Fest der Heiligen Familie – Beziehungs:weise Familie

  • Auf Links gedreht - Das Evangelium
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Familienratgeber im Abonnement

Seit 1956 gibt es die Zeitschrift BRIGITTE, zehn Jahre später, 1966, erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift ELTERN, im Jahre 1983 erschien die erste Ausgabe von BILD DER FRAU, und die Männer haben seit 1996 mit MEN`S HEALTH nun auch ihren eigenen Ratgeber in Printform entdeckt. Vierzig Jahre sind damit abgedeckt, in denen Männer und Frauen in Printmedien nachlesen können, wie ihr Leben als Mann, als Frau oder in den vielen Formen von Partnerschaften glücken kann. Und wenn man nach den Ratgebern für die Jugend schaut – die erste BRAVO kam auch 1956 heraus und feierte vor vier Jahren ihren 60. Geburtstag. Die ersten Leserinnen und Leser der ersten Ausgabe von BRAVO könnten heute bequem Großmütter und Großväter sein, und vielleicht erinnern Sie sich einmal daran zurück, wie das mit Ihren BRAVO-Erfahrungen war, oder mit ELTERN, BRIGITTE, BILD DER FRAU oder MEN‘S HEALTH, aber vielleicht war ja für die Männer die ADAC-Motorwelt (bereits 1903 erstmals erschienen)  oder SPORTBILD (1988 erstmals erschienen) wichtiger.

In Ratgebern steht oft periodisch wiederkehrend das Gleiche, weil sich die Fragen nicht ändern, nur die Lebenslagen, in denen die Abonnenten sind. Und spätestens dann, wenn die gleichen Inhalte wiederkommen, werden Leserinnen und Leser die Abonnements kündigen oder sich nach weiterführenden Zeitschriften umsehen.

Familienratgeber in neutestamentlicher Zeit

Die Frage ist, ob die Heilige Familie einen Familienratgeber brauchte und deswegen heilig wurde, oder ob sie deswegen Heilige Familie ist, weil sie es von Anfang an war und eben keine Ratgeber brauchte. Was ist Ursache, was ist Wirkung?

Das Evangelium gibt eine klare Antwort: „Als sich für die Eltern Jesu die Tage der vom Gesetz vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinaus, um es dem Herrn darzustellen, wie es im Gesetz des Herrn geschrieben ist.“ Der Ratgeber der Heiligen Familie ist deutlich früher erschienen als sogar die ADAC-Motorwelt – im Gesetz des Herrn ist festgehalten, fast festgemauert, was als Familie zu tun und was zu lassen ist. So machen es alle Familien, die zum Herrn gehören, und deswegen kann es nicht falsch sein. Das verschafft Identität, Zugehörigkeit, Sicherheit im Umgang. In archaischer Zeit sind Riten, Rollen, rechtes Verhalten festgeschrieben. Die Heilige Schrift als Ratgeber.

Familienratgeber in postmoderner Zeit

Die Heilige Schrift als Ratgeber, festgeschriebene Riten, Rollen und festgeschriebenes rechtes Verhalten – das funktioniert heute nur noch sehr bedingt. Identität, Zugehörigkeit und Sicherheit im Umgang geschieht nicht in der Erfüllung des Wortes der Heiligen Schrift, sondern hoffentlich im Leben aus dem Geist, der auch die Heilige Schrift inspiriert – aus dem Geist, der über die Heilige Schrift weit hinausgeht. In der Vielfalt der Lebensentwürfe, in den Gebrochenheiten des Lebens, in den Unsicherheiten der Zukunft und in der Annahme der eigenen Vergangenheit kann der Buchstabe der Schrift, kann das geschriebene Gesetz gar nicht mehr ausreichen, weil sich so vieles Neues entwickelt hat – und man ist in der Versuchung der Abonnenten der Familienratgeber, das Abo mit der Bibel zu kündigen, weil nichts Neues darin steht. Und doch ist es der Geist, der lebendig macht, der über das Gesetz und über den Wortlaut der Heiligen Schrift hinausgeht.

