Erscheinung des Herrn: „Undsinn“ – „Zuverzicht“ – „Zukunst“

  • Anstößig - Darüber lohnt es zu reden
  • –   
  • –   

Geschenke – auf Gegenwart hin und von Zukunft her

Das in unserer Gegend als Dreikönigsfest bekannte und mit Sternsingerinnen und Sternsingern gefeierte Hochfest „Erscheinung des Herrn“ wird in der Liturgie, in den Riten und Gebräuchen der Kirche und ihrer Gottesdienste, genauso wie der Gründonnerstag in der Karwoche „präsentisch“ gefeiert. In der „Feier des letzten Abendmahles“ am Gründonnerstag wird den „Einsetzungsworten“ ein kleiner Einschub zugefügt. Der Priester betet: „Am Abend vor seinem Leiden – und das ist heute – nahm er das Brot und sagte Dank, brach es, gab es seinen Jüngern und sprach…“.

Die Liturgie versucht so, einen Gegenwartsbezug um Geschehen im Abendmahlssaal herzustellen, der alle, die den Gottesdienst mitfeiern, nicht in den Abendmahlssaal Jesu zurückversetzt, sondern umgekehrt das Geschehen in diesem Saal jetzt vor Ort hineinversetzt, präsentisch, gegenwärtig macht. Das bekannte Tischgebet „Komm, Herr Jesus, sei Du unser Gast“ hat Jesus schon vor unserem Beten erhört, er ist gegenwärtig, präsentisch, mitten unter uns, vielleicht sogar greifbar einer oder eine, greifbar in einem, in einer von uns.

Am Abend des 06. Januar eines jeden Jahres geschieht das ähnlich in der Vesper des Dreikönigsfestes, besser in der Vesper des Hochfestes „Erscheinung des Herrn“. Dreimal, so die Antiphon, die Einleitung zum Magnificat, zum Gesang Mariens, der täglich in der Vesper gebetet wird, sei Christus erschienen, und diese Erscheinung setze sich fort: „Heuteführte der Stern die Weisen zur Krippe; heute wurde Wasser zu Wein bei der Hochzeit; heute wollte Christus im Jordan von Johannes getauft werden.“

Wenn es Dich dahin lockt, überlasse ich es Dir, die Bedeutung dessen zu erahnen, was dieses dreifache Heute eben heute für Dich und Deine eigene Spiritualität oder Frömmigkeit bedeuten haben kann, und welche Bedeutung es hat, wenn morgen dann wieder ein Heute ist. Hinweisen möchte ich Dich aber gerne an das 1992 erschienene Jahresbegleitbuch von Frère Roger, dem Gründer der Gemeinschaft von Taizé, das den Titel „Jeder Tag ein HeuteGottes“ trägt, an die Vaterunser-Bitte „Unser tägliches Brot gib uns heute“ und an das schöne Sakramentenverständnis, das ich von P. Peter Knauer SJ (1935-2024) kenne: Einen Kindergeburtstag oder einen Hochzeitstag o.ä. feiern heißt, heute etwas besonders betrachten und wertschätzen, und etwas Ausdruck zu verleihen, was doch immer gilt – die Liebe er Eltern zu ihrem Kind, die Liebe zweier Menschen zueinander. Diese Verbindung zwischen den Heute und dem Immerist nicht nur eine wirkursächliche i.S.v. viele Heute bilden ein Immer; die wirkursächliche Zielrichtung kann auch umgekehrt sein i.S.v. was für immer zugesagt wird, muss auch für heute Gültigkeit haben.

» Mein sind die Jahre nicht,
Die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Jahre nicht,
Die etwa möchten kommen;

Der Augenblick ist mein,
Und nehm ich den in acht
So ist der mein,
Der Jahr und Ewigkeit gemacht. «
Gryphius, Andreas (1616-1664): Betrachtung der Zeit

Die Geschenke der Heiligen Drei Könige – auf Zukunft hin

Dass die vom Stern zur Krippe geführten Heiligen Drei Könige – das Wort „König“ kommt in diesem Zusammenhang in den Evangelien nicht vor! Ich nutze lieber „Sterndeuter“ oder noch lieber „Weise“– drei Geschenke dabeihatten, ist in der Volksfrömmigkeit noch gut im Bewusstsein[1]: Gold, Weihrauch und Myrrhe – allesamt Geschenke, die für die Zukunftdes Kindes in der Krippe von Bedeutung werden: Gold für den Himmelskönig Jesus, Weihrauch für die Göttlichkeit Jesu, Myrrhe für den Arzt und Heiler Jesus – und für dessen Einbalsamierung.[2]

