„Integration statt Ausgrenzung“

  • Nach/Denken - ein wenig Wissenschaft
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Zum Anlass der Arbeit

„Integration statt Ausgrenzung“ – diese drei Worte, in die Suchmaschine GOOGLE eingegeben, ergibt in 0,17 Sekunden „ungefähr 270.000 Ergebnisse“[1]. Das Feld, das sich auftut, ist weit: Die Gruppierungen der Sinti und Roma tauchen auf, ebenso Integrationsschwierigkeiten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Die Rolle des Islam findet sich, Videospiele sollen in unsere Kultur hineinintegriert werden. Von Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Belegschaft eines Unternehmens ist die Rede, eine Kleiderwerkstatt des Arbeiterwohlfahrtsverbandes in Berlin trägt diesen Namen, hier arbeiten straffällig gewordene junge Frauen, die „nicht in der Lage (sind), die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden.“[2] Über die Integration des östlichen Kampfsports in den westlichen Sportbegriff wird der suchende informiert, und dass sozialraumorientierte Erziehungshilfe der Ausgrenzung wehrt und die Integration fördert , ist auch nicht neu.

„Lass herein, die draußen sind…“

Auffällig sind zwei Momente: (1) die Alternative „Integration statt Ausgrenzung“ wird für eine Vielzahl sozialer Phänomene, Gruppierungen, Lösungswege benutzt, und (2) erst an 17. Stelle der genannten Seiten taucht die erste Seite auf, die von „Integration statt Ausgrenzung“ im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderung spricht und hinweist.

Das Anliegen der Alternative ist klar – mit dem Lied aus dem Gotteslob Nr. 642,2 ist es gut umschrieben: „Lass herein, die draußen sind“[3] – aus einer Exklusion (einem sich am Rande befindenden Zustand) oder aus einer Separation (einem Zustand der Losgelöstheit und der Absonderung) soll eine Bewegung des Dazugehörens, eine Bewegung nach innen hin, eine Aufnahme geschehen. Das Schaubild am Ende der Einleitung zeigt jedoch, dass diese Bewegung zu kurz greift. Wenn sich das System, in das hinein integriert wird, nicht öffnet, und umgekehrt: wenn sich die, die jetzt integriert sind, dem nicht öffnen, in das hinein sie integriert sind, bleibt die Situation der Ausgrenzung bestehen, jetzt dann eben nicht mehr am Rande oder außerhalb, sondern innerhalb des System. Damit das Anliegen der Integration in all seiner Tiefe gelingen kann, braucht es den doppelten und zweiseitigen Willen zur Inklusion, die eine Integration übersteigt und hinter sich lässt.

Wenn die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft den Begriff der Inklusion mit „Einbeziehung, Einschluss, Einbeschlossenheit, Dazugehörigkeit“ [4].umschreibt, wird sprachlich eher deutlich, dass es immer um den Willen und die Aktivität beider Seiten geht, die hier aktiv sein müssen. Diese beiden  Seiten meinen nicht eine Aktiv- und eine Passivseite im Sinne von „Einbeziehen“ und „Einbezogen werden“; es geht bei der Inklusion immer um zwei Aktivposten im Sinne von „Einbeziehen des einen durch den anderen“ und „Einbeziehen des anderen durch den einen.“

Vier Weisen von Menschen ohne Behinderung, Menschen mit Behinderung zu begegnen

Exklusion, Separation, Integration, Inklusion – vier Weisen von Menschen ohne Behinderung, Menschen mit Behinderung zu begegnen. In der Forderung „Integration statt Ausgrenzung“ wird die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Heimen und eigenen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung laut. Integration meint doch gerade das Wohnen von Menschen mit Behinderung mitten unter den Menschen ohne Behinderung, meint doch die eine Schule mit den verschiedenen integrativen Möglichkeiten für alle, auch für die Menschen mit Behinderung. Braucht es dann solche Einrichtungen noch, wenn die Menschen mit Behinderung einmal integriert – und hoffentlich auch inkludiert – seien?

Die Fragen, die in dieser Arbeit beantwortet werden soll, lautet: Ist mit der Alternative „Integration statt Ausgrenzung“ automatisch das Auflösen von Heimen als besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderung ausgesagt? Welchen Beitrag können gerade solche Einrichtungen wie das Josefsheim Bigge, in dem ich drei Woche mitleben durfte und das hier auf diese Frage bedacht werden soll, zur Integration, besser: zur Inklusion leisten? Welche Mittel sind gegeben, in welchen Haltungen wird hier gelebt und gearbeitet, damit gerade hier Integration und Inklusion geschieht? Dazu gehören dann auch Fragen nach dem Umfeld: Wie sieht integrative, inkludierende Arbeit in einer Schulungs-, Werkstatt- und vor allem einer Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderungen aus? Die Fragen nach dem Umfeld zu beantworten sprengt den Rahmen der Arbeit. Hier soll es darum gehen, einen scheinbaren Widerspruch (Integrations-/Inklusionsarbeit im Heim und trotz Heims) aufzulösen um zu zeigen, dass die Alternative „Integration statt Ausgrenzung“ zu kurz greift und sogar falsch ist.

Der Aufbau der Arbeit

Von der Fragestellung her ergibt sich der Aufbau der Arbeit. In einem ersten Teil wird gezeigt, dass das Leben der Menschen mit Behinderung lange Zeit ein „Leben am Rande“ war, und dass ein Wohnen im Heim auch Exklusion und Separation bedeuten kann. Es geht darum, den Blick zu lenken auf die Kritik an den „stationären Sonder-Welten“[5], Der zweite Teil stellt die Aussagen über die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hinsichtlich ihrer Wohnsituation vor . Der Begriff des Empowerment als Weg zur Integration und Inklusion – wird eingeführt. Der dritte, beschreibende Teil versucht aufzuzeigen, wie durch die Haltungen und Umsetzungen des Empowerment-Konzeptes es gelingen kann, in der Wohn Situation eines Heimes diesem Anspruch der Integration und der Inklusion gerecht zu werden. Am Schluss wird zu erwägen sein, ob die Alternative „Integration statt Ausgrenzung“ unter den beschriebenen Gegebenheiten Gültigkeit beanspruchen kann.

Harald Klein, Köln

[1] Der Zugriff auf die Suchmaschine GOOGLE mit den drei Worten „Integration statt Ausgrenzung“ geschah am 25.02.2011.

[2] Vgl. http://www.isa-k.de/index.php?id=12 – Zugriff am 25.02.2011.

[3] Deutsche Bischofskonferenz Hrssg.): Gotteslob/ Katholisches Gebets- und Gesangbuch, Stuttgart, 1975, 598.

[4] Vgl. http://www.gew.de/Inklusion_3.html – Zugriff am 25.02.2011.

[5] Vgl. Theunissen, Georg: Brauchen wir stationäre Sonder-Welten, in: Fink, Franz u.a. (Hrsg.): Inklusion in Behindertenhilfe und Psychiatrie/Vom Traum zur Wirklichkeit, Freiburg, 2011, 27-41