Gründonnerstag – Hören auf den Weggefährten, den Verleugner, den Helden

  • Auf Links gedreht - Das Evangelium
  • –   
  • –   

Das Evangelium von Jesu letztem Abendmahl  und vom Gebet am Ölberg

Zwischen der Ankunft Jesu in Jerusalem und seinen letzten Tagen dort in Lk 17 liegen im Lukasevangelium noch drei Kapitel. Die Texte stellen dir eine Auseinandersetzung Jesu mit den religiösen Obrigkeiten seiner Zeit vor Augen. Dazu gehören die Ankündigung über die Zerstörung Jerusalems, die Tempelreinigung, in der Jesus mit einer Geißel die Händler aus dem Tempelt vertreibt, die Frage der Höhenpriester nach der Vollmacht Jesu, das Gleichnis von den bösen Winzern, die erst die Gesandten und schließlich den Sohn des Besitzers des Weinberges ermorden, die Fangfrage nach den kaiserlichen Steuern sowie die Frage nach der Auferstehung der Toten und nach dem Messias aus dem Hause David sowie Wehrufe Jesu über die Schriftgelehrten. Die arme Witwe und ihr Opfer wird als Beispiel vorgeführt, schließlich stellt Lukas einige Aussagen Jesu über die Endzeit vor. Dann, in Kapitel 22, beginnt der Teil über das Leiden und die Auferstehung Jesu. All diese Texte der Auseinandersetzung, der Spannungen und Konflikte fehlen dir, wenn du dich – wie es die Liturgie vorsieht – vom Einzug Jesu in Jerusalem direkt in den Abendmahlsaal und in das Evangelium von der Fußwaschung zuwendest.

Ich vermute, dass diese Erzählungen dir bekannt sind. Falls Du sie nachlesen möchtest, die Szene mit der Fußwaschung findest Du in Joh 13, 1-15. Das Gebet Jesu am Ölberg, den Verrat des Judas, die Gefangennahme, die Verleugnung durch Petrus und die Verspottung der Wächter in Lk 22,39-55.

» Der erste Schritt der Phönixerfahrung: Die große Vorbereitung: Wenn der Phönix spürt, dass seine Zeit gekommen ist, trägt er die wertvollsten Materialien zusammen, um sein Nest zu bauen und sich auf das Ende vorzubereiten.«
Vonjahr, Anne (2023). Die Phönixerfahrung. Wie du auf einer magischen Reise deine Schatten heilst und dein wahres Selbst erkennst, München, 54.

Fußwaschung und Gebet am Ölberg als erster Schritt der Phönixerfahrung Jesu

Den Mythos von Phönix und die sechs Schritte der Phönixerfahrung in der Auslegung von Anne Vonjahr setze ich jetzt als bekannt voraus, in den „auf links gedrehten“ Gedanken zu den Sonntagevangelien habe ich immer wieder darüber geschrieben.

Heute geht es darum, die Szene vom letzten Abendmahl und der Fußwaschung durch Jesus als den ersten Schritt der Phönixerfahrung Jesu zu deuten. Anne Vonjahr betitelt diesen ersten Schritt mit „Die große Vorbereitung“ und erläutert: „Wenn der Phönix spürt, dass seine Zeit gekommen ist, trägt er die wertvollsten Materialien zusammen, um sein Nest zu bauen und sich auf das Ende vorzubereiten.“[1]

Wenn du das Evangelium von der Fußwaschung noch einmal liest, wirst du entdecken, warum in der Messe vom letzten Abendmahl eben nicht der Bericht über das Mahl, wie ihn die anderen Evangelisten ausmalen, sondern diese „Beigabe“ der Fußwaschung vorgetragen wird. Jesus trägt die wertvollsten Materialien zusammen, um sich auf sein Ende vorzubereiten. Das sind nicht Brot und Wein allein, das ist vielmehr die dienende Haltung, das ist die Weise, wie die Seinen aneinander und an sich selbst handeln sollen: dienend!

» Eine weitere lichtvolle Fähigkeit des Weggefährten oder der Weggefährtin besteht darin, ehrlich mit sich selbst zu sein und so auch ehrlich mit anderen umgehen zu können. Indem wir die lichtvolle Seite dieses Archetyps unserer inneren Welt in uns stärken, können wir uns selbst ein Fahrer Freund oder eine wahre Freundin sein. Die Liebe, Loyalität und Unterstützung, die wir anderen schenken, bringen wir auch uns selbst entgegen. «
Vonjahr, Anne (2024): Die Phönixkarten. 44 Archetypen für dein inneres Licht, Kiel, 177.

