33. Sonntag im Jahreskreis – Apokalypse Now!

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Apokalypse Now?

Nein, gemeint ist nicht Francis Ford Coppolas Film über den Vietnamkrieg, der 1979 über die Leinwand lief und in Cannes mit der Goldenen Palme, in Hollywood mit zwei Oscars, daneben mit drei Golden Globe Awards ausgezeichnet und daneben noch andere Nominierungen aufweisen kann.

Gemeint sind die Texte des Judentums und des frühen Christentums, die „das Ende“ offenbaren. „Apokalypse wird mit Offenbarung übersetzt. Apokalypsen leben von bedrohlichen Bildern, von Drangsal, von einer verfinsterten Sonne, vom Mond, der nicht mehr scheint, von Sternen, die vom Himmel fallen und von den Kräften des Himmels, die erschüttert werden (vgl. Mk 13,24f).

Anfangs waren es nicht wenige Gruppen und Forscher, die in einer Art „Naherwartung“ das Ende der Zeit, das Ende der Welt erwarteten. Ganze Splittergruppen und Sekten fingen an, aus Beobachtungen von Natur und Gesellschaft das Ende der Welt zu berechnen, vorauszusagen und zu datieren.

Heute sind es nicht wenige, die in einer Art Weltsicht und Weltdeutung die Zeichen zu erkennen glauben, dass es zu einem Weltuntergang komme. Klimakrise und Möglichkeit der Übertötung der Welt durch Bomben und Krieg spielen da sicher mit hinein – und es gibt keinen Grund, darüber müde zu lächeln.

Die Frage stellt sich zurecht: Steuern wir auf die „Apokalypse – Now“ zu? Wie geht man um mit der Frage nach dem Ende der Welt.

» Es konnte passieren, was immer es sei – es galt als das Schicksal der ganzen Welt zu glauben, was Jesus immer wieder den Jüngern seiner Zeit begreiflich zu machen versucht hatte: dass der Tod nur das Tor ist, das zur Herrlichkeit Gottes führt. «
Drewermann, Eugen (2. Aufl., 1989): Das Markusevangelium, Bd 2: Bilder von Erlösung, Olten, 340.

Die eigene Apokalypse erleiden

Am Ende des Kirchenjahres, vor der Hoffnung des Advents, sieht die Liturgie die apokalyptischen Texte des AT und des NT als Lesungen und Evangelien vor. Sie läuten das Ende der Welt und das Ende allen Lebens ein.

Der Spätherbst, die dunkle Zeit, bietet mir, bietet Ihnen dasselbe an. Es ist eine gute Zeit, nachzuspüren, wo, wann, wie sich meine Sonne(n) verfinstert haben, wo und warum mir in der Nacht kein Mond mehr scheint, wo durch mich meine Sterne vom Himmel gefallen sind. Das sind die Bildworte, die im Evangelium vorgeschlagen werden für diese Apokalypse.

Es gibt so etwas wie meine eigene Apokalypse, eine Zeit, die eher Untergang als Aufbruch, eher Tod als Leben impliziert. Da mag es manchen Streit, manchen Krieg in mir oder durch mich geben oder gegeben haben. Ich ahne, dass Streit und Krieg verloren ist, aber anstatt diese Apokalypse zuzulassen, das Ende (im Bild: den Tod) zu akzeptieren, lehne ich mich noch einmal so richtig gegen das Leben auf. Das ist meine „Apokalypse Now“. Der teuflische Zug darin: Anstatt auf eine „Naherwartung“ eines Aufbruchs in eine andere Richtung zu hoffen, glaube ich blind an den „Endsieg“ des weiter so – und wir wissen, wohin das führt: eben eher zum Untergang als zum Aufbruch, eher zum Tod als zum Leben.

