21. Sonntag im Jahreskreis: Gesättigt vom Geist

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Wenn es in Dir kocht…

Kennst Du das Gefühl, dass Dir irgendeine Laus über die Leber gelaufen ist oder Du mit dem falschen Fuß aufgestanden bist? Es können die ganz kleinen Dinge sein, die – vielleicht noch vor dem Frühstück – die Stimmung eines ganzen Tages bestimmen. Das kaum Nachvollziehbare ist, dass an solchen Tagen eines zum anderen kommt, und dass Dein Stimmungsthermometer ins Unermessliche steigt bzw. fällt, bis Du irgendwann so sehr unter Druck stehst, dass Du explodierst.

Vor vier Sonntagen habe ich geschrieben, dass jetzt mit der Brotrede Jesu als „Pausenfüller“ aus dem Johannesevangelium ein starker Tobak auf uns zukommt. Damit meinte ich nicht nur den Inhalt der Rede, sondern auch das, was während der Rede um Jesus herum passiert. Denn da ist es auch zum Kochen gekommen!

Da war am 17. Sonntag im Jahreskreis die Brotvermehrung am See von Tiberias in Joh 6,1-15, und da war der kleine Junge mit den fünf Gerstenbroten und den zwei Fischen. Wunderbar, wie und dass die Menge satt wird. Sie sind zufrieden! Und satt! Ein guter Start für das Zusammensein mit Jesus, könnte man meinen, und ab jetzt lässt die Menge nicht mehr los von ihm. Sie sind (Achtung: doppeldeutig!) hinter ihm her und laufen ihm voraus ins Uferdorf Kafarnaum.

Einen Sonntag später, am 18. Sonntag im Jahreskreis – Jesus ist mit seinen Jüngern im Boot nach Kafarnaum gefahren – holen ihn die Juden ein. In Joh 6,24-35 sind sie neugierig, gespannt. Dieses Gefühl der Zufriedenheit und des Sattseins wollen sie haben, sie wollen es besitzen und bewahren, da wollen sie mit Jesus hin. Dass soll er liefern. Und von daher die Frage an Jesus: „Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen?“ Wohlgemerkt: Die „Werke Gottes“ sind nicht Ziel, sie sind Mittel – es geht um die Zufriedenheit und um das Sattsein! Jesu Antwort ist einfach: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“

Wiederum einen Sonntag später, am 19. Sonntag im Jahreskreis bzw. in Joh 6,41-51, murren die Juden gegen Jesus, weil er gesagt hatte: „Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.“ Sie kennen ihn doch, ist er nicht der Sohn Josefs? Jesu Wort „Ich bin“ macht sie kirre. Das ist der Moment, wo das „innerliche Kochen“ anfängt! Das, was Jesus sagt, läuft ihnen als Laus über die Leber oder steht für den falschen Fuß, mit sie aufgestanden sind, um das Leben, die Zufriedenheit, das Sattsein zu suchen. Sie hätten die Chance, Neues zu lernen, sich anstecken zu lassen von Jesus – aber sie murren. Das alles passt nicht ins Bild, aus und in dem sie leben, es stört ihre „Komfortzone“ und liegt außerhalb ihrer „Blase“, ihrer „Bubble“. Es, nein er fordert sie (Achtung: wieder doppeldeutig!) heraus

Kein Wunder, dass es sich dann am 20. Sonntag im Jahreskreis in Joh 6,51-58 zuspitzt, denn jetzt streiten sich die Juden aufgrund der Frage: „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ Jesus antwortet mit „Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Es ist nicht wie das Brot , dass die Väter gegessen haben, sie sind gestorben. Wer aber dieses Brot ist, wird leben in Ewigkeit.“ Was für ein Wort!

Und mit dem heutigen 21. Sonntag im Jahreskreis, mit Joh 6,60-69 kommt diese Zufriedenheit und das Sattsein, das Murren und dann das Streiten der Juden zu seinem Höhepunkt, es springt jetzt auf die Jünger Jesu über: „In jener Zeit sagten viele der Jünger Jesu: Diese Rede ist hart, wer kann sie hören? […] Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher.“ Jetzt geht es auf einmal um die, die zu ihm gehören, die mit ihm „umhergehen“. Sie sind vom Murren und Streiten angesteckt, sind „Wutbürger“ geworden, weil es nicht so geht, wie sie es erwartet haben.

