„Herr, lehre uns beten“
Im Markusjahr soll das Markusevangelium Grundlage der „Gebetshilfen aus der Schrift“ sein. Und als Erstes soll es darum gehen, wie die Jünger in der Schule Jesu das Beten von ihm selbst zu lernen.
Das Beten Jesu als „Tun“
Markus zeigt auf den ersten Blick nur an ganz wenigen Stellen den betenden Jesus. Er erzählt, wie er in die Wüste geht und dort vierzig Tage bleibt. Hier wird er vom Satan in Versuchung geführt, hier lebt er bei den wilden Tieren, hier dienen ihm die Engel (Mk 1,12). Zu Beginn seines öffentlichen Wirkens steht Jesus in aller Frühe, als es noch dunkel ist, auf und geht an einen einsamen Ort, um zu beten (vgl. Mk 1,35). Beide Textstellen zeigen: Jesus kennt feste Orte, er wählt feste Zeiten, um zu beten. Dazu gehören der Berg (Mk 6,46) und auch der Tempel (Mk 12,41; 13,1) – die Synagoge (Mk 6,2 u.ö.) entspricht eher dem Lehrhaus der Juden. In den beiden Überlieferungen der Brotvermehrung schildert Markus Jesus als den, der die Augen zum Himmel erhebt und den Lobpreis spricht (Mk 6,41) bzw. wie er die Brote segnet (Mk 8,6). Bei der Heilung des Taubstummen ist sein Gebet nur ein Seufzen (Mk 7,34); das „Effata“ ist kein Gebetswort, sondern eher eine Weisung an den Menschen, dem das rechte Gehör und die rechten Worte fehlen. Und dann zeigt Markus den betenden Jesus erst wieder in der Passion. Wieder spricht Jesus einen Lobpreis bei der Einsetzung der Eucharistie und segnet das Brot(Mk 14,22). Es folgt das erste „wörtliche“ Gebet Jesu, das am Ölberg: „Abba, Vater, alles ist Dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht was ich will, sondern was Du willst, soll geschehen.“ (Mk 14,36). Ob dann das Schweigen vor dem Hohepriester (Mk 14,61) ein Beten ist, bleibt offen. Sein „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34) ist dann das zweite „wörtliche“ Gebet, das Markus Jesus in den Mund legt – das Mk kennt das Vaterunser als Gebet Jesu nicht. – Ein erster Blick auf das Beten Jesu bei Mk gibt – scheinbar! – nicht viel her. Es ist aber immer ein sich bewusstes Ausrichten Jesu vor dem Vater und auf den Vater und seinen Willen hin.
Das Beten Jesu „in der Tat“
Die Entdeckung des betenden Jesus bei Markus erscheinen in einem andren Licht, wenn sein Tun als Fortsetzung des ausdrücklichen Gebetes gesehen wird. Jesus ist Meister der „contemplatio in actione“, des Betens in der Tat. Das Mk ist voll von Schilderungen des lehrenden, heilenden, kritisierenden, urteilenden, mahnenden Jesus. In Mk 11,27-33 fragen die Hohepriester, die Schriftgelehrten und die Ältesten ihn, mit welcher Vollmacht er „das alles“ tue. Das Frage birgt in sich eine Antwort: Jesus ist „voll Macht“ – voll der Macht des Vaters, der er sich im Gebet (als Tun) immer wieder vergewissert und die im „Beten in der Tat“ immer wieder sichtbar, spürbar, erfahrbar wird. In Jesu Tun wirkt Gott – in der Tat! Der Macht, der Liebe und des Erbarmens Gottes in sich gewiss, kann Jesus den blinden Bartimäus fragen: „Was soll ich Dir tun?“ (Mk 10,51). Jesus hat die durchbetete Gewissheit, dass nicht er, sondern der Vater durch ihn den Blinden sehend machen kann – und wird. Beten als Tun meint, sich vor Gott und auf seinen Willen hin sich neu ausrichten. Beten in der Tat heißt, das, was sich Jesus – und jedem anderen Betenden auch – im Gebet zeigt, Fleisch zu geben, es „inkarnieren“.
Beten als Haltung – „Mit allen Sinnen beten“
Es geht im Beten Jesu nicht darum, Zeiten des Betens (Contemplatio) und Zeiten des Tuns (actio) getrennt zu sehen. Mk unterscheidet zwar den betenden Jesus am Berg, in der Wüste, in der Frühe des Tages vom handelnden Jesus an den vielen Orten seiner Verkündigung, zeigt aber deutlich, wie sehr beides zusammenhängt: contemplatio in actione. Das Gebet wird zur Haltung, sowohl in der „contemplatio“ als auch in der „actio“ geht es um Gottes Willen. So bunt wie die Worte, Gesten, Handlungen und Haltungen beim Beten selbst sind die Früchte des Gebets, sind die Handlungen, die aus dem Gebet entspringen. Da haben alle Sinne Platz: Mk kennt das Mahl beim Pharisäer Simon und die Hochachtung über die Salbung der Füße durch die Sünderin (Mk 14,3-9), er erzählt von Kindern, denen Jesus die Hände auflegt (Mk 10,13). Da gibt es Dämonen, die nur durch Gebet („contemplatio“) ausgetrieben werden können (Mk 9,29), und es gibt so etwas wie das „Sakrament des Wasserbechers“, der einem Christen zum Trank gereicht wird (actio“), als Erfüllung des Willens Gottes. (Mk 9,41). Mk kennt das Hören der Gleichnisse, das Berühren von Ohren und Mund, alle Sinne können dienstbar sein, den Willen Gottes „in der Tat“ sichtbar zu machen, wenn sie der Haltung des Gebets entspringen.
Für das Gebet oder das Gespräch in der Gruppe:
- Beten Jesu als Tun: Jesus kennt den Lobpreis, er betet am Kreuz einen Psalm. Eine erste Gebetshilfe: sich selbst oder in der Gruppe einen Psalm suchen und betrachten, wo, wann, wie Jesus ihn gebetet hat, um sich im Gebet mit Jesu zu vereinen.
- Beten „in der Tat“ und als „Haltung“: im eigenen Beten oder in der Gruppe Gebete der biblischen Personen betrachten, um sich deren Worte und Haltungen zu „bedienen“ und selbst ins Handeln und in dieselbe Haltung zu kommen (z.B. 1 Kön 3,6-9 und Weis 9,1-12: Traum und Gebet des Königs Salomon; Est 4,17k-z Gebet der Esther). Oder die Gebete der Tagzeitenliturgie, „Benedictus“, „Magnificat“ und „Nunc dimittis“ in der Gruppe auf „Tat“ und „Haltung“ hin zu betrachte..
- Gebete der Heiligen (z.B „Herr, wie du willst“ von P. Rupert Mayer SJ) auf „Tat“ und „Haltung“ hin betrachten.
- Sich selbst – und in der Gruppe – an ein Gebet trauen, das „Tat“ und „Haltung“ausdrückt (z.B. ein eigenes „Vorbereitungsgebet“ für die Gebetszeit schreiben, vorstellen – und beten.
Harald Klein, Köln