Erscheinung des Herrn – Aufbrechen, Anbeten, Heimkehren

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„No Names“ oder „All inclusive“?

Wie aus dem Nichts, so tauchen die Sterndeuter aus – nur der Hinweis „aus dem Osten“ ist bei Matthäus überliefert. Weder Könige waren sie, noch sind die Herkunftsländer oder ihre Anzahl genannt – dass es drei sind, wird aus den Geschenken für den Gottessohn, aus Gold, Weihrauch und Myrrhe, vermutet. Und ihre Namensnennung als Caspar, Melchior und Balthasar, ist in den lateinischen Geschichtsversionen erst seit dem 6. Jahrhundert im Einsatz. Die Namen haben orientalische Bedeutungen: „Caspar“ ist persischer Herkunft und bezeichnet den „Schatzmeister“, seine Gabe ist das Gold. „Melchior“ ist hebräischen Ursprungs und bedeutet „König des Lichts“; Er bringt Weihrauch als Gabe dar. Und Balthasar hat einen babylonisch-hebräischen Ursprung und meint „Gott wird helfen“; sein Geschenk ist die Myrrhe. Spannend ist auch, dass bei syrischen, armenischen und äthiopischen Christen die Sterndeuter ganz andere Namen tragen. Historisch wird die Existenz der drei Sterndeuter mit guten Argumenten angezweifelt. Umso verrückter erscheint es, dass die Stadt Köln ihren Wohlstand und ihre Bedeutung im Mittelalter den aus Mailand – sagen wir mal „überführten“ – Reliquien der Hl. Drei Könige verdankte.

Man könnte die Sterndeuter, besser vielleicht als Magier oder Weisen, aber eigentlich als „no names“ bezeichnen; sie werden nicht beim Namen genannt, und die Vielzahl der Namen bzw. die Festlegung auf einen unbekannten Namen ist eher ein Versuch, ihnen Biographie und Gesicht zu geben, als dass es der Historie entsprungen ist. Ich bin überzeugt, dass das stimmt – aber ich bin auch überzeugt, dass gerade in diesen „no names“ die Möglichkeit liegt, mir einen von ihnen zu suchen und ihm meinen Namen zu geben. Dann wird aus den „no names“ ein „all inclusive“, weil in dieser „Königsfigur“ in Bethlehem alles ist, was mich ausmacht. Und dann wird es spiritual echt spannend.

» Du wurdest geboren,
um die Herrlichkeit Gottes
zu verwirklichen,
die in uns ist.
Sie ist nicht nur
in einigen von uns,
sie ist in jedem Menschen. «
Nelson Mandela (1981-2013)

Die Herkunft: Wurzeln schlagen

Die erste und für uns offene Frage: Wo kommen die Sterndeuter her, was ist ihre Heimat, gemeint als innere und äußere Heimat? Wo sind sie zu Hause, besser vielleicht: Bei wem sind sie zu Hause? Welche geistigen, geistlichen, zutiefst menschlichen Wurzeln geben ihnen Halt, wo und worin haben sie wohl Wurzeln geschlagen?

„No names“ – Ich weiß die Antwort eben so wenig wie Sie. Oder „all inclusive“: Wenn ich in eine der Figuren der Sterndeuter schlüpfe, dann kann ich die Frage nach meiner Herkunft, nach meiner Heimat, nach den mir Halt gebenden Wurzeln beantworten. Mein Leben im Alltag – Soweit, so gut. Herkunft, Heimat, Halt – Rose Ausländer umschreibt das lyrisch mit den Begriffen „Brot Wort Umarmung“.

Der Aufbruch: Dem „Stern“ folgen

Das alltägliche Leben der Sterndeuter wird aufgebrochen, durch was eigentlich? Sie hätten den Stern des neugeborenen Königs aufgehen sehen, weit im Osten, und seien gekommen, um ihm zu huldigen, so berichten sie im Evangelium dem Herodes. Was das wohl für ein Stern gewesen sein mag – noch ein „no name“ in dieser Geschichte.

Und doch ist die entscheidende Frage für mich, was das für ein „Stern“ sein muss, dem ich nachfolge, der mich zu Aufbruch aus Heimat, Herkunft, Halt verlockt, der eine tiefere Erfahrung von „Brot, Wort, Umarmung“ verheißt.

