4. Sonntag im Jahreskreis – Bergpredigt und Twister

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Die Bergpredigt

Den Musikalischen unter Ihnen ist das „Selig seid ihr“ in der Vertonung von Peter Janssens vielleicht vertrauter als der Evangelientext in Mt 5,1-12a („´Bergpredigt“) bzw. ähnlich in Lk 6,20-49 („Feldrede“). Unmittelbar an die Berufung der ersten Jünger und der summarischen Feststellung, dass sein Ruf sich verbreitete und dass Menschen in Scharen ihn aufsuchten, steigt Jesus – wie Mose – auf einen Berg und verkündet so etwas wie sein „Parteiprogramm“, seine Vision vom Leben im angebrochenen Reich Gottes, seine Maximen für all die, die mit ihm oder zumindest in seinem Geiste ziehen wollen.

Ist er bei Matthäus eher ein zweiter Mose, ein Lehrer des (neuen) Gesetzes, ein Anführer, der nach Gefolgschaft heischt, finden Sie ihn im Lukas-Evangelium mitten auf dem Feld unter den Menschen, die sich um ihn drängen – mit den Augen seine Jünger suchend und nahezu die gleichen Worte reden wie der matthäische Jesus auf dem Berg, wenngleich sowohl der „Ort“ Jesu als auch seine Diktion in dieser „Feldrede“ mitten unter dem Volk spannende Unterschiede seines Programms bzw. seiner Verheißungen aufzeigen. Sie können die Worte hier wie dort auch als Zusagen, als Werbung für ein gelingendes Leben für sich selbst lesen – ich vermute, dass das Lied von Peter Janssens aus diesem Grunde so einen Erfolg hat, und das über Jahre hinweg. Es geht um gelingendes, um gutes Leben.

» Kleine Taten, die man ausführt, sind besser als große, die man plant. «
Spenst, Dominik (2022): Das 6-Minuten Tagebuch. Ein Buch, das dein Leben verändert, 5. Aufl., Hamburg, 51.

Das Spiel „Twister“

Mein erster Impuls zur Predigt auf die Bergpredigt hin war das Spiel „Twister“. Sie kennen es, Ihre Kinder kennen es allemal. Eine ca. 2 m2 großen Spielfläche in vier einfarbige Reihen – grün, gelb, blau, rot – mit je sechs farbigen Punkten unterteilt, ist ausgebreitet. Mittels einer Drehscheibe wird ermittelt, welche der vier Körperteile „linke Hand“, „rechte Hand“, „linker Fuß“ und „rechter Fuß“ bewegt werden soll – und gleichzeitig wird die Farbe „gedreht“, auf die dieses Körperteil hin bewegt werden soll – und zwar, ohne dass die anderen Körperteile ihre „Farbpunkte“ verlassen. Zugegeben, eher ein Spiel für Kinder, die dabei ihre Geschicklichkeit und das Gleichgewicht trainieren können, ich glaube, in meinem Alter bin ich da „raus!“

» Jesus ging es darum, durch das Vertrauen in die unbedingte Güte Gottes überhaupt erst die Möglichkeit eines ‚Gutseins‘ in moralischem Sinne zu schaffen; endlich sollte damit Schluss sein, dass Menschen im Schatten des Gesetzes glauben mussten, allein auf Grund ihres Rechtsverhaltens und der von ihnen erbrachten Leistungen zum Dasein zugelassen zu sein. «
Drewermann, Eugen (2009): Das Lukas-Evangelium Bd.1: Bilder erinnerter Zukunft, Düsseldorf, 109.

Die Bergpredigt als „Spielfläche“

Ich stelle mir die Bergpredigt als eine solche „Spielfläche“ vor, allerdings mit acht oder neun (je nach Lesart der Bergpredigt) statt mit vier Farben. Die Farben stehen für die Inhalte der Bergpredigt: Selig, die arm sind vor Gott; selig sind die Trauernden; selig sind die Sanftmütigen; selig sind, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit; selig sind die Barmherzigen; selig sind, die rein sind im Herzen; selig sind, die Frieden stiften; selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; selig sind, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen – die letzten beiden Seligpreisungen werden oft als zusammengehörig angesehen.

