3. Sonntag im Jahreskreis – Höre auf, es zu versuchen

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„Von da an begann Jesus…“

Es gibt in den Evangelien – wie sicher auch in jeder guten Prosa oder Lyrik – Sätze, über die haben Sie schon einige Male drüber weg gelesen, aber gerade heute, gerade jetzt, bleiben Sie an ihnen hängen, beinahe so, als hätten sich diese Worte heimlich nachts in den Text geschlichen. Mir geht es so mit den drei kleinen Wörtern „von da an“, die den Zeitpunkt markieren, an dem Jesus mit der Verkündigung des Reiches Gottes begann: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ (Mt 4,16)

Diesem Zeitpunkt geht im vierten Kapitel des Matthäus-Evangeliums voraus, dass Jesus hörte, der Täufer Johannes sei ausgeliefert worden, dass er zurückkehrte (von wo, das kommt gleich) nach Kafarnaum, um dort zu wohnen, damit sich dort erfülle, was Johannes der Täufer in den Worten Jesajas prophezeit hat und das Sie aus den Weihnachtsgottesdiensten kennen; noch einmal bläut Matthäus den Hörenden und Lesenden, dass dem Volk, das im Dunkelt wandelt, ein Licht erschienen sei usw. Wenn Sie mögen, lesen Sie es im Evangelium des Tages noch einmal nach.

» Glauben - das heißt [...] soviel wie, dass ein jeder für sich im Umgang mit der Person Jesu zu einer eigenen Vision, zu einer eigenen Intuition, zu einer eigenen inneren Erfahrung gelangt. «
Drewermann, Eugen (1995): Das Matthäus-Evangelium, Bd. 3: Bilder der Erfüllung, Solothurn/Düsseldorf, 282.

Das Beginnen vorbereiten

Man könnte meinen, das „von da an“ bezöge sich auf die Nachricht von der Festnahme des Johannes. Dem ist nicht so! Zwischen der Taufe Jesu und seiner Rückkehr nach Galiläa liegt in Mt 4,1-12 die Erzählung von der VersuchungJesu, und von hier, aus der Wüste, aus einer Zeit der Selbstreflexion, des Fragens nach dem eigenen Weg, der Beziehung zu sich selbst, zu den Menschen um ihn herum und vor allem zu Gott kehrt Jesus zurück nach Kafarnaum.

Es liegt in der Zusammenstellung des Matthäus-Evangeliums auf der Hand, dass der Entschluss, dass er „von da an“ das Kommen des Reiches Gottes verkündet, zum einen seine Wurzeln im Erleben und Durchleben der vierzig Tage in der Wüste hat und zum anderen durch sein Eingebundensein in das Schicksal des Johannes angestoßen, man könnte fast sagen getriggert wurde. Der Beginn hat eine innerliche und eine äußerliche Komponente, und vielleicht gilt die These, dass die innerliche Komponente eher auf Sie zukommt, während die äußerliche Komponente von Ihnen angegangen wird. Da möchte ich nicht drüber urteilen.

» Tu es oder tu es nicht. Aber höre auf, es zu versuchen. «
aus dem Zen-Buddihismus, Quelle:https://www.aphorismen.de/suche?f_autor=334_Aus+dem+Zen-Buddhismus

Die Rolle der Auslöser …

Ein Beginnen vorbereiten – das möchte ich Ihnen als Betrachtung ans Herz legen. Ein Beginnen vorbereiten – das kann die Patientenverfügung, die Vorsorgevollmacht und die Betreuungsverfügung sein, die schon seit Monaten geschrieben sein will; das kann die Auseinandersetzung mit dem anstehenden Umzug und einer neuen Wohnung sein; das Bleiben bei der Partnerin oder dem Partner, das Aufgeben einer abgeschliffenen Freundschaft u.v.m.

Beginnen, das gibt das Evangelium heute mit, will vorbereitet sein. Für Jesus war das die Zeit der vierzig Tage in der Wüste; für ignatianisch geprägte Menschen könnten das die jährlichen Exerzitien sein, für wieder andere Auszeiten in Kontemplations- oder Zen-Häusern, manche lassen auf das Pilgern und Wandern nichts kommen. Hehre Gedanken, gute Vorsätze, eine Menge neuer und verlockender ToDo‘s bringt man mit, trägt sie voll Freude im Herzen, und scheitert dann doch an der Umsetzung. Den Auslösern fehlt es an Nachhaltigkeit, oder den Heimkehrenden fehlt es an Mut, an Zeit, an Vertrauen. Eine Zen-Weisheit sagt: „Tu es oder tu es nicht, aber höre auf, es zu versuchen.“[1]

Ich möchte den Punkt erkennen und verstehen, der Jesus in seiner Versuchungsgeschichte hat erkennen lassen, dass die Reich-Gottes-Verkündigung „seins“ ist, seine Aufgabe, seine Berufung, sein ihn erfüllendes Tun vor Gott und den Menschen, mit Gott und den Menschen. Und ich erkenne und verstehe, dass die Nachricht von der Gefangennahme des Johannes durch Herodes für ihn der Tropfen war, der das Fass hat überlaufen lassen: „Von da an begann Jesus zu verkünden…“

» Als Gefährte/Gefährtin zu leben bedeutet, geistig und geistlich auf dem Weg zu bleiben und von daher immer wieder aus Sicherheiten und Geborgenheit aufzubrechen. Die Gefährtenschaft ist die am wenigsten gesicherte Lebensform. Sie kennt weder eine exklusive (Partnerschaft) noch eine inklusive Bindung (Gemeinschaft), sondern versteht sich als partizipativ, als Wegbegleitung anderer durch Menschen, als selbst-ständige bzw. allein-stehende Form christlicher Existenz.«
Gmainer-Pranzl, Franz (2011): Alleine leben – andere begleiten, in: ders. (Hrsg.): Alleine leben – mit anderen sein. Ein christlicher Lebensentwurf, Würzburg, 78.

