die richter richten
ab-richten
kannst du einen Hund
oder einen menschen
den du wie einen hund
behandelst
an-richten
meint eher deine unbedachte tat
als das essen das du mir anbietest
auf-richten
kannst du nur die
die am boden sind
wie und warum auch immer
aus-richten
das weitergeben
was du von anderen
mitgeteilt bekommen hast
oder dich
auf ein ziel hin
be-richten
dein erleben
ins wort bringen
teilgeben
an deinem leben
ein-richten
deinen rückzugsort
und deine zeit
beides offen für dich
und für andere
ent-richten
das was du
jemandem schuldig bist
einfach oder endlich
deinen preis zahlen
er-richten
wie aufrichten
nur statischer und
auf dauer gedacht
innen wie außen
gerade-richten
dich erklären
die anderen
im besten fall
um entschuldigung bitten
und wenn es geht
das schräge ins lot bringen
her-richten
mit dem was da ist
etwas gestalten
zum wohl deiner selbst
und derer um dich herum
hin-richten
der grund
für sprachlosigkeit anderer sein
mag sie vorübergehen
oder auf dauer bleiben
führte früher oft dazu
den kopf zu verlieren
unter-richten
im schlimmsten fall
einen anderen entmündigen
im besten fall mithelfen
ihm zu eigenen worten zu eigenem verstehen
zu leiten
ver-richten
dein geschäft zum beispiel –
das klingt nicht gut
es wurzelt in notwendigkeit
geht ohne bewusstsein
und sieht das gegenüber als fall
oder als nummer
zugrunde richten
beginnt dann
wenn das richten
kein richten erfährt
richten braucht immer ein gegenüber
ein etwas auf das es sich bezieht
ein du unter einem besonderen Blick
und einen maßstab
wenn richten nicht der werte voll ist
richtet es dich oder den anderen zugrunde
hast du ein gefühl dafür
wie oft dein selbst dein gegenüber ist
für das dich richtende ich
ab- an- auf- aus- be- ein- ent- er-,
gerade- her- hin- unter- ver-,
zugrunde-
du darfst nein du musst
das richten und die richter
richten
Um was es geht
Das Johannes-Evangelium kennt die Geschichte von der Ehebrecherin, die von den Schriftgelehrten und den Pharisäern zu Jesus gebracht wurde, damit er sie nach dem jüdischen Gesetz verurteile und mit der Steinigung bestrafe. Die Richter wollen die Ehebrecherin richten oder gerichtet wissen.
Jesus aber entgegnet ihnen: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Und einer nach dem anderen geht fort! Jesus richtet die Richter!
Schließlich fragt Jesus die Frau: „Frau, wo sind sie geblieben? Hat keiner dich verurteilt?“ Sie antwortete: „Keiner, Herr.“ Und Jesus schließt diese Geschichte mit den Worten: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (vgl. Joh 8,1-11)
Ich verstehe die „Richter“ eindeutig als die Anteile in mir (oder auch außerhalb meiner), die ein Urteil fällen und mein Leben bewerten, sei es vergangen, sei es gegenwärtig oder sei es auf die nächsten Schritte gerichtet. Das Verb „richten“ jedoch verstehe ich mehrdeutig.
Im ersten Verständnis sehe ich die Suche nach der Ausrichtung meines Lebens, die ich allein treffen und vielleicht mit anderen bedenken kann. Ich gebe meinem Leben (s)eine Richtung. Hier geht es um Ausrichtung und Ziel.
Erst dann, nachgeschaltet und in einem zweiten Verständnis kommt die Bewertung, kommt das Urteil, durch mich und die Richter in mir, oft genug von außenstehenden selbsternannten Richtern. Hier geht es um Bewertung, um richtig oder falsch, gut oder böse, angemessen oder unangemessen, und wie die Dyaden alle heißen.
Und in einem dritten, vielleicht einem grundlegenden Verhältnis kommt in einem Innehalten der Schritt, in dem ich über meine Richter richte, innerhalb meiner wie außenstehend. Wie begründen sie ihre Urteile und Weisungen? Woher stammen sie, diese Urteile und Weisungen? Wohin haben sie mich geführt, mich vielleicht sogar gedrängt, und will ich hier sein und bleiben? Wohin will ich gehen, umkehren, mich abkehren?
Die wichtige Erkenntnis, der entscheidende Schritt im geistlichen Wachstum ist: Ich kann über meine, du kannst über deine Richter richten, wir sind ihnen nicht ausgeliefert, sie stehen nicht über uns und unsere Persönlichkeit.
Die vielen Weisen dieses Richtens bedenke ich oben in knappen Worten.
Köln, 04.04.2025
Harald Klein