Dreikönigsfest – Weiter! Suchen! oder: Gott spielt Verstecken

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„Wenn… – dann“, oder: Gott ist (auch) das Ebenbild des Menschen

Für die beiden letzten Predigten in der Weihnachtszeit, für das Dreikönigsfest heute und für den Sonntag „Taufe des Herrn“, der die Weihnachtszeit abschließt, möchte ich ein kleines Gedankenexperiment wagen.

Wenn die Rede von der Gottebenbildlichkeit des Menschen stimmt, dann muss es doch umgekehrt auch eine Menschenebenbildlichkeit Gottes geben. Es mag da ein „mehr, mehr viel mehr“ bei Gott geben, von denen manche vor allem freikirchlichen oder charismatischen Lieder erzählen – ok! Aber es muss zumindest auch das in Gott zu finden sein, was der Mensch ebenbildlich von ihm übernommen hat – sonst hätte der Mensch es nicht!

Wenn dann in der Anthropologie Epitheta, spezifizierende Adjektive zum Wesen des Menschen beschrieben werden[1], dass muss der Mensch sie notgedrungen – als Ebenbild Gottes – von ihm haben, diese Epitheta müssen dann auch zum Wesen Gottes gehören, um so, nur so, wesentlich für den Menschen werden zu können.

Sie können das leicht übertragen. Für den Menschen gilt: Er ist zoon logon echon, ein Lebewesen, das Sinn, Verstand und Vernunft, Geist hat. Er ist homo pictor, in der Lage, sich ein Bild zu schaffen und es nicht mit der Realität zu verwechseln. Er kann als animal sociale, als soziales und mit anderen Wesen zusammenlebend gedeutet werden, und wird als animal symbolicum bezeichnet, als Lebewesen, das sich Symbole schafft und mit in Symbolen denken und leben kann. Er ist homo sapiens, wissender Mensch, und darin auch homo faber, schaffender und schöpferischer Mensch, der sich als homo negans unterscheidend abwenden bzw. liebevoll zuwenden kann. Und er ist der homo ludens, der zweckfrei handelnde und darin spielende Mensch. All diese Wesenszüge können Sie im Gottesbild erkennen, wenn Sie es wollen.

Spätestens aber, wenn Sie an der Krippe stehen, können Sie, wenn Sie der christlichen Theologie trauen, im dort liegenden kleinen Menschen den Gott sehen, auf den alle Zuschreibungen des Menschen auch zutreffen. Das ist sicher eine, nur eine der Aussagen, die mit dem Stichwort „Menschwerdung“ oder „Gottgleichheit“ und „Ebenbildlichkeit“ gemeint sein könnte.

» Nach Ansicht der Heiligen Drei Könige hat Gott die Menschen ein wenig verwöhnt, weil er zu viel auf einmal erschaffen hat. Er hat so viele seltsame Dinge erschaffen, dass viele Menschen Gott nicht mehr sehen. Aber auf diese Weise hat er sich auch selber verstecken können. Das wäre ihm nicht gelungen, wenn es nur vier Menschen, drei Bäume und acht Kamele in der ganzen Schöpfung gäbe. Wenn es im Meer nur einen einzigen Fisch gäbe, dann hätten die Menschen sicher gesehen, wie vollkommen er wäre. Und sie hätten sich zudem gefragt, wer ihn gemacht hätte. «
Gaarder, Jostein (1998): Das Weihnachtsgeheimnis, 3. Aufl., München, 75.

Der Stern über Bethlehem – Zeichen des „Deus ludens“[2]

 In meinem Denken und Empfinden auf Gott hin ist der spielende Gott ein wichtiger Baustein. Ich meine kein Spiel wie Dame, Mühle oder Schach, in der einer der Spielenden einen Zug tut und der oder die andere „antwortet“. Das wäre eine „Do, ut des“-Partie, ein „ich gebe, damit Du gibst“; da wäre für mich die gottgegebene und gottgewollte Freiheitnicht mehr drin!

Mit Gott spielen, eine Zeit, eine Lebenspartie vielleicht, hat eher mit dem Versteckspiel zu tun. Jostein Gaarder schreibt in seinem Buch „Das Weihnachtsgeheimnis“: „Nach Ansicht der Heiligen Drei Könige hat Gott die Menschen ein wenig verwöhnt, weil er zu viel auf einmal erschaffen hat. Er hat so viele seltsame Dinge erschaffen, dass viele Menschen Gott nicht mehr sehen. Aber auf diese Weise hat er sich auch selber verstecken können. Das wäre ihm nicht gelungen, wenn es nur vier Menschen, drei Bäume und acht Kamele in der ganzen Schöpfung gäbe. Wenn es im Meer nur einen einzigen Fisch gäbe, dann hätten die Menschen sicher gesehen, wie vollkommen er wäre. Und sie hätten sich zudem gefragt, wer ihn gemacht hätte.“[3]

Der Versteck spielende Gott: Sei es, dass er sich selbst versteckt, sei es, dass er anderes für mich versteckt, ich bin davon überzeugt, dass ich ihn finden kann und den – die – das finden kann, den – die – das er für mich versteckt hat (besser vielleicht: mir offenbaren, mir schenken, mir zustecken will). Es gilt, die Zeichen zu entdecken, die Hinweise zu erspüren, die Sinne (vor allem sie!) offen zu halten, um ihm als dem Verborgenen oder um dem von ihm Verborgenen auf die Spur zu kommen.

