davon reden, dass es meinen Studierenden verständlich wäre?
Kopfschütteln würde ein kausaler Zusammenhang hervorrufen – Du musst die Medaille nur im Geldbeutel oder in der Hosentasche haben oder um den Hals tragen, alles andere wird Dir dann geschenkt. Wenn Medaille, dann verheißene Gnaden.
Aber auf die Macht des Erinnerns kann ich setzen. Ich habe beinahe immer einen Rosenkranz in der Manteltasche. Nicht, dass ich ihn ständig betete, aber ein Griff in die Tasche sagt mir „Gott ist da!“, oder „Du bist mit Christus verbunden.“ Und aus dieser Erinnerung an Gottes oder an Christi Gegenwart kann ich aufatmen und weitermachen. Die Erinnerung verwandelt meinen Alltag, weil der, an den ich mich erinnere, einfach dabei ist.
Die Hochzeit von Kana
Wie schön, dass dieses Fest die Hochzeit von Kana als Evangelium hat. Dieses Evangelium erläutert meinen Gedanken mit wunderschönen Bildern.
Da ist das Bild vom Wein, der ausgeht. Das Fest, auch das Fest des Lebens, wird auf einmal spröde, schwer. Ich habe nichts zu feiern, und die, die mit mir zusammen sind, sind nur noch enttäuscht. Ich bin kein Gastgeber für die, die das Leben suchen.
Und dann Maria. Sie macht auf diese Not aufmerksam: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Für die betenden Menschen mag das die Stimmen Mariens in ihnen sein, die das ausdrückt: „Dir ist der Wein des Lebens, der Wein zum Leben ausgegangen.“ Ich kenne diese Situation nur zu gut, Sie sicher auch. Und ich weiß, wie ich mich dann fühle, wie ich dem Leben, den anderen und mir selbst gegenüberstehe. Leben wird spröde, wird schwer.
Dann: sechs steinerne Wasserkrüge! Kein Wein, nur Wasser, und das voll bis zum Rand der Krüge. Kein Fest, nur Alltag, und der voll bis obenhin. Man könnte immer noch weglaufen, oder?
Jetzt das Wort Jesu: „Schöpft jetzt!“ Und auf das Wort Jesu hin wird das Wasser zum Wein, wird das Alltägliche zum Fest.
Das Wissen der Dienenden
Für mich ist ein kleiner Hinweis im Evangelium spannend: Der, der für das Festmahl verantwortlich ist, wusste nicht, woher der Wein kam, die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es.
Hier kommt die Medaille ins Spiel, und die Macht und Kraft der Erinnerung. Es geht um die Menschen, die dem Leben und die damit dem Herrn dienen. Es geht um die, die Erinnerungszeichen an diesen schönen Auftrag im Geldbeutel, in der Hosentasche haben oder sie um den Hals tragen. Zu diesen Zeichen greifen heißt, Jesus zu bitten und ihm erlauben, seine Hände über das Alltägliche zu halten, es zu verwandeln, damit der Alltag zum Fest werden kann.
Ich glaube, darin möchte ich die großen Gnaden sehen, die mit der Medaille verbunden sind. In der Bitte an Jesus, an der Erlaubnis, dass ER für Begegnung, für Kraft zum Tragen und zum Gestalten, manchmal auch zum Aushalten meines Alltags sorge.
Da erfüllen sich zwei Worte. Das eine aus dem Evangelium: „Was er Euch sagt, das tut!“ Und das zweite aus dem Schlussgebet der Liturgie: In dieser Verwandlung des Alltags in ein Fest werden wir „auf dem Weg des Glaubens eifrig voranschreiten, damit wir einst Anteil erhalten am himmlischen Gastmahl und Dich mit Maria in Ewigkeit preisen.“
Die vinzentinische Familie hat das verstanden und angenommen. Ich glaube, das würden aber auch meine Studierenden verstehen – hoffentlich neugierig, und ohne den Kopf schütteln zu müssen.
Amen.
Köln, 27.11.2018
Harald Klein