Der Hintergrund:
Der Soziologe Harald Welzer warnt vor Neujahrsvorsätzen. Im Gespräch mit Sonja Flaßpöhler findet sich folgender kurze Dialog:
„In Ihrem Buch schreiben Sie, dass das Formulieren von Klimazielen gleichbedeutend sei mit einer individuellen Lebenslüge. Inwiefern? In Glasgow wurden ja auch Klimaziele verabredet, ist das nicht gut?“ – „Ich würde gerne mal eine Umfrage machen, ob die Leute glauben, dass wir uns schon in einem Stadium der Verminderung von Emissionen befinden. ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Leute sagen: Ja, ja, wir haben schon eine Menge getan. Diese Suggestion, dass man sich bereits auf dem Pfadwechsel befände, wird erzeugt durch die Formulierung von Zielen, das Abhalten von Konferenzen, das Vorzeigen von irgendwelchen Diagrammen, die kein Mensch versteht. Auf einer psychologischen Ebene gleicht das dem Krankheitsbild der Sucht: Man formuliert Ziele, anstatt einfach aufzuhören.“ – „Ähnlich wie bei Neujahrsvorsätzen?“ – “ Ja, die Zielformulierung suggeriert, dass man schon etwas verändert hätte, und hilft zugleich dabei, nichts zu verändern.“ (vgl. Philosophiemagazin 02/2022, Hamburg, 62.)
Der Impuls:
An dieser ersten Wanderung im neuen Jahr lassen wir „Vor-Sätze“ hinter uns und fragen nach einer „Nach-Betrachtung“. Der Impuls zum gemeinsamen Austausch ist:
- Was muss geschehen sein, sich ereignet oder entwickelt haben, damit Du am Ende des Jahres sagen kannst: „Das war ein gutes Jahr?“
- Was ist Dein Beitrag dazu, was musst Du von Dir aus angehen?
- Wobei und auf welche Weise können andere Dich dabei unterstützen?
Während des Erzählens mögen die Hörenden darauf achten, welche „Glaubenssätze“ oder verinnerlichten „Werte“ bzw. „Un-Werte“ zu entdecken sind und dann ggf. darauf hinweisen. Oft ist darin der Grund zu finden, warum das Jahr am Ende doch anders aussieht als es der Blick von hinten nach vorn, vom vorweggenommenen Ende her erhoffte.
Köln, 27.01.2022
Harald Klein