Sie können die Erzählung von „seinem Stern“, dem Stern des neugeborenen Königs, als eine der Spiele Gottes nehmen – neben der Darstellung im heutigen Evangelium gibt es eine Menge Legenden und Motive, die sich um dieses Spiel Gottes mit den drei Sterndeutern[4] ranken. Gehen Sie dann ein paar Tage zurück, so kommt der Engelins Spiel (!), der den Hirten auf dem freien Felde verkündet, was geschehen ist; oder der Stall, in der Christus geboren wird. Gott spielt – und die Aufgaben von Josef und Maria, die Aufgabe der Hirten und der Sterndeuter, ist es schlicht, die Regeln zu verstehen und mitzuspielen. So geht der Weg zum menschgewordenen Gott, und so geht der Weg des gottebenbildlichen Menschen. Das gilt bis heute.

» Dilige et quod vis fac.« -
» Liebe und tu, was Du willst. «
Die Spielregel Gottes!
Augustinus von Hippe: In epistulam Ioannis ad Parthos, tractatus VII, 8.

Die Legende vom vierten König

Wie Gott mit oder besser für die Menschen spielt, erzählt die Legende vom vierten König – lassen wir es jetzt bei der Frage, ob Weise, Sterndeuter oder eben „Könige“. Schon der Dreikönigsschrein im Kölner Dom zeigt diesen vierten König, der hinter den anderen dreien beinahe herhinkt, der jedenfalls nicht in der ersten Reihe spielt. Er bricht mit den anderen drei Königen auf, erreicht aber sein Ziel erst drei Jahrzehnte später, und die Gaben, die er dem neugeborenen König mitbringen wollte, hatte er auf seiner Reise und während seiner Stationen für Werke der Barmherzigkeit, im Dienst der Armen und Kranken, aufgebraucht. In Jerusalem angekommen, kommt er mit leeren Händen zur Kreuzigung Jesu nach Golgotha.[5]

In dieser Legende werden die Spielregeln des Deus ludens, des spielenden Gottes gut deutlich: Es geht – eine kleine Auswahl – um Ermutigung zum Gehen, nicht um ein vorgegebenes Ziel, das es zu erreichen gilt; es geht um einen angemessenen Einsatz der Gaben, die der mitspielende Mensch quasi auf der Hand oder in seinem Kartenstapel hat, und um die rechte Wahl der Ereigniskarten, die auf dem Weg gespielt werden. Es geht nicht um das Horten der Schätze, sondern darum, zur rechten Zeit die Trümpfe aufzuspielen, die ich habe, und mit den minderwertigen KartenGott anzuspielen, in der Hoffnung, dass er „übernimmt“.

Die Geschichte der drei Sterndeuter/Weisen/Könige zeigt: Sie kommen mit dem Bösen, mit dem Tod, mit den Verfolgern in Berührung und werden nicht verschont. Dafür steht der König Herodes! Aber die Geschichte zeigt auch: Die Drei können spielerisch, traumwandlerisch den sich versteckenden Gott finden, ihn anbeten und im Hören auf die Träume, im Abwägen der Situation dem Bösen aus dem Wege gehen.

Gott spielt Verstecken, aber nur, weil er gesucht werden und sich finden lassen will. Die Regeln dazu überlässt er weitgehend Ihnen und mir. Also: Auf geht’s!

Amen.

Köln 03.01.2023
Harald Klein

[1] vgl. dazu Gerhardt, Volker (2019): Humanität. Über den Geist der Menschheit, München, 118.

[2] Lersch, Martin (1980): „Deus ludens“ – Der spielende Gott. Überlegungen im Ausgang von Spr 8,22-31, [online] https://bibliographie.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/121064/Lersch_013.pdf?sequence=1 [03.01.2023]

[3] Gaarder, Jostein (2002): Das Weihnachtsgeheimnis, München, 75.

[4] Eine kurze Übersicht bietet das Bonifatiuswerk auf [online] https://heilige-dreikoenige.de/de/geschichte/legendarische-und-literarische-interpretation.html [03.01.2023]

[5] Vgl. Schaper, Edzard (2008): Die Legende vom vierten König, Zürich.