Die Perspektive des Weggefährten

Du kannst mit dem Teil deiner „inneren Bewohner“ in Kontakt treten, der sich der Weggefährte[2] nennt. Das ist der Bewohner in dir, der auch dem anderen, nicht nur dir, Gefährte ist. Er ist der, der schaut, mit wem er da unterwegs ist. Er ist der, der manchmal sehr vollmundig – wie Petrus – oder auch sehr verräterisch – wie Judas – sein Leben als Gefährte lebt. Im besten Fall sorgt er dafür, dass du ehrlich mit anderen und ehrlich mit dir selbst umgehst, in der Rolle und der Kraft des Weggefährten.

Eine einseitige Gefährtenschaft kann zu Abhängigkeit, Ausnutzung, Identitätsverlust und Vereinnahmung führen, das wäre die Schattenseite. Die Lichtseite des Weggefährten erweist sich in Unterstützung, Begleitung, Empathie, Loyalität, Vertrauen u.v.m.

In diesem ersten Schritt der Phönixerfahrung Jesu bringt er zum Abschluss, was er auf dem ganzen Weg von Galiläa nach Jerusalem intendiert und vorgelebt hat: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh13,14f). Das Wertvollste, was Jesus hat, sind seine Gefährten, und das Band, das zwischen ihm und ihnen und vor allem zwischen ihnen selbst geknüpft ist: ein band des Dienens und des Dienstes.

Nimm Platz im Abendmahlssaal. Schau dich um, hör zu, sieh, wie Jesus auf dich zukommt. Wie mag es stehen in deiner Gefährtenschaft zu Jesus, in der Gefährtenschaft Jesu zu dir, in der Gefährtenschaft mit denen, die im selben Geist unterwegs sind? Um das geht es ihm, um die Gefährtenschaft.

» Wenn du erlebst, dass Menschen in deinem Umfeld ein Problem verleugnen, dann erinnere dich, dass sich dahinter die Angst vor Veränderung und dem Verlust der Sicherheit verbirg. Es ist ei hilfloser Versuch, den Status quo zu verteidigen. «
Vonjahr, Anne (2024): Die Phönixkarten. 44 Archetypen für dein inneres Licht, Kiel, 169.

„Frau, ich kenne ihn nicht“ (Lk 22,57) – Die Stimme des Verleugners

Die Fußwaschungssehne im Abendmahlssaal und das Gebet am Ölberg können noch einen anderen „inneren Bewohner“ in dir wecken: den Verleugner. Die Szene vom Hahn in Lk 22,60, der dreimal kräht, nachdem Petrus seinen Herrn dreimal verleugnete, ist schon beinahe sprichwörtlich. Dem geht der knappe Dialog zwischen den beiden in Lk 22,33f voraus: „Darauf sagte Petrus zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.Jesus erwiderte: Ich sage dir, Petrus, ehe heute der Hahn kräht, wirst du dreimal leugnen, mich zu kennen.“

Es kann „Momente in unserem Leben geben […], in denen wir uns vor schwierigen Realitäten verschließen, um uns zu schützen. Verdrängen und Verleugnen sind keine gesunden Bewältigungsstrategien. Aber es gib Momente in unsrem Leben, in denen wir uns so überwältigt und traumatisiert fühlen können, dass wir Zeit benötigen, um uns zu erholen und zu beginnen, unsere Emotionen zu verarbeiten. In solchen Momenten kann das Verleugnen vorübergehend als Schutzmechanismus dienen, bis wir bereit sind, uns der Realität zu stellen und, wenn nötig, Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ [3] Anne Vonjahr macht mit Hinweis auf den „inneren Bewohner“ des Verleugners klar, dass weder du noch ich das Recht haben, Petrus als mit seinen drei Verleugnungen zu verurteilen! Als Lichtseiten des Verleugners nennt Vonjahr Selbstschutz, vorübergehende Erholung, emotionale Distanz, Augenblicke der Leichtigkeit in dunklen Zeiten, Regeneration; ich kann das für Petrus genauso vermuten wie für die Jünger, die während des Gebets Jesu am Ölberg im Garten Gethsemane gleich dreimal eingeschlafen sind. In der Verleugnung beharren bildet dann die Schattenseitenaus. Vonjahr nennt die Vermeidung, den Realitätsverlust, die Selbsttäuschung, die innere Leere, die Orientierungslosigkeit, die Stagnation und die Lüge. Das kannst du für die Zeit nach der Kreuzigung weder von Petrus noch von den andren Jüngern behaupten – höchstens von Judas Ischariot; er nahm sich das Leben, vielleicht gerade aus dem Grund, dass er seine Hoffnung auf den politischen Befreier Israels, die er an Jesus knüpfte, auf Dauer leugnen musste – das war Jesus eben nicht. Mit der Realität, einen anderen verraten und ans Messer geliefert zu haben, kam er nicht mehr klar.