Das ist das erste in geistlicher, in spiritueller Hinsicht: Der Geist, nicht das Gesetz, bildet und führt Familien.

Familie als Beziehung

Und ein Zweites: Wenn der Geist, nicht das Gesetz heute Familien bildet und führt, ist die Frage in den Familien nicht mehr „Was müssen wir tun, um ein Gesetz, eine Erwartung, eine übliche Vorgabe zu erfüllen?“ Die Frage ist vielmehr: „Wo stehen wir? Und was ist jetzt dran? Wohin lockt uns der Geist? Was führt weiter, führt zu mehr Lebendigkeit? Was dient unserer Beziehung? Wer dient wem und wie in unserer Beziehung? Familie ist mehr als eine Gesellschafts- und Lebensform zweier Menschen, sie ist eine Beziehungsweise von Menschen, die ihr Leben miteinander teilen und in ihrem Leben füreinander einstehen wollen. Das hat mit Entscheidung und Entschiedenheit zu tun, mit Eintreten füreinander und Teilen von Vielem miteinander zu tun. Es braucht sicher Herzblut füreinander, aber auch Klugheit, um Familie als Beziehung und umgekehrt Beziehung als Familie zu leben; so entsteht eine „beziehungs:weise Familie“.

Beziehungs:weise Familie – Familie über das Gesetz(te) hinaus

Dieses Bild von Familie nimmt der Heiligen Familie und der Familie im bürgerlichen Sinne nichts weg. Eine beziehungs:weise Familie geht aber über das vom Gesetz verlangte oder ermöglichte hinaus, denkt weiter. Vielleicht kann Jesu Verhältnis zu seiner Apostelschar in diesem Bild der „Beziehungs:weise“ entdeckt werden? Oder die Freundschaft von Jesus zu Martha, Maria und Lazarus, die er nach Joh 11,5 „liebte“? Oder die Beziehung von Jesus zu Johannes, dem „Jünger, den er liebte“. Allemal sind viele „Beziehungs:weisen“ Jesu in den Evangelien zu entdecken, die keine „Familie“ im Sinne des Gesetzes Israels sind. Vielleicht kennen Sie Verbindungen von Menschen untereinander, auch kleine Gruppen, die „familiär“ miteinander umgehen, ohne „Familie“ im herkömmlichen Sinne zu sein? Wie füllen sie, diese Gruppen, und wie füllen Sie selbst den Begriff „familiär“? Vielleicht sind manche Gruppen in Geistlichen Gemeinschaften solche „beziehungs:weisen Familien“, oder Freundeskreise, in denen eine hohe Vertrautheit herrscht und ein Einstehen füreinander gelebt wird?

Jesus als Familienratgeber

Für mich ist dieses Fest der Heiligen Familie ein Grund, dankbar auf meine „beziehungs:weise Familie“ zu schauen. Es macht einen Unterschied, sich als „ehelos“ zu sehen oder als „beziehungs:weise“. Es ist ein Gewinn, sich nicht ohne „eigene Familie“ zu sehen, sondern als einer „beziehungs:weisen“ Familie zugehörig.

Wenn es dafür einen Familienratgeber braucht, wird das weder das ELTERN-Heft, noch die neueste Ausgabe von BRIGITTE oder MEN‘S HEALTH sein. Da verlasse ich mich auf Weihnachten, auf den „Messias“ von Händel und darin auf den Chor unter Nummer 11: „Denn es ist uns ein Kind geboren, uns zum Heil ein Sohn gegeben. Und die Herrschaft soll auf seiner Schulter liegen. Und sein Name soll heißen: Wunderbar, Ratgeber, der starke Gott, der ewige Vater und Friedensfürst.“ Jesu beziehungs:weises Leben mag Modell und Rat gebend sein für meines, für unseres und Ihres. Eine. Form der Nachfolge Jesu: den Geist erspüren – tun, was dran ist – beziehungs:weise Familie leben.

Statt Amen – vielleicht BRAVO!

Dresden, 26.12.2020
Harald Klein