Im Anfang war der Podcast
Nichts als fügen täte der liebe Gott, war ein häufiger Spruch des jetzigen Hamburger Weihbischofs Horst Eberlein in den 80er Jahren, als er noch Kaplan und junger Pfarrer in Mecklenburg war.
So eine Fügung geschah mir in der zweiten Novemberwoche, abends zum Einschlafen. Ab und an höre ich einen Podcast und lasse mich durch die Stimmen in den Schlaf wiegen Das war an diesem Abend unmöglich. Jürgen Wiebicke sprach im „Philosophischen Radio“ von WDR 5 mit dem in Belgien geborenen, in den Niederlanden arbeitenden und am Niederrhein wohnenden Philosophen Jean-Pierre Wils über dessen neues Buch „Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft“.
Hellhörig wurde ich bei der Wortstellung: Erst „Verzicht“ , und dann „Freiheit“. Dann der Untertitel, der für mich doppelte Gestalt annehmen kann: „Über Lebensräume der Zukunft“ und „Überlebens-Räume der Zukunft“. Von Schlafen war keine Rede mehr, und um die knappe Stunde, die mich das Zuhören kostete, war es mir nicht leid.
Wils‘ dreifache Fehldeutung von Freiheit, ihr (1) negativistisches, ihr (2) naturalistisches und ihr (3) absolutistisches Verständnis kann hier nicht näher beschrieben werden, fasst aber ein Bild von Freiheit zusammen, das unreflektiert mitläuft, wenn ich „Freiheit“ denke.
Von „Freiheit“, unbedingt aber vorher von „Verzicht“ muss gesprochen werden, weil die Sprache und die Begriffe, die wir verwenden, helfen – oder hindern -, uns in der Welt einzurichten und uns in der Welt und ihr gegenüber zu verhalten.
Philosophie trifft Kabarett
Dass Wils sein Buch angesichts der Klima-Katastrophe und auf sie hin geschrieben hat, verwundert nicht. Vollends Feuer gefangen habe ich, als der erste Telefonanrufende Sebastian Rüger war, quasi die eine Hälfte des Kölner Kabarett-Duos „Ulan & Bator“. Sie betrieben Sprachakrobatik, so Rüger, und in einem ihrer Programme trüge den Titel „Zukunst“. Im gegenwärtig laufenden Programm „Undsinn“ habe der Begriff der „Zuverzicht“ seinen Platz! Der passe doch zum Inhalt des Buches!
Tags drauf fiel die Entscheidung, die Evangelien der Advents- und der Weihnachtszeit auf links zu drehen und sie zu konfrontieren mit der Klima-Katastrophe, dem Nachdenken über einen angemessenen Freiheitsbegriff, in der Frage nach Zukunft mit Hilfe von „Zukunst“, in der Frage nach Sinn mit Hilfe von „Undsinn“ und vor allem in der Frage nach Zuversicht mit Hilfe des „Zuverzichts“.
Noch steht nichts fest, noch freue ich mich an der klaren und offenen Rede Jean-Pierre Wils‘ in seinem Buch, noch merke ich das Herausfordernde darin, mehr als Verheißung den als Bedrohung. Advent und Weihnachten könnte so zu einem Nachdenken „über Lebensräume“ werden und dazu beitragen, „Überlebensräume“ zu gestalten.
Ich bin gespannt!
Euch und Ihnen einen guten Advent und eine sinnvolle und sinnstiftende Weihnachtszeit.
Köln, 26.11.2024
Harald Klein