In Krisen einen Halt finden

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Hintergrund

Dem Impuls liegt ein Online-Vortrag von Dr. Ina Schmidt zum Thema „Mit Unsicherheiten leben“ zugrunde, zu dem das “Netzwerk Ethik heute“ am 22.03.2022 per Zoom eingeladen hatte. Der Vortrag liegt zusammengefasst als Artikel auf [online] https://ethik-heute.org/was-gibt-uns-halt-in-krisenzeiten/ [01.04.2022] vor. Einige Gedanken und Impulse sind von dort übernommen.

Noch einmal soll der Begriff der “Krise“ uns den Tag über begleiten. Dies in einem doppelten Sinn: Der Tag bietet zunächst Gelegenheit, die politisch-gesellschaftlich-wirtschaftliche Krise, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine und die weltweite pandemische Situation in den Blick zu nehmen. Gleichzeitig ist auch Gelegenheit, persönliche Krisenzeiten oder Krisenerfahrungen zu betrachten, die gegenwärtig das eigene Leben und Erleben bestimmen und natürlich auch darüber hinauswirken.

Über allem steht vermutlich

  • der Wunsch nach einer berechenbaren Sicherheit, der im Ringen mit dem Sich-einlassen auf Verunsicherungen steht;
  • die These, dass Krisen und Krisenzeiten Erprobtes auf die Probe stellen und vielleicht ganz neu Förderndes/Förderliches er- und einfordern;
  • die Unterscheidung der stoischen Philosophie: Was steht in meiner eigenen Macht, und was nicht? Und damit verbunden der angemessene Umgang mit beidem.

Der Impuls

Für die Gespräche unterwegs ist es hilfreich, für sich selbst zu klären, von welcher „Krise“ ich reden möchte. Die Impulsfragen können für alle Krisenerfahrungen gelten.

  • Was steht in der Krise, von der ich erzählen möchte, in meiner Macht und was nicht? (Was höre ich von meinen Gesprächspartnern dazu? Welche Reaktion löst das aus?)
  • Welche Komponenten dieser Krise sind von hohem Interesse für mich, wo informiere ich mich über diese Komponenten? Wieviel Diskurs lasse ich zu und halte ich aus? An welchen Stellen beziehe ich Position, die für mich nicht mehr verhandelbar sein soll?
  • Was traue ich mir in dieser Krise als Mensch zu, was traue ich meinen Mitmenschen zu? Worin sitzt/ruht mein Vertrauen?

Eine Frage jenseits dieser Impulsfragen ist, ob ich formulieren kann und will, welche Unterstützung seitens der Gefährten und anderer mir naher Menschen für mich in der Auseinandersetzung mit dieser Krise hilfreich zu sein scheint.

Eine Weisheitsgeschichte der Chassidim:

Rabbi Joschua ben Levi traf den Propheten Elija,

der vor dem Eingang der Höhle Rabbi Simran ben Johais stand. […]

Er fragte Elija: „Wann kommt er Messias?“

Elija antwortete:

„Geh und frag ihn selbst.“

„Wo ist er?“

„Am Stadttor.“

„Wie kann ich ihn erkennen?“

„Er sitzt über und über mit Wunden bedeckt,

unter den Armen.

Die anderen legen

all ihre Wunden auf einmal frei

und verbinden sie dann wieder.

Er aber nimmt immer nur einen Verband ab

und legt ihn sofort wieder an;

Denn er sagt sich:

‚Vielleicht braucht man mich: wenn ja,

dann muss ich immer bereit sein und darf keinen Augenblick säumen.‘“

(aus dem Traktat Sanhedrin) [1]

Köln, 01.04.2022
Harald Klein

 

[1] In: Nouwen, Henri M. (1987): Geheilt durch seine Wunden. Wege zu einer menschlichen Seelsorge, Freiburg, 119f.