Einführung in die Reihe des „Österlichen Dreiklangs“

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Predigen in „Geprägten Zeiten“

Zu den sog. „Geprägten Zeiten“ – Advent/Weihnachten bzw. Bußzeit/Ostern – zu predigen ist für keine der beteiligten Seiten leicht. Die einen – ich meine die in den Kirchenbänken – hören dann wieder und zum wievielten Male die gleichen Texte, erleben die gleichen Rituale und können vielleicht gerade in dieser Wiederholung eine Heimat, ein Zuhause finden. Das ist die Leistung der Rituale, in einer wirbelnden Zeit ein sicherer Ruhepol zu sein. Andere bleiben vielleicht ohne innere Nahrung.

» Rituale bringen eine Resonanzgemeinschaft hervor, die zu einem Zusammenklang, zu einem gemeinsamen Rhythmus fähig ist: ‚Rituale stiften soziokulturell etablierte Resonanzachsen, entlang deren vertikal (zu Göttern, zum Kosmos, zur Zeit und zur Ewigkeit), horizontale (in der sozialen Gemeinschaft) und diagonale (auf die Dinge bezogene) Resonanzbeziehungen erfahrbar werden‘. Ohne Resonanz ist man auf sich selbst zurückgeworfen und für sich isoliert. Der zunehmende Narzissmus wirkt der Resonanzerfahrung entgegen. Die Resonanz ist kein Echo des Selbst. Ihr wohnt die Dimension des Anderen inne. Sie bedeutet Zusammenklang. Die Depression entsteht am Nullpunkt der Resonanz. Die heutige Krise der Gemeinschaft ist eine Resonanzkrise. Die digitale Kommunikation besteht aus Echokammern, in denen man in erster Linie sich selbst sprechen hört. Likes, Friends und Follower bilden keinen Resonanzboden. Sie verstärken nur das Echo des Selbst. «
Byung-Chul Han (2019): Vom Verschwinden der Rituale. Eine Topologie der Gegenwart, 2. Aufl., Berlin, 19; zit. aus Rosa, Hartmut (2016): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, 2. AufbG., Berlin, 297.

Die andere Seite – ich meine die an den Predigtmikrophonen – wird sich mühen, bei denselben wiederkehrenden Texten nicht die gleichen Predigtgedanken anzubieten. Das wirft aus dem Ritual heraus und verärgert, wenn wiederholt dasselbe zu den gleichen Texten gesagt wird. Die Hörenden wollen angesprochen, nicht eingelullt werden.

Man kann natürlich mit der gleichen Predigt die Gemeinden wechseln – angesichts der großen „Pfarreiengemeinschaften“ ein lohnendes Angebot. Aber ganz ehrlich: auch predigende Menschen predigen gerne mal für sich selbst, in die eigenen Ohren, und wer mag sich mit demselben zweimal oder dreimal hintereinander anhören?

» Ein Ziel ohne einen Plan ist nur ein Wunsch. «
Antoine de Saint-Exupery

Ich möchte in diesem Jahr etwas ausprobieren und nenne das Projekt den „Österlichen Dreiklang“. Der Dur-Dreiklang beruht auf – wie der Name sagt – drei Tönen: dem Grundton, der zugehörigen Terz und der Quint. Der „Grundton“ des Österlichen Dreiklangs wird das Evangelium des Sonntags sein, aus dem ich mir einen oder zwei Verse heraussuche. Dazu klingt als Terz ein Gedicht, das mir in den letzten Monaten begegnet ist und das ich mit dem Grundton in Verbindung bringe, assoziiere, könnte man sagen. Und als dritten Klang, als Quint (-essenz) möchte ich in einigen wenigen Worten schreiben, was da an Assoziation ist, was da in mir zum Klingen kommt.

Für die Hörenden – in diesem Fall für die Lesenden – erhoffe ich mir einen eigenen „Österlichen Dreiklang“. Ich biete Ihnen Grundton (Evangelium) und Terz (Lyrik) an, singe meine Quint darauf, und freue mich darüber, wenn Sie den Akkord mitsingen oder ihm Ihre eigene Klangfarbe verleihen.

Sie bekommen keine Wiederholungen, und doch können Grundton und Terz in Ihnen den Grund eines Rituals für eine Heimat, für ein Zuhause legen. Lassen Sie uns sehen, wohin wir zwischen Aschermittwoch über das Osterfest und bis Pfingstsonntag kommen.

Köln 21.02.2023
Harald Klein