4. Sonntag der Osterzeit – Den Staub von den Füßen schütteln

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„Erwartungen sind im Voraus geplante Enttäuschungen“

Weder ein Theologe, noch ein Sozialpädagoge, sondern ein Humorist und Komiker ist „Vater“ dieses Zitates. Es stammt vom Münchner „Original“ Karl Valentin (1882-1948).

Erwartungen und Enttäuschungen bilden heute den Boden, auf dem nach der Wahrheit des Wortes von der Auferstehung aufgrund dessen Wirkung gefragt werden soll. Was bewirkt das Wort von der Auferstehung, und kann diese Wirkung die Wahrheit der Auferstehung belegen, vielleicht auch bebildern und beleben?

Die Situation ist schnell erzählt: Die Gruppe der Apostel in Jerusalem hat sich aufgeteilt. Paulus ist mittlerweile dazugestoßen. Zusammen mit Barnabas zieht er nach Antiochia, um dort die Botschaft von Jesus und seiner Auferstehung vorzutragen („Wort“!) Einige Juden und Proselyten („Überläufer“ aus andren Religionen) kommen zum Zuhören, es werden immer mehr. Die religiöse Oberschicht der Juden und die Gemeinschaft der Juden wird eifersüchtig auf den Erfolg des Paulus, sie widersprechen und lästern seiner Botschaft.

Paulus antworte, dass ihnen, der jüdischen Gemeinde, zuerst das Wort Gottes verkündet werden muss. Da sie es aber zurückstießen, wende er sich jetzt den Heiden zu. So löst er die Enttäuschung über die Juden auf – und ändert die „Zielgruppe“ („Wirkung 1“!). Daraufhin organisieren die Juden eine Verfolgung gegen Paulus und Barabas und treiben sie aus der Stadt und dem Gebiet um Antiochia. An dieser Stelle erzählt Lukas: „Diese aber schüttelten gegen sie den Staub von ihren Füßen und zogen nach Ikonion. Und die Jünger wurden mit Freude und Heiligem Geist erfüllt“ (Apg 13,51; „Wirkung 2!“).

» Mein Atem

In meinen Tiefträumen
weint die Erde
Blut

Sterne
lächeln in meinen Augen

Kommen Kinder zu mir
mit vielfältigen Fragen
Geht zu Sokrates
antworte ich

Die Vergangenheit
hat mich gedichtet
ich habe
die Zukunft geerbt

Mein Atem heißt
jetzt «
In: Ausländer, Rose (1981): Mein Atem heißt jetzt, Frankfurt/Main, 85.

Den Staub von den Füßen schütteln!

„Und wenn man euch nicht aufnimmt und eure Worte nicht hören will, geht weg aus jenem Haus oder aus jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen.“ Der Evangelist Matthäus legt Jesus diese Worte in den Mund, als er – die gleiche Situation – seine Jünger zur Mission aussendet (Mt 10,14). Die Apostelgeschichte ist einige Jahrzehnte später als die drei Evangelien nach Markus, Matthäus und Lukas geschrieben worden – du darfst davon ausgehen, dass dieses Zitat aus Matthäus sehr bewusst vom Verfasser der Apostelgeschichte gewählt wurde.

Das Wort – oder besser: das Bildwort – spricht für sich. Ich stelle mir Situationen vor Augen, in denen ich den Staub von den Füßen schütteln musste – gegen etwas oder gegen jemanden, und du darfst das gerne selbst auch tun:

  • Hoffnungen, die zur Enttäuschung wurden, warum auch immer;
  • Ziele, die ich mir gesetzt habe und die ich nicht erreichen konnte;
  • Erwartungen auf ein Geschehen, ein Buch, einen Text oder Film, einen Vortrag hin, die im Sande verliefen;
  • Begegnungen mit anderen, die enttäuschend verliefen;
  • und vielleicht am schwierigsten: die enttäuschende Begegnung mit dem Ideal, das ich gerne wäre, und das ich nicht sein kann, oder umgekehrt…
  • … die enttäuschende Begegnung mit mir und all dem, was eben „auch“ zu mir gehört.

All das z.B. in der Zeit der Meditation oder der Betrachtung (im Wort und begleitend auch in der Emotion) vor dich hinstellend, kannst du das Wort Jesu und mehr noch das Wort aus der Apostelgeschichte hören und dir zusagen lassen: „… geht weg aus jenem Haus oder aus jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen.“ Das „Bleiben“ in der Enttäuschung bringt nichts! Die Wirkung des Wortes von der Auferstehung ist das Weggehen, ist das Abschütteln des Staubes von den Füßen, ist das Hinter-sich-lassen. Wenn in der Enttäuschung die Täuschung entlarvt und aufgedeckt ist, bleibt immer noch der Aufbruch zum Tausch gegen anderes, auf Neues hin. Das mögen Kleinigkeiten sein, wie z.B. ein Schul- oder Arbeitsplatzwechsel; das kann eine „mittlere Dynamik“ entfalten wie bei Scheidungen oder Aufkündigung von Freundschaften oder Beziehungen; das kann ins ganz Große gehen, wie etwa die Erfahrung und Annahme der eigenen Sterblichkeit oder der Sterblichkeit eines oder einer deiner Liebsten.

Es geht sich leichter ohne den Staub und der Last an den Füßen oder auf den Schultern. Die Wahrheit des Wortes von der Auferstehung zeigt sich in der Wirkung des: „Diese aber schüttelten den Staub von ihren Füßen und zogen nach Ikonion.“ Den Staub von den Füßen schütteln, und Weitergehen in eine andere, in eine neue Richtung! Anders als Matthäus setzt der Verfasser der Apostelgeschichte noch eins drauf, eine zweite Wirkung: „Und die Jünger wurden mit Freude und Heiligem Geist erfüllt.“ Erwartungen seien, so Karl Valentin, im Voraus geplante Enttäuschungen. Die Fähigkeit, den Staub von den Füßen zu schütteln und in Freude, erfüllt vom Geist eine andere Richtung zu gehen scheint davor zu bewahren, schnell wieder Täuschungen zu erliegen und enttäuscht zu werden. Wenn das mal keine Wirkung der Auferstehung ist!

So viel für heute – und für diese Woche.

Köln, 08.05.2025
Harald Klein