Ehrlich gesagt: Diese Steigerung von der Zufriedenheit und dem Gefühl des Sattseins über das Murren und Streiten bis hin zum Anstecken anderer ist mir in diesem Jahr zum ersten Mal aufgefallen, obwohl es schon immer dastand. Vielleicht ist es ja auch ein Impuls, ein Anstoß, mich selbst oder Dich selbst mal zu fragen, ob und wo ich bzw. Du diese Mechanismen kennst.

» Im Feuer steckt ein großes Geheimnis. Wie jede Kraft kann es gefährlich oder hilfreich oder etwas Göttliches sein. Es kommt nur darauf an, wie man es benutzt. «
Zimmer Bradley, Marion (1997): Die Herrin von Avalon, Frankfurt/Main, 54.

Damit nichts anbrennt…!

Es ist wieder Jesus in der Brotrede selbst, der ungefragt eine Antwort auf die Frage gibt, was zu tun sei, damit in solchen Fragen des Entscheidens, der Zu- oder der Absage zu etwas oder jemandem nichts anbrennt. Er macht dies mittels einer Behauptung und mittels einer Frage.

Jesu Behauptung allen Anwesenden gegenüber: „Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt nichts.“ In meinen Worten: Ich möchte mich entzünden lassen, für etwas brennen, leuchten und jemanden oder etwas erwärmen. Das kann täglich anders geschehen, das kann ebenso über Zeiten andauern. Das Bestehende steht nicht für die Ewigkeit – so würde ich das „Fleisch“ übersetzen. Aus Streichholz-Momenten können Kerzenbeziehungen entstehen, wenn beide es wollen, oder wenn es der Sache dient. Es ist nicht das Festhalten an Inhalten, Strukturen, Riten oder Gesetzen, es ist der Moment der Begegnung auf dem Boden all dessen, und das Abwägen, wohin es wie gemeinsam gehen soll. Das weckt Zufriedenheit und Sattsein in mir selbst, und es bringt niemand anderen außer mich selbst in die Verantwortung, nicht ins Kochen zu kommen und nichts anbrennen zu lassen (wohlgemerkt in einem positiven Sinne!)

Jesu Frage an die Zwölf: „Wollt auch ihr weggehen?“ Es gibt bei mir wie sicher auch bei Dir Momente und Zeiten, die sind vom Davonlaufen. Entscheidend ist dann, dass ich bei mir bleibe, dass ich, entzündet vom Geist, das rechte Gespür habe, wo und bei wem oder was es zu bleiben lohnt oder umgekehrt, wo und von wem oder von was ich mich zu verabschieden habe, damit eben nichts anbrennt und damit ich mich neu entzünden lassen kann.

» Von daher gingen viele von seinen Jüngern weg, zurück,
und nicht mehr mit ihm blieben sie auf dem Weg.
Gesprochen hat da Jesus zu den Zwölfen:
Nicht auch ihr? Wollt ihr gehen?
Geantwortet hat ihm Simon Petrus:
Herr, zu wem sollten wir gehen?
Worte unendlichen Lebens hast du. «
Joh 6, 66-68, übersetzt von Eugen Drewermann, in: ders. (2003): Das Johannes-Evangelium. Bilder einer neuen Welt. Teil 1, Düsseldorf, 292.

„Zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens“

Wenn es an diesem Sonntag im Evangelium ein Trostwort gibt, eine Schaltstelle, die das Anbrennen und Überkochenverhindert, dass ist es des Petrus Antwort auf die Frage Jesu an die Zwölf, ob auch sie gehen wollen. Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.“

Mein Wunsch: An diesem Sonntag mag es für Dich Gelegenheiten geben zu erahnen, bei wem, bei was, an welchem Ort Du entbrennst, Du zum Leuchten kommst, Du aus einer Kälte herausgezogen wirst und im besten Sinne des Wortes aufs Leben hin ansteckend wirkst. Wohin solltest Du sonst gehen, wenn nicht zu denen, zu dem, wenn nicht dorthin, wo das geschieht? Da findest Du Jesus, da wirkt der Geist, der lebendig macht.

Und je mehr Du alles andere, alle anderen Menschen und alle anderen Orte meidest, um so lebendiger, um so mehr am Leben dran wirst Du sein.

Amen.

Köln, 22.08.2024
Harald Klein