In der Passionsgeschichte wie in deinem Leben kann der Verleugner beides: Dir erlauben, die Augen zu schließen, bis du dazu bereit bist, offenen Blickes und mit dem Willen zur Annahme und Gestaltung der Realität zu begegnen. Und dich mahnen, das Ganze zu sehen, den anderen zu verstehen und nicht auf Dauer dich dem vielleicht schwierigeren Teil der Realität zu verschließen.

» In den schwierigsten Zeiten deines Lebens offenbart sich deine innere Heldin, dein innerer Held. Und wie magisch ist es, wenn du schließlich erkennst, dass du die Kraft hast, dich mutig deinen Ängsten zu stellen und dich von ihnen zu befreien? «
Vonjahr, Anne (2024): Die Phönixkarten. 44 Archetypen für dein inneres Licht, Kiel, 87.

Jesus – der Held?!

Es könnte ein, dass ein dritter „innerer Bewohner“ sich an diesem Abend des Gründonnerstags zu Wort meldet, auch wenn es dir und mir vielleicht unangebracht, besser: ungewohnt, ungewöhnlich erscheint. Es ist der Held oder die Heldin, Wie alle Archetypen ein Bewohner der inneren Welt, als psychisches Prinzip, nicht in der Realität vorhanden, eine Möglichkeit, ein Verhaltensmuster zu beschreiben oder eben eine Art, wie sich jemand zum Ausdruck bringt.[4]

Lass uns unterscheiden zwischen „Jesus Christ Superstar“ und „Jesus, dem Helden“. Es liegen Welten dazwischen. Der Held oder die Heldin werden sich dann zu Wort melden können, wenn du in den schwierigsten Zeiten deines Lebens steckst und du eben nicht dem Verleugner folgst, sondern wenn du dich mutig den Herausforderungen stellst, die das Leben dir vorhält.

In Jesus drückt der Held sich aus, wenn er am Ölberg angesichts er schlafenden Jünger betet: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). Oder zu Judas, er ihn küsst: „Judas, mit einem Kuss verrätst du den Menschensohn?“ (Lk 22,48) Oder wenn er sich dem Diener des Hohenpriesters zuwendet, dem einer von Jesu Jünger mit dem Schwert das Ohr abgehauen hat, und ihn heilt, zu seinen Jüngern aber sagt: „Hört auf damit!“ (Lk 22,50f)

Zu den Lichtseiten des Helden, der Heldin zählt Anne Vonjahr Hoffnung, Mut, Selbstverwirklichung, Tapferkeit, Ausdauer, Entschlossenheit, die Bereitschaft, sich Unbekanntem zu stellen u.v.m. Mit diesen Haltungen und Tugenden kann sich der „innere Bewohner“ äußern, nach außen treten. Die Schattenseiten des Helden, der Heldin verhindern dieses äußern, dieses nach außen treten. Vonjahr nennt unbewusste Verhaltensmuster, Ablehnung von Verletzlichkeit, Dunkelheit, Angst, Mutlosigkeit, Niedergeschlagenheit Überforderung, inneren Widerstand u.v.m.[5]

Der Gründonnerstag stellt dir Jesus vor Augen – im ersten Schritt seiner Phönix-Erfahrung, mit seinen Weggefährten, unter denen Verleugner und Helden sind. Und er stiftet dich dazu an, dich als Weggefährte, dich als Verleugner oder als Heldin zu sehen und die „inneren Bewohner“ in dir zu entdecken, die für diese psychischen Prinzipien, für diese Verhaltensmuster und für die Art, dich zum Ausdruck zu bringen, stehen. Es geht um gEfährtenschaft, zu anderen, zu Jesus, zu dir selbst.

Soviel für heute.

Köln, 12.04.2025
Harald Klein

[1] Vonjahr, Anne (2023): Die Phönix-Erfahrung. Wie du auf einer magischen Reise deine Schatten heilst und dein wahres Selbst erkennst, München, 54.

[2] vgl. Vonjahr, Anne (2024): Die Phönixkarten. 44 Archetypen für dein inneres Licht. Anleitungen und Deutungen, Begleitbuch zu den Karten, Königsfurt, 176-179.

[3] a.a.O., 168.

[4] vgl. Vonjahr, Anne (2023): Die Phönix-Erfahrung. Wie du auf einer magischen Reise deine Schatten heilst und dein wahres Selbst erkennst, München, 31f.

[5] vgl. Vonjahr, Anne (2024): Die Phönixkarten. 44 Archetypen für dein inneres Licht. Anleitungen und Deutungen, Begleitbuch zu den Karten, Königsfurt, 85-87.