Die eigene Bestimmung finden: Wüste – Warten – Wachsen

  • (An-) Stiftungen zum Gespräch
  • –   
  • –   

Um was es geht

Der 24. Juni ist in der katholischen Kirche der Gedenktag der Geburt des Täufers Johannes. Nur zweimal kennt der Heiligenkalender der Katholiken das Gedenken des Geburtstages: Am 08. September wird die Geburt der Gottesmutter Maria gefeiert (daher auch 8.Dezember: Maria Empfängnis), und am 24. Juni eben die Geburt des Vorläufers Jesu, des Johannes. Die anderen Gedenktage der Heiligen orientieren sich an deren Sterbedatum.

Beide – Maria und Johannes – hatten eine „Bestimmung“, die sich von Geburt an ganz auf das Leben und das Wirken Jesu bezieht; beiden wurde diese „Bestimmung“ nicht einfach übergestülpt, beide sind in diese „Bestimmung“ nach den Worten des Evangelisten Lukas hineingewachsen. Für Maria wird dieses Hineinwachsen am schönsten in ihrem Lobgesang des Magnificat ausgedrückt, der mit den Worten beginnt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn…“

Begleitende Text aus der Erzählung über Geburt und Namensgebung des Täufers Johannes (Lk 1,57-66.80) und der Lobgesang Mariens (Lk 1,46b-55)

Johannes der Täufer:

Das Kind wuchs heran
und wurde stark im Geiste.
Und es lebte in der Wüste
bis zu dem Tag,
an dem es seinen
Auftrag für Israel erhielt.
(Lk 1,80)

Maria

Meine Seele preist die Größe des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut,
siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan,
und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht
über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron
und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an
und denkt an sein Erbarmen,
dass er unseren Vätern verheißen hat,
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
(Lk 1,46b-55)

Ankommrunde: Erleben von „Stimmigkeit“

Im Blick auf den zurückliegenden Zeitraum zum letzten Treffen: erinnere ich mich an Erfahrungen von „innerer Stimmigkeit“ im Tun, Reden, Denken, Erleben – und umgekehrt an Erfahrungen von „innerer Unstimmigkeit“? Was bewirken beide Weisen des Erlebens in mir? Wie gehe ich damit um?

Austausch: Der eigenen Bestimmung auf die Spur kommen

In drei Anläufen wollen wir versuchen, uns dem Begriff der „Bestimmung“ und dann der Erkenntnis dessen, was die „eigeneBestimmung“ sein könnte, nähern. Dies kann anhand der folgenden Impulsfragen geschehen:

  1. Was verbinde ich mit dem Begriff „Bestimmung“? Ist er eher positiv oder eher negativ konnotiert? Was meint „stimmiges Verhalten“, und wie erlebe ich es, für mich persönlich, in Beziehungen, in der Arbeit, …?
  2. In der Darstellung der Geburt und des Weges von Johannes dem Täufer geht es um das „Warten“ auf die eigene Bestimmung („Das Kind wuchs heran“). Konnotiert ist dieses „Warten“ mit „stark werden im Geist“, mit „Wüste“ und mit einem bestimmten „Tag“, einem bestimmten „Erleben“. Finde ich mich in dieser kurzen Beschreibung des Er-Wartens (m)einer Bestimmung wieder? Welche Bilder, Szenen, Begegnungen zeigen sich?
  3. Im Loblied der Maria zeigt sich deren Bestimmung in einem Rückblick („Denn der Mächtige hat Großes an mir getan“). Gibt es rückblickend auf mein Leben Bilder, Szenen, Begegnungen, die mir eine Ahnung von dem geben, was meine eigene Bestimmung sein könnte?

Rückbindung an das letzte Treffen

Die Frage der Bestimmung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage nach der Gestalt, die ich meinem Leben geben möchte. P. Josef Maureder[1] lenkte dazu den Blick auf vier Aspekte der persönlichen Lebensweise – hier könnte konkret danach gefragt werden, wie die eigene Bestimmung in jedem der vier Aspekte der persönlichen Lebensweise aussieht:

  • Lebendig und frei werden – das Geschenk einer stimmigen
  • Beziehungsfähig und liebend werden – das Geschenk einer liebevollen
  • Schöpferisch und verantwortungsvoll werden – das Geschenk einer kreativen
  • Gelassen und religiös werden – das Geschenk einer vertrauenden
  • …..

Für den Abschluss

Was hat sich im Sprechen über die eigene Bestimmung vom Vormittag über den Nachmittag bis zum jetzigen Zeitpunkt verändert?

Köln, 24.06.2022
Harald Klein

[1] Vgl. Maureder, Josef (2007): Mensch werden – erfüllt leben. Reihe „Ignatianische Impulse“, Bd. 23, Würzburg.