29. Sonntag im Jahreskreis – Der Enkeltrick der Pharisäer und der Enkeltrick Jesu

  • Predigten
  • –   
  • –   

Die Suche nach einem roten Faden

Vieles kommt heute in den Schrifttexten zusammen, was einer Predigt würdig wäre. In der ersten Lesung aus Jesaja das Wort Jahwes an den persischen König Kyrus, der diesen Gott gar nicht kennt: „Könige entwaffnete ich, um ihm Türen zu öffnen und kein Tor verschlossen zu halten.“ Und so führt der Perserkönig Kyrus das verschleppte Volk Israel aus der babylonischen Gefangenschaft und der Macht des besiegten Königs Nebukadnezar zurück nach Jerusalem.

Der 18.Oktober ist der Gedenktag es Evangelisten und Arztes Lukas – und das wäre doch ein Lukaswort, ein Wort eines Heilers im umfassenden Sinne: „Dunkles, Schweres entwaffnete ich, um Dir Türen zu öffnen und kein Tor verschlossen zu halten.“

In der zweiten Lesung spricht Paulus die Gemeinde in Thessalonich an und sagt ihnen zu: „Wir wissen, von Gott geliebte Brüder und Schwestern, dass ihr erwählt seid.“ Wie klingt das, wenn ein Bischof oder ein Priester vom Altar her so einen Satz zu Ihnen sagt? Wenn eine Schwester der anderes sagt oder zu verstehen gibt: „Ich weiß, dass Du erwählt bist.“ Wenn das in Vater seinen Kindern, eine Ehefrau ihrem Mann, wenn sich das zwei Gefährten einander zusagen?

Der 18.Oktober ist der Gedenktag es Evangelisten und Arztes Lukas – diese Zeichen des Erwähltseins, die er von Paulus kennen könnte, bringt er zum Ausdruck in seinem Evangelium, vielleicht am schönsten im hoffenden Warten des barmherzigen Vaters und im anschließenden Fest, ganz sicher aber in den aufgehenden Augen und dem brennenden Herz in der Brust der beiden Emmausjünger. Nicht nur Türen öffnen, sondern Situationen schaffen, in denen nach einem Warten das Fest steht, in denen die Augen aufgehen und das Herz brennt – das wären Handlungen, die der „Lukas in uns“ in seinem Geist anstoßen kann.

Aber um all das soll es nicht weiter gehen, mir ist das Evangelium näher, und ich möchte gerne über den Enkeltrick predigen, den scheinbar schon, wenn auch leicht abgeändert, die Pharisäer kannten.

Der Enkeltrick …

„In jener Zeit kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen.“ – Beim Enkeltrick sieht die Falle so aus, dass sich Trickbetrüger im Telefonbuch Namen aussuchen, die eher alt klingen oder eher ältere und /oder hilflose Personen ausspähen, um sich dann ihnen gegenüber als nahe Verwandte auszugeben, um an Geld oder Wertsachen zu gelangen – unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen. „Rate mal, wer hier spricht!“, könnte das Telefonat beginnen – und der unbedarfte Mensch gibt dann einen Namen preis – „Etwa die Sabrina?“ – und schon ist es geschehen. Um es fertig zu erzählen: Die angebliche Sabrina schildert ihre Notlage und schickt einen Freund vorbei, um sagen wir mal 500,00 € abholen zu lassen. Mal nebenbei: In Österreich haben die Enkeltricktäter zwischen 2013 und 2015 jährlich 1,3-1,5 Mio € erbeutet.

Der Enkeltrick der Pharisäer

Die Falle der Pharisäer: Sie rufen Jesus an – so ganz ohne Telefon, das gibt es auch! – und verweisen auf den Kaiser. Die Notlage: Sie geben sich als Menschen im besetzten Land aus. Die Falle: Erlaubst Du es, dem Kaiser Geld, dem Kaiser Steuern zu geben? Das sieht ihnen ähnlich, den Pharisäern. Erlaubt Jesus es, steht er auf der Seite der Besatzer. Erlaubt er es nicht, steht er auf der Seite der Widerständler. Was er macht, ist falsch! Kluge Köpfe, die Pharisäer, die aber in ihrer Klugheit nicht mit der größeren Weisheit Jesu gerechnet haben.

