IHS – Jesus zum Gefährten haben

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IHS – Jesum habeamus socium

Lieber als ein Aschenkreuz würde ich Ihnen heute am Aschermittwoch drei Buchstaben auf die Stirne zeichnen: IHS. Sie stehen volkstümlich für Jesus – Heiland – Seligmacher; andere Überlieferungen sagen, es seien die Anfangsbuchstaben des Namens Jesu, und manche Kunstwerke bringen die drei Buchstaben so zusammen, dass man in ihnen das noch fehlende „u“ erkennen kann – ähnlich wie es mit dem Namen „Maria“ oft in verschnörkelten Ornamenten an Lettnern geschehen ist.

Die Jesuiten haben das IHS ziemlich okkupiert und für sich in Beschlag genommen, sie übersetzen es mit „Jesum habeamus socium“ – „wir haben Jesus zum Gefährten“; von daher erklärt sich auch ihr eigentlicher Name der „Societas Jesu“, der Gesellschaft Jesu. Sie mögen es verzeihen, aber ich bin der Meinung, dass die Jesuiten es sich nicht als alleiniges Privileg nehmen können – dieses „Jesus zum Gefährten haben.“

Österliche Bußzeit – Vorbereitung auf eine neue Gefährtenschaft mit Jesus

Die österliche Bußzeit ist dem zeitlich ersten und theologisch höchsten Fest zugeordnet, dem Osterfest. Sie diente in alten Zeiten der Vorbereitung auf die Taufe – heute könnten wir sagen: sie dient der Erinnerung und Vergegenwärtigung dessen, was uns in der Taufe geschenkt ist. Und von daher ist es nur verständlich und sinnvoll, nicht über ein „Weglassen“ oder „Geben“ in der Bußzeit nachzudenken, sondern über ein „Mehr sein“ oder ein „Empfangen“. Das ist wie vorhin beim Eingangslied: „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ hat die gleiche Melodie wie „Herr, deine Güt‘ ist unbegrenzt“. Worauf möchten Sie in der Bußzeit lieber schauen – auf die eigene Sünde, oder auf die Güte Gottes? Spannend ist ja, dass es egal ist, wo Sie anfangen – Sie werden immer auf das andere stoßen.

Mein Blick in dieser Vorbereitungszeit auf Ostern soll sein: Was heißt es für mich, Jesus zum Gefährten zu haben – wie übersetze ich das „IHS“ für mich und für mein Leben mit Jesus?

In die Evangelien „einsteigen“ – mit allen Sinnen

Wie kann das gehen? Die Evangelien in den kommenden 40 Tagen sind ganz darauf ausgerichtet, uns den Menschen Jesus vorzustellen – an den Sonntagen etwa in der Versuchungs- und Verklärungsgeschichte, in der Geschichte von der Tempelreinigung und in den Voraussagen auf die Kreuzesnachfolge. Und an den Werktagen stehen die Lesungen und die Evangelien in einem Zusammenhang, angesprochen werden die wichtigsten Inhalte der Verkündigung und der Taten Jesu. Sie haben die Möglichkeit, Jesus als und wie einen Gefährten kennen zu lernen, dem Sie in der Osternacht mit dem „Ich glaube“ und dem „Ich widersage“ Ihre Gefährtenschaft zusprechen.

Wie kann das konkret geschehen?

Ein Weg, ein „Fastenopfer“ könnte eine Zeit sein, die Sie im Tages- oder Wochenablauf für das Evangelium reservieren. Steigen Sie in den Text ein, Ignatius von Loyola nennt das „die Bühne bereiten“. Nutzen Sie dabei all Ihre Sinne.  Schauen Sie, wie der Ort und die Menschen darin aussehen. Hören Sie selbst die Worte, die Jesus spricht, als für Sie und zu Ihnen gesagt. Riechen Sie den Geruch des Marktes, der Synagoge, der Stadt. Spüren Sie die Hand Jesu auf sich, die er dem Gelähmten auflegt. Empfinden Sie, wie es wohl dem Händler geht, den er aus dem Tempel wirft, oder spüren Sie dem Staunen derer nach, die das beobachten, als seien Sie selbst dabei.

Und der zweite Schritt: spüren Sie nach, was das in Ihnen auslöst. Dann benennen Sie für sich, was sich in Ihnen abspielt – und dann, der dritte Schritt, bringen Sie das Ganze in ein Gespräch mit Jesus, so, als würden Sie mit einem guten Freund sprechen – und hören Sie nach innen, hören Sie auf dessen Antwort.

Das geht heute schon los mit dem „Wenn Du Almosen gibst“, „wenn Du betest“ und dem „Wenn Du fastest…“ Fühlen Sie sich doch direkt angesprochen. Das Wort gilt Ihnen, gilt Dir, gilt mir. Und was löst es aus? Was empfinde ich dabei? Was würde ich gerne antworten, weiter machen, anders machen?

Aschermittwoch – Zeit des Aufbruchs, Jesus und seiner seiner Gefährtenschaft entgegen

Sie haben 40 Tage Zeit, alle Theologie, alle Bekenntnisformeln, alles bisher Ihnen Zugewachsene über Jesus hinter sich zu lassen. Sie können in einem Anfängergeist diesem Jesus jetzt, in Ihrer Lebenswirklichkeit, so, wie sie jetzt ist, begegnen. Er bietet Ihnen völlig frei seine Gefährtenschaft an. Sie dürfen wirklich neugierig sein, wie er sich Ihnen zeigt, und Sie sind frei zu wählen, ob am Ende das „Ich glaube“ und das „Ich widersage“ steht – aber Sie wissen dann, was das für Sie und jetzt, gegenwärtig heißt!

Amen.

Harald Klein, Köln