Sie spüren ganz schnell, dass es hier nicht um „gute Vorsätze“ am Jahresbeginn geht, sondern um Sehnsucht, um Vertiefung, um ein neues Verwurzeln, das mehr Frucht und mehr Blüte verheißt. Gut, dass der „Stern“ keinen Namen hat – ich kann ihn selbst benennen und ihm einen Namen geben; er wird vom „no name“ zu einem Licht, zu einem Brot, das „alle Erquickung in sich birgt“, um ein altes Fronleichnamsgebet zu zitieren. Da ist es wieder, das „all inclusive“.

Die Ankunft: Ich steh an deiner Krippen hier“

Der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zieht nach der Episode bei Herodes vor ihnen her, bleibt an einem Ort stehen, was die Sterndeuter mit sehr großer Freude erfüllt. Sie gehen in das Haus und sehen das Kind und Maria, seine Mutter, fallen nieder und huldigen dem Kind. Nur Maria wird mi Namen genannt. Das Kind ist hier ein „no name“. Und neben Maria ist nur der König Heroldes beim Namen genannt. Zwei Punkte, eine Antipode! Der Herrscher, der vor dem neugeborenen König erschreckt – als fürchte er, dass der neugeborene König in sein Weißes Haus einzöge – und als Gegenbild Maria, die dem neugeborenen König eine Wohnung bereitete, in der er leibhaftig wohnte und zur Welt kam. Von Herodes in seiner Pracht kommend, um dann an diesem Ort – von Krippe ist bei Matthäus keine Rede – und angesichts des Kindes in die Knie zu gehen: Was hat sich für die Sterndeuter da an diesem Ort erfüllt? Was ist das für mich, was ist es für Sie, was Sie dort in der Krippe finden? „Ich sehe dich mit Freuden an / und kann mich nicht satt sehen. / Und weil ich nun nicht weiter kann, / bleib ich anbetend stehen. / Ach, dass mein Sinn ein Abgrund wär‘, / und meine Seel ein weites Meer, / dass ich dich könnte fassen“ hat der lutherische Komponist Paul Gerhardt 1653 gedichtet. Den menschgewordenen Gott finden an einem Ort, in einem Menschen, in mir selbst, in Dir – so, dass ich nicht weiter kann und anbetend innehalte. Noch mag die Suche nach einem „no name“ gehen, aber wenn sie erfüllt ist, ist es ein „all inclusive‘“.

Die Schätze: Gold, Weihrauch und Myrrhe

„Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Schon auffällig, dass die Schätze beim Namen genannt sind, die jedoch, die sie schenken, nicht. Wenn ich mich in einen Sterndeuter hineinversetze, möchte ich meine Geschenke gerne auch benennen können.

Da bin ich Rose Ausländer sehr dankbar. Vielleicht ist das Geschenk, das ich denen geben kann, in denen mir Christus ganz nahe ist, am schönsten umschrieben mit „Brot, Wort, Umarmung“. Und vielleicht weiß ich mich bei Christus da angekommen, wo mir „Brot, Wort und Umarmung“ gewährt wird. Hier gibt es kein „no name“ mehr, hier könnte ich Namen nennen, und hier können Sie Namen nennen. Und das Wunderbare: „Brot, Wort und Umarmung“ meint meist mehr, meint oft ein „all inclusive“.

Das Traumgebot

Bleibt ein Letztes: „Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Heroldes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.“ Ein Stern ist es, der hinführt, ein Traum und ein Traumgebot ist es, der heimführt. Sie müssen hellwach sein, um den Traum zu verstehen, um ihm zu folgen. Sie kehren zurück, auf anderen Wegen, als sie hergekommen sind. Sie kommen als „no names“ zurück, und tragen alles in sich, was sie wirklich erfüllt, „all inclusive“.

Vielleicht ist das „Erscheinung des Herrn“: Als einer, der in die Figur eines der Sterndeuter geschlüpft ist, lese ich diese Episode als Rückkehr zu dem Ort, an dem ich schon lange Wurzeln geschlagen habe. Ich lasse mich im Gewohnten aufbrechen, breche zu Gewohntem neu auf. Ich richte meinen Blick auf das, was mich mit Freude erfüllt, besser: auf die, die mich mit Freude erfüllen, und ahne Christi Gegenwart in ihnen, sehe sie als Geschenk dessen, der in der Krippe liegt. Ihnen, und in ihnen Christus, will ich meine Geschenke darbringen, Brot, Wort, Umarmung. Und von ihnen lass ich mich beschenken: Brot, Wort, Umarmung.

Ich gehe die gleichen, die gewohnten Wege, aber ich gehe sie anders. Ein „no name“ vielleicht, aber „all inclusive“.

Amen.

Köln, 05.01.2021
Harald Klein