» Maria sah die drei Weisen um Verzeihung bittend an. ‚Josef‘, erklärte sie nachsichtig, ‚ist recht weltlich. Er hat Hunger!‘ In Caspars Gesicht breitete sich ein breites, erleichtertes Grinsen unverfälschten Glücks aus, und er stand langsam auf. ‚Da‘, sagte er fröhlich, ‚kann ich helfen!‘ «
aus: Arenz, Ewald (2020): Plötzliche Bescherung, Cadolzburg, o.S.

Die Geschenke der Drei Weisen – auf Gegenwart hin

Der „Andere Advent“, ein Adventskalender von „Andere Zeiten e.V.“ bot in der gerade vergangenen Adventszeit zum 26.12. eine kurze Geschichte von Ewald Arenz an, in der Caspar, einer der Drei Weisen, sein Geschenk wohl im Palast des Herodes verloren; das Gold ist weg, und in seiner Tasche war nur noch ein Ziegenkäse und ein paar Münzen. Melchior und Balthasar sind sauer. „‘Die heilige Zahl ist Drei. Dreieinigkeit. Drei Weise. Drei Geschenke. Nicht zwei!‘“ Caspar beschließ, statt des Goldes nun den Inhalt seines Geldbeutels zu schenken. „‘Na gut‘, murmelte er, ‚Geld kann man ja immer schenken. Ist vielleicht nicht heilig, und verbrennen  kann man es auch nicht, aber immerhin ist es Gold.‘“ Sie kommen zur Krippe, verneigen sich, breiten ihre Geschenke vor Maria und Josef aus. „Maria lächelte, und Caspar atmete erleichtert auf. Aber dann sah er Josef, der Weihrauch, Myrrhe und Gold ein wenig gequält musterte. […] Maria sah die drei Weisen um Verzeihung bittend an. ‚Josef‘, erklärte sie nachsichtig, ‚ist recht weltlich. Er hat Hunger!‘ In Caspars Gesicht breitete sich ein breites, erleichtertes Grinsen unverfälschten Glücks aus, und er stand langsam auf. ‚Da‘, sagte er fröhlich, ‚kann ich helfen!‘ Zwei Augenblicke später standen Caspar und Josef glücklich kauend neben Caspars Kamel vor dem Stall. ‚Ziegenkäse‘, sagte Josef mit vollem Mund, ‚mag ich wirklich gern.‘ Und über dem Stall funkelte der Stern hell und freundlich.“ [3]

Josef sei recht weltlich, sagt Maria, er habe Hunger. Auch hier überlasse ich Dich gerne wieder Deiner eigenen Gedanken und Deinem Gespür dafür, was diese kleine Geschichte, die Denkweisen der „Weisen“ bzw. der „Könige“, das Handeln der unterschiedlichen Personen und vielleicht vor allem ihre von Dir imaginierten Gesichtsausdrücke in Dir auszulösen vermögen.

» Blüh auf, gefrorner Christ,
der Mai ist vor der Tür,
du bleibest ewig tot,
blühst du nicht jetzt und hier. «
Angelus Silesius (1624-1677): Jetzt musst du blühen (aus: ders: Epigramme)

Drei Geschenke aus Gegenwart in Richtung Zukunft

Und jetzt wir! „Ich steh‘ an Deiner Krippen hier“: Das ist – zugegeben – eines meiner liebsten Weihnachtslieder, deswegen gebe ich ihm einen Platz in der Predigt am Hochfest „Erscheinung des Herrn“, stelle mir vor, die Drei Weisen würden es mit mir (und gerne auch mit Dir) an Jesu Krippe singen – und nach den Drei Weisen würde ich (auch gerne mit Dir) meine/unsere drei Geschenke weiterreichen.