„Wessen Bild und Aufschrift ist das?“

Sie kennen die Antwort Jesu, der auf den Quasi-Enkeltrick der Pharisäer nicht hereinfällt. Er bietet ihnen das an, was man in der Kommunikationswissenschaft „Lösung zweiter Ordnung“ nennt. Neben dem „Ja“ und dem „Nein“ gibt es auf anderer Ebene eine dritte Antwortmöglichkeit. Jesus lässt sich einen Denar zeigen und fragt: „Wessen Bild und Aufschrift ist das?“ Die Antwort ist klar: „Des Kaisers.“ Darauf antworte Jesus: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört.“

Der Enkeltrick Jesu

Die Antwort hat es in sich und lässt vieles offen. Gebet dem Kaiser, was dem Kaiser gehört – hier geht es um den Denar, um die Steuer. Aber „Gebt Gott, was Gott gehört.“ – um wen, um was geht es da? Was zeigt man vor wie einen Denar? Wessen Bild und Aufschrift steht wo drauf, dass ich erkenne: „Das ist Gottes!“

Ich möchte hier vom Enkeltrick Jesu sprechen, man könnte auch Brudertrick sagen, und ich hole dazu wieder den Evangelisten Lukas ins Boot. Es ist nicht der Denar oder ein Heiligenbildchen, das man sich vorhalten kann, und dann weiß ich: der da, die da, die gehören Gott – oder andere wissen von mir: der da, der gehört Gott. Ich komme nochmal zur zweiten Lesung: „Wir wissen, von Gott geliebte Brüder und Schwestern, dass ihr erwählt seid“, schreibt Paulus, und er setzt fort: „Denn unser Evangelium kam zu euch, nicht im Wort allein, sondern auch mit Kraft und mit dem Heiligen Geist und mit voller Gewissheit.“ – Sehe ich an Dir, spürst Du an mir Kraft, Heiligen Geist, Gewissheit – oder hörst du nur Worte? Oder die erste Lesung, als nur ein Beispiel von vielen, das zeigt: Der gehört zu Gott. Öffnest Du mir Türen, durch die ich zum Leben gehen kann? Tue ich das für Dich?

Und dann Lukas und sein Evangelium: 548 von 1149 Versen sind „Sondergut“, also Darstellungen und Erzählungen, die bei keinem anderen Evangelisten vorkommen. Lukas ist der Evangelist, der am stärksten ermutigt, mitten im Alltag – denken Sie an die Gleichnisse vom Reich Gottes – aber auch in außergewöhnlichen Beziehungen, Freundschaften und Erlebnissen zu zeigen: Du musst nicht pharisäerhaft danach fragen, was erlaubt oder verboten ist, sondern Du darfst das leben und dem Gestalt und Raum geben, was Deine Ähnlichkeit zu Christus widerspiegelt. Für Lukas als Sohn, Enkel, Bruder Jesu heißt das, wenn er gefragt wird, wessen Bild und Aufschrift er trage: „Das Bild und die Aufschrift Jesu Christi.“

Ich glaube, das Lukas sich dieser Freiheit bei der Abfassung seines Evangeliums bedient hat, nicht, weil er ein besonderes, ein sehr eigenes Evangelium schreiben wollte, sondern weil er gerade so der Ähnlichkeit und der „Aufschrift“ Jesu in seinem Leben und Erleben am meisten Ausdruck geben konnte.

Das wäre der rote Faden, den ich zu Beginn der Predigt gesucht habe: Das Bild von den geöffneten Türen, selbst für die, die Gott nicht kennen – die Ahnung und der Zuspruch vom Erwähltsein – die Frage, wessen Ähnlichkeit ich trage, welche Aufschrift, welches Motto mein Leben prägt. Und die Antwort lautet „Lasst uns Christus ähnlich werden“ – nicht dem Kaiser, nicht den Pharisäern, nicht den Enkeltrickdieben, nur Christus.

Amen.

 

Köln, 17.20.2020
Harald Klein