Der „Hirte“ und der „Menschenfischer“ – schwierige Bilder

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Der Hirte in einer Stammesgesellschaft

Manchmal tue ich mit den biblischen Bildern und Metaphern schwer. Heute ist wieder so ein Tag. Ezechiel soll als Prophet gegen die Hirten Israels auftreten. „Weh den Hirten, die nur sich selbst weiden. Müssen die Hirten nicht die Herde weiden?“, so schimpft der Herr vor Ezechiel.

Mir ist klar, dass das Bildwort vom Hirten der Zeit der Entstehung des Textes geschuldet ist. In einer archaischen, einer Stammesgesellschaft war das Bild des Hirten und seine Aufgabe, seiner Verantwortung klar. Aber passt es heute noch? Trifft es, dass die Bischöfe sich als die „Hirten“ des Gottesvolkes bezeichnen lassen? Ist die Oberin oder die Priorin einer Schwesterngemeinschaft die Hüterin einer Herde von Schafen? Was heißt denn das für das Volk Gottes, was heißt das für die Schwestern eines Klosters?

Es ist allemal eine Frage gutwilliger Deutung, das ist mir klar. Und doch: das Gegenüber eines Hirten, einer Hirtin sind die Schafe, ist die Herde. Da klingt für mich – auch bei gutem Willen -viel zu viel Unmündigkeit mit, das Verhältnis ist das der Abhängigkeit. Müsste ein Bischof, eine Oberin, eine Priorin nicht gerade die Mündigkeit der ihr Anvertrauten im Blick haben, ihr Wachstum, ihre Charismen. Geht das, das Hirte und Schaf sich auf Augenhöhe begegnen, und ist das intendiert, in einer Bistumskirche, in einer Ordensgemeinschaft?

Der Menschenfischer

Noch schärfer gehe ich mit Jesu „Du sollst Menschenfischer sein“ an Petrus ins Gericht. Was ist denn das für eine Kirche, in der das Oberhaupt Menschen in Netze verstrickt, sie einfängt, ins Boot holt – und für was arbeitet ein Fischer? Zum Verzehr, zum Verkauf. Am Leben der Fische hängt ihm nichts, im Gegenteil.

„Die Letzten werden die Ersten sein!“

Da beruhigt mich dann doch das Evangelium und die Handlungslogik Jesu. Er nimmt sich der spät engagierten Arbeiter genauso an wie derer, die von der ersten Stunde an dabei sind – und macht klar: Dir, dem Mann, der Frau der ersten Stunde geschieht kein Unrecht. Um Wachstum geht es, um Gerechtigkeit, die jedem und jeder zuteil werden soll. Besser als das Wort vom Hirten oder vom Fischer gefällt mir eine Zusage Jesu, die sich jeder Hirte, jede Hirtin und jeder Menschenfischer hinters Ohr schreiben sollte: „Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, und damit meine Freude in euch ist.“

Köln, 22..08.2018
Harald Klein