Jede der acht oder neun Farben – neben den vier Farben auf der Originalmatte müssen Sie sich jetzt noch vier oder fünf Farben dazu denken, jede steht für eine der Seligpreisungen Jesu. In Exerzitien hätten Sie neun kleine Kärtchen mit diesen Zusagen Jesu vor sich an Ihrem Gebetsort. Und dann kommt das Leben ins Spiel – oder das Spiel ins Leben.

» Um sich nicht in der eigenen Perspektive zu verfangen und in alten Denkmustern zu verharren, ist es äußerst hilfreich, das eigene Verhalten regelmäßig aus der Vogelperspektive zu betrachten. Wer langfristig glücklich sein möchte, muss sich kontinuierlich verändern. Unsere Emotionen agieren oftmals wie Zwangsjacken, die jegliche Veränderung bekämpfen. Sie lenken uns in eine bestimmte Richtung, ohne dass wir uns darüber bewusst sind. Bewusste Selbstreflexion kann hier der Startpunkt der Veränderung sein. Sie erlaubt dir, die Fähigkeit zu entwickeln, dich nicht mit deinen Gefühlen zu identifizieren. «
Spenst, Dominik (2022): Das 6-Minuten Tagebuch. Ein Buch, das dein Leben verändert, 5. Aufl., Hamburg, 49.

Die Drehscheibe: Wahl der Farbe – Wahl des Gliedmaßes

Sie brauchen keine dem Spiel zwingend zugehörende Drehscheibe mehr. Es ist die Aufmerksamkeit, die Wachheit, die Sie Ihrem Leben widmen und die Ihnen den Impuls gibt, in welche der Seligpreisungen, in welchen der Zusammenhänge zwischen Tun, Erleiden und Erhoffen Sie sich hin(ein)bewegen können, damit Ihr Leben mehr gelingt, mehr gut wird (und „mehr gut“ meint nicht notwendig auch „besser“). Müssen Sie „gehen“, „die Hand reichen“, „sich umdrehen“, „den Rücken zu kehren“, „sich ausstrecken“… – vermutlich fällt Ihnen noch mehr an Bewegungen ein, die sowohl äußerlich, mehr sicher innerlich durchgeführt werden müssen.

» Die Worte der Seligpreisungen sind wie ein fein geschliffener Diamant inmitten der Überlieferung des Neuen Testamentes.Wenn wir uns selber oder einem anderen verdeutlichen möchten, was Jesus uns gebracht und ermöglicht hat, so lässt es sich in der reinsten und besten Form nicht anders sagen als in diesen acht Pressungen, die all diejenigen glücklich nennen, die ihr Leben einzig gründen im Vertrauen auf Gott. «
Drewermann, Eugen (1992): Das Matthäus-Evangelium, Bd 1: Bilder der Erfüllung, Olten, 367.

Die das Spiel Leitenden / Die Schiedsrichter

Bei Twister geht es darum, dass die das Spiel Leitenden, die of auch die Schiedsrichter sind, die Spielscheibe drehen. Die Spielenden harren nicht aus in ihren Positionen. – Das ist bei der Bergpredigt anders. Spirituell wache Menschen werden sicher nicht probieren, möglichst viele der Seligpreisungen schnellstmöglich zu „erfüllen“, schließlich hat es der Rabbi am Berg ja so gesagt! Das Gegenteil ist der Fall. Nichts von außen gibt den Impuls, sich zu bewegen; es ist vor allem das eigene, das „denkende Herz“ (Etty Hillsum), das den Leib in Bewegung setzt in Sachen „gelingendes und gutes Leben“, für mich, und durch mich auch für die um mich herum. Das kommt auch dem Anfang des Evangeliums nahe, in dem es heißt: „Jesus stieg auf einen Berg, er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.“ Die Seligpreisungen werden nicht abgehakt, sie werden erspürt, nehmen Wohnung in mir, nehmen in mir Raum ein, treten dann durch mich und für mich nach außen. Zumindest meine ich das so im öffentlichen Leben Jesu, in seinen Begegnungen und Gesprächen zu erleben. Und ich erlebe es in denen, in denen ich Jesu Geist lebendig am Werk ahne und erlebe.

ich wünsche Ihnen eine farbige Woche und ein gutes Gespür für die Möglichkeiten, die Seligpreisungen einziehen zu lassen in Ihr Leben.

Amen.

Köln 25.01.2023
Harald Klein