Ich habe sie mir von zwei Sprachakrobaten  – um es vorsichtig zu formulieren – entliehen, vom Duo „Ulan & Bator“[4]. Hinter den Künstlernamen verbergen sich Sebastian Rüger und Frank Smilgies, die sich im Kölner Raum großer Beliebtheit erfreuen. Am 11.11.2024 – das Datum ist unglücklich gewählt – fand in der Reihe „Das philosophische Radio“ ein Dialog zwischen dem Moderator Jürgen Wiebicke und dem Philosophen, Medizinethiker und Theologen Jean-Pierre Wils zu dessen Buch „Verzicht und Freiheit“[5] statt, das seit dem 01.Advent so etwas wie die Grundlage des „auf Links gedrehten“ Evangeliums ist.[6] Als erster am Telefon rief Sebastian Rüger beim „Philosophischen Radio“ an. Er wies auf die Rolle der Sprache im Zusammenhang mit den Frage nach Klimakatastrophe, nach Verzicht und Freiheit hin. Dabei nannte er drei sprachakrobatisch leicht verändere Begriffe, auf die es in der Gegenwart und für die Zukunft ankomme: aus „Unsinn“ wird „UndSinn“, aus Zuversicht“ wird „Zuverzicht“, und aus „Zukunft“ wird „Zukunst“.

So, und hier lass uns den Kreis schließen. Drei Punkte scheinen mir evident: (1) „Ich steh‘ an Deiner Krippen hier‘ – das meint nicht nur die hölzerne Krippe in meinem Wohnzimmer, das meint Dich und mich, nebeneinander gehend, beieinander sitzen und weihnachtlich glauben dürfend, dass in Dir und in mir Christus Mensch geworden ist. (2) Die Frage der Geschenke – anfangen damit, dass wir einander „geschenkt“ sind, vielleicht schon seit langer Vergangenheit, sicher jetzt im Moment, Du würdest das hier sonst nicht lesen, und vielleicht auf Zukunft hin, wer weiß!? (3) Und was ich Dir gerne schenkte, und mir gleichzeitig von Dir wünsche, das sind die drei von Ulan & Bator sprachakrobatisch veredelten Worte und Haltungen: In den vielen gegenwärtigen Erfahrungen von Unsinn in beinahe allen Sparten des Lebens „UndSinn“ erfahren, mit Dir, durch Dich von mir auf Dich hin. Um des Lebens willen, sei es unser beider Leben, sei es das „große“ Leben und alles, was dazugehört, und in allem, was Angst macht, wieder zuversichtlich werden und bleibe. Um der Einfachheit und um der inneren Freiheit, aber auch um der größeren Verantwortung für das Leben wegen mehr „Zuverzicht“ wagen; und wenn die Drei Weisen (und Du und ich) heute noch an der Krippe stehen, werden sie (und wir) doch aufbrechen in eine Zukunft hinein, von der sie (und wir) wissen: Wir brauchen neue Wege! Die alten Wege und die alte Herrschaft ist auf Tod und Verderben aus – von dort kommt kein Leben mehr. Aus unserer Zukunft muss eine „Zukunst“ werden, der es gelingt, neues Leben in neuen Formen des Zusammenlebens trotz unglaublich vieler Widerstände und Schäden fördern zu können.

Drei Geschenke aus der Gegenwart in Richtung Zukunft: „UndSinn“, „Zuverzicht“, „Zukunst“. Für das Jesuskind, und gerade so, gerade deswegen für Dich und mich, und von Dir und mir. Und das ist Heute!

Amen.

Köln, 05.01.2025
Harald Klein

[1] … oder auch nicht, das beweist ein Blick auf ein Ratespiel: [online] https://www.youtube.com/watch?v=goGXCOElyxM [05.01.2025]

[2] Eine schöne Ausdeutung der „Geschenke“ findest Du über das Bonifatiuswerk auf [online] https://heilige-dreikoenige.de/de/symbolik/gold-weihrauch-myrrhe.html [05.01.2025]

[3] Die Geschichte ist entnommen aus Arenz, Ewald (2020): Plötzlich Bescherung, Cadolzburg, o.S.

[4] vgl. [online] https://ulanundbator.de [05.01.2025]

[5] Wils, Jean-Pierre (2024): Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft, Stuttgart.

[6] vgl. [online] https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-das-philosophische-radio/jean-pierre-wils-verzicht-und-freiheit-100.html[05.01.2025]