… und die Rolle der Entscheider

Der Punkt, an dem Jesus Neues beginnt, der Beginn seiner Verkündigung, liegt genau auf dem Rand seiner Realität, am Rand des Radius seines Wachstumspotentials.[2] Den Schritt darüber hinauswagen heißt, ins Ungewisse aufbrechen – das erklärt auch, warum Jesus sich noch i gleichen Kapitel bei Matthäus seine ersten Jünger sucht: Das Ungewisse trägt sich besser auf mehreren Schultern. Und das erklärt die mangelnde Umsetzung des Erkannten in den vielen Formen der „Rüstzeiten“, die oben beschrieben sind.

Was muss geschehen, damit Sie beginnen, damit Sie Neues, damit Sie das Ihrige anfangen? Die Rolle der Entscheider in Ihnen hat wieder eine innerliche und eine äußerliche Komponente. Die äußerliche Komponente ist die, die Jesus wählt: Sie dürfen sich fragen, wer jetzt mit Ihnen geht, wen Sie um Begleitung bitten, um Feedback und Unterstützung, und Sie können herausfinden, wer mit Ihnen auf diesem Weg schon unterwegs ist. Die Evangelien und vor allem die Apostelgeschichte ist voll von solchen Erzählungen. Die innerliche Komponente hat viel mit Lernen über sich selbst zu tun. Es gilt ja, platt gesagt, den Heiligen Geist von Ihrem eigenen Vogel zu unterscheiden. Sie haben den Radius Ihres Wachstumspotentials erweitert. Halten Sie sich wach und im Bewusstsein, was das bei Ihnen auslöst und was das für Sie und für andere mit sich bringt. Die beiden wichtigen Worte, die jetzt eine Rolle spielen, sind Wachstum und Fruchtbarkeit. Wenn Sie das in positiver Weise erleben, kann nicht falsch sein, was Sie begonnen haben.

» Um sich nicht in der eigenen Perspektive zu verfangen und in alten Denkmustern zu verharren, ist es äußerst hilfreich, das eigene Verhalten regelmäßig aus der Vogelperspektive zu betrachten. Wer langfristig glücklich sein möchte, muss sich kontinuierlich verändern. Unsere Emotionen agieren oftmals wie Zwangsjacken, die jegliche Veränderung bekämpfen. Sie lenken uns in eine bestimmte Richtung, ohne dass wir uns darüber bewusst sind. Bewusste Selbstreflexion kann hier der Startpunkt der Veränderung sein. Sie erlaubt dir, die Fähigkeit zu entwickeln, dich nicht mit deinen Gefühlen zu identifizieren. «
Spenst, Dominik (2022): Das 6-Minuten Tagebuch. Ein Buch, das dein Leben verändert, 5. Aufl., Hamburg, 49.

Den Beginn spielerisch ernst nehmen

Da kommt heute noch einmal viel Rückerinnerung an die Weihnachtszeit auf. Ich denke an Gott, der Verstecken spielt – vgl. das Dreikönigsfest -, an die These, dass der lebendige Mensch der spielende Mensch ist – vgl. Taufe des Herrn -, das manches und manche/mancher auf Sie zukommen wird in diesem Jahr – vgl. den vergangenen Sonntag.

Um aus dem – manche sagen gerne „Rumgeeiere“ – herauszukommen, braucht es einen klaren Ausgangs- oder Startpunkt: „Von da an…“. Das, was dann oder ab da geschehen soll, soll klug vorbereitet sein, Sie können sich innerlich und äußerlich dafür rüsten.[3] Nehmen Sie Ihre Entscheidung und das, was dahin geführt hat, ernst.

Und nehmen Sie es spielerisch. „Von da an begann Jesus, das Reich Gottes zu verkünden.“ Bei einem späteren „von da an“ begann der den Dialog mit den anderen Religionen und den Religionsführern; wieder später, in einem neuen „von da an“ erzählte er Gleichnisse, heilte die Kranken, erweckte er Tote – oder weinte über seine Stadt und über die Trauer seiner Freundinnen.

„Von da an“ meint für Jesus den heutigen Tag, aber auch morgen, übermorgen oder in zwei Monaten darf und wird es ein „von da an“ geben. Das Entscheidende habe ich aus der Zen-Weisheit: „Tu es oder tu es nicht, aber höre auf, es zu versuchen.“[4]

Amen.

Köln 21.01.2023
Harald Klein

[1] Vgl. [online] https://www.aphorismen.de/suche?f_autor=334_Aus+dem+Zen-Buddhismus [21.01.2023]

[2] Die Begrifflichkeiten stammen aus Spenst, Dominik (2020): Das 6-Minuten-Tagebuch, Hamburg, 71.

[3] Aus eigener Erfahrung kann ich die Arbeit mit dem o.a. „6-Min Tagebuch“ von Dominik Spenst nennen. Selbstreflexion und gleichzeitig der Blick nach außen sind hier in spielerischer Weise angefragt, werden unterstützt und zielgerichtet ausgewertet!

[4] Vgl. [online] https://www.aphorismen.de/suche?f_autor=334_Aus+dem+Zen-Buddhismus [21.01.2023]