» Die frühen Christen griffen diese Verheißungen als gültige Wahrheit auf. Gott hatte für sie in der Gestalt Jesu den Gläubigen bereits deutlich gezeigt, zu welch einer Güte und Menschlichkeit wir alle berufen sein könnten; aber es waren eben nur wenige, eine verschwindende Gruppe, die den Mut gehabt hatte, diese Chancen der Erneuerung wirklich zu nutzen; alle anderen würden offenbar wirklich erst in und nach der Katastrophe merken, wovon und woraufhin sie wirklich lebten. «
Drewermann, Eugen (2. Aufl., 1989): Das Markusevangelium, Bd 2: Bilder von Erlösung, Olten, 344.

In der Apokalypse lernen

Die Zeit der Apokalypse offenbart eben, was eher in den Untergang und in den Tod als in den Aufbruch und in das Leben führt. Aber in dieser Offenbarung liegt die große Chance der apokalyptischen Texte. Es geht nicht darum, das Datum des Endes der Welt zu berechnen, sondern mein Start-Datum für das Ende dessen festzusetzen, was dem Leben nicht dienlich ist. Es geht darum, sich zu wappnen für den Aufbruch ins neue Leben. Es geht um das Loslassen lebensfeindlicher Haltungen, um ein neues Bewerten der Welt, wie sie ist – nicht wie ich sie gerne hätte oder wie sie einmal war. Und um ein neues Bewerten meiner selbst in dieser Welt.

Der Weg in der Apokalypse ist ein Weg der kleinen Schritte, vielleicht auch des Trial-and-Error, der Versuche und der Irrtümer, aber der Aufbruch ist nötig, weil ein Stehenbleiben und Anhaften am „Alten“ mehr Untergang und Tod zur Folge hätten.

» Die ‚Nähe‘ des Reiches Gottes entscheidet sich im Leben jedes einzelnen daran, wie dicht, wie erlebnisstark, wie ‚gegenwärtig‘ Gott in seinem Leben ist; die ‚Nähe‘ des kommenden Endes der ‚Welt‘ hängt für jeden einzelnen davon ab, wie geistig ‚präsent‘ ihm die Tatsache ist, dass die bestehende Ordnung, auf welche die Logik der menschlichen Geschichte sich stützt, in Wahr-heit längst eingestürzt ist. «
Drewermann, Eugen (2. Aufl., 1989): Das Markusevangelium, Bd 2: Bilder von Erlösung, Olten, 348.

Politisch und religiös: Es geht um das „Reich Gottes“

Das, was „apokalyptisch“ für den Einzelnen gilt, gilt für Familien, Teams und Gruppen, gilt für Parteien, für Regierungen und für einen Blick auf die Welt. Es geht um das, was wir Christen „Reich Gottes“ nennen. Der Blick auf die Welt, wie sie ist – nicht wie ich sie gerne hätte oder wie sie einmal war – ist der Anfang. Die Hoffnungsbilder für diese Welt sind der zweite Schritt. Und dazwischen stehen Einzelne, Familien, Teams und Gruppen, Parteien und Regierungen.

Es geht immer um die Bereitschaft, das Apokalyptische anzuerkennen, das, was Leben bedroht und zerstört, um aus der Kraft dieser Apokalypse die Möglichkeit des Aufbruchs und des Lebens zu sehen.

» Glauben - das heißt [...] soviel wie, dass ein jeder für sich im Umgang mit der Person Jesu zu einer eigenen Vision, zu einer eigenen Intuition, zu einer eigenen inneren Erfahrung gelangt. «
Drewermann, Eugen (1995): Das Matthäus-Evangelium, Bd. 3: Bilder der Erfüllung, Solothurn/Düsseldorf, 282.

Apokalypse Now!

Von daher möchte ich das Fragezeichen aus der ersten Überschrift korrigieren und ein Ausrufezeichen setzen. Im Evangelium sagt Jesus: „Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand.“ Das stimmt.

Aber Tag und Stunde liegen in unserer, nicht in anderer Hand! Ich kann, Sie können entscheiden, wann Sie sich der Apokalypse Ihres Lebens stellen wollen – um damit dem Leben zu dienen – Ihrem Leben und dem Leben derer und dessen um Sie herum.

Amen.

Köln 13.11.2021
Harald Klein