In der Mitte – Jesus

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Mitte als Ort der Entscheidung

Machen Sie einmal einen Selbstversuch: Wo im Neuen Testament taucht die „Mitte“ auf? Welche Jesusgeschichte wird ihnen da kommen? Die vom Kind, das in die Mitte gestellt wird (Mk 9,36), oder die vom Mann mit der verdorrten Hand (Mk 3,3)? Die Ehebrecherin in Joh 8,3 wird von den Schriftgelehrten und Pharisäern „in die Mitte“ gestellt. Lukas lässt den 12jährigen Jesus „mitten unter den Lehrern“ im Tempel sitzen (Lk 2,46), und die Freunde des Gelähmten lassen die Bahre durchs Dach hinab, „in die Mitte des Raumes, genau vor Jesus hin“ (Lk 5,19). In all diesen Perikopen ist die „Mitte“ der Ort der Entscheidung. Jesus soll entscheiden, soll heilen, soll Recht sprechen, soll sagen und will zeigen, was wirklich wichtig ist, damit das Reich Gottes „mitten unter euch“ sein kann (Lk 17,21). Diese Mitte als Ort der Entscheidung erleidet auch Petrus: Mitten im Hof hatte man ein Feuer angezündet, und Petrus setze sich zu den Leuten, die dort beieinandersaßen (Lk 22,55) – wie die Entscheidung mitten im Hof ausfällt, ist hinreichend bekannt.

Mitte als Beziehungsgeschehen

Aber Mitte im Neuen Testament greift weiter. Wo zwei oder drei …- da bin ich mitten unter euch (Mt 18,20): hinter dieser Zusage des Herrn steht doch nicht, dass er sich dazwischen drängeln wird; es geht um Beziehung m Geiste Jesu. Sein Geist ist mitten unter denen, die sich in seinem Namen versammeln. Und umgekehrt gilt: wenn Jesus in Nazareth mitten durch die Menge derer, die ihn wegen seiner Predigt vom Berg stürzen wollen hindurch- und weggeht (Lk 4,30), ist mit diesem „mitten hindurch“ das Ende von Beziehung zwischen ihm und den anderen ausgesagt. Auch das Bildwort der Schafe, die mitten unter die Wölfe gesandt sind (Mt 10,16), sagt einiges über die Beziehung derer, die vom Herrn gesandt sind, zu den anderen aus. Und die gute Saat, die mitten in die Dornen fällt, so, das die Dornen sie erdrücken, zeigt, wie ohnmächtig manch einer in Beziehungen zu sein vermag.

Mitte als Ort des Gebets

Eine Anleihe aus dem atl. Propheten Sacharja (1,14f) sei erlaubt. Den Verbannten spricht der Prophet Mut zu, greift die Beziehung neu auf mit den Worten „Juble und freue dich, Tochter Zion; denn siehe, ich komme und wohne in deiner Mitte – Spruch des Herrn. An jenem Tag werden sich viele Völker dem Herrn anschließen und sie werden mein Volk sein und ich werde in deiner Mitte wohnen. Dann wirst du erkennen, dass der Herr der Heere mich zu dir gesandt hat.“ Was hier als Landverheißung, als Prophezeiung für Jerusalem, als Versprechen Gottes, mitten unter seinem Volk zu wohnen, ausgesagt wird, greift Jesus in seinen Abschiedsreden auf und spricht jeden einzelnen an. In Joh 14,23 sagt er dem Judas: Jesus antwortete ihm: Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. – In meiner Mitte wohnt Gott, in meiner Mitte treffe ich auf Christus In meiner Mitte geschieht die Kommunikation zwischen meinem Herrn und mir.

Die eigene Mitte gestalten

In aller Geistlichen Begleitung geht es immer auch um genau diese drei Themen: Beziehung – Entscheidung – Gebet. Für uns in der GCL ist „die Mitte gestalten“ kein Fremdwort, in fast all unseren Veranstaltungen sammeln wir uns um die „gestaltete Mitte“. Hat sie nicht auch die Aufgabe, uns zu sammeln, den Blick auf die Mitte zu lenken? Hier, in der Mitte, haben Entscheidungen, haben Beziehungen, hat das Gebet seinen Platz. Für den geistlich lebenden Menschen ist eine innere gestaltete Mitte daher unverzichtbar. Sie ist die Zelle Gottes in uns, in ihr lebt Gott, hier treffe ich ihn an. Geistlich leben heißt, in diese Zelle immer wieder einzukehren, um alles Wesentliche vor Ihn hinzutragen, Ihm hinzuhalten, wie die Freunde den Gelähmten in die Mitte des Raumes vor Ihn hinunterließen. Geistlich leben heißt, alles Schmerzhafte, Verkrümmte in diese Mitte hineinzustellen, damit Er es heile. Geistlich leben heißt, alle Lüge, allen (Selbst-) Betrug, alle Sünde in diese Mitte hineinstellen, damit Er sein Urteil spreche. Alle Traurigkeit über die gute Saat, die erdrückt wurde, tröstend Ihm hinhalten, und alle Freude über die gute Saat, die aufgegangen ist. Alles wesentliche Entscheiden, alle wesentliche Beziehung fließt in meiner Mitte ein ins Gespräch mit Gott, der hier wohnen will, wenn ich Ihm Raum gebe. Meine innere gestaltete Mitte ist der tiefste Ort des persönlichen Gebets.

Für das Gebet oder das Gespräch in der Gruppe:

  • Es kann hilfreich sein, sich auszutauschen über das „Äußere“, über das, was jeweils hilft, zur „inneren Mitte“ zu gelangen. Wie steht es bei mir, in der Gruppe um Zeiten, um Abläufe, um Riten, die wie ein Schlüssel die Tür öffnen zur eigenen Mitte, um dort dem Herrn zu begegnen …?
  • Es kann hilfreich sein, die anstehenden Entscheidungen zu betrachten. Was kann ich, was können wir als Gruppen leicht, schnell, „am Rande“ entscheiden, und was gehört jetzt gerade mehr und mehr, ganz nahe oder wirklich in der „Mitte“ entschieden, im Gespräch und im Hören auf den Herrn? Über diese Entscheidungen in der Gruppe reden …
  • Es kann hilfreich sein, die eigenen Beziehungen zu betrachten. Wer beansprucht einen Platz in meiner Mitte, wen ersehne ich in meine Mitte, wer ist nahe dran, wer weit weg – kann ich von meiner Mitte aus dem Herrn diese Beziehungen ansehen? „Ecce, ego et tu, et tertium inter nos Christus sit“ – Siehe, ich und du, und möge der Dritte unter uns Christus sein, beginnt Aelred von Rielvaux sein Buch über die Freundschaft mit Christus. Über diese Beziehungen in der Gruppe reden …
  • Es kann hilfreich sein, meine Mitte aufzusuchen, nur, um mit dem Herrn allein zu sein. „Die Mitte gestalten“ kann dann heißen, alles Störende zu lassen. Solche Momente allein einüben, aber auch in der Gruppe Zeiten zu haben, um (alles/alle anderen schweigend) auf den Herrn in der Mitte zu hören
  • Vom Auferstandenen heißt es, er trat in die Mitte der Jünger und sagte „Friede sei mit Euch!“ (Lk 24,36). Erfahrungen vom Auferstandenen in der eigenen Mitte und in der Mitte der Gruppe erinnern und mitteilen …

Harald Klein, Köln