Gebetshilfen aus der Schrift – Jesus, klug wie die Schlange?!

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Aus Jüngern werden Apostel

Zwölf Namen, zwölf Apostel – mit der Nennung der Namen beginnt Mt 10. Jesus ruft seine (!) zwölf Jünger zu sich und gibt ihnen die Vollmacht, unreinen Geister auszutreiben und Krankheiten und Leiden zu heilen. In Mt 10,1f passiert etwas Spannendes, was leicht zu überlesen ist. Jesus ruft eben seine zwölf Jünger aus der Menge und beauftragt sie. In Vers 10,1 ist noch von Jüngern die Rede, in Vers 10,2 wechselt es dann, hier heißt es: „Die Namen der zwölf Apostel sind…“.

In Lk 6,13 finden Sie es genauso geschrieben: Aus „Jüngern“, aus Nachfolgenden, werden durch die Wahl Jesu und die Nennung beim Namen jetzt „Apostel“, Gesandte an Jesu statt.

Das Markusevangelium umschifft liebevoll diese Unterscheidung. Hier lesen Sie „Jesus stieg auf einen Berg und rief die zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben“ (Mk 3,13-15) – und es folgt die Namensnennung der Zwölf.

Von Jesus die Vollmacht zum Apostel bekommen heißt, sich von den anderen Jüngern abzuheben. „Apostel“ meint Bote oder Gesandter, es ist einer, der anstelle Jesu geht, predigt, heilt, Dämonen austreibt. Unterscheidend könnte man sagen, Jünger seien die, die Jesus nachfolgen.

Soweit ein erster neutestamentlicher Befund! Er klingt sehr männerlastig, man könnte meinen, es gebe keine Frauen unter denen, die Jesus um sich haben will, um sie zu senden. Da tut es gut zu wissen, dass 2016 Papst Franziskus Maria Magdalena als „Apostelin der Apostel“ bezeichnet wurde, und da tut es gut zu wissen, dass dieses Beim-Namen-genannt-werden“ durch Jesus Christus zum Sakrament der Taufe gehört. Sich auf die Taufe vorbereiten, das entspräche dem „Jünger-Dasein“, dem Hinter-Christus-her-sein, um ihn zu verstehen. Da aber, wo wir als getaufte und gefirmte Christinnen und Christen stehen, stehen wir für Christus, stehen wir anstelle Christi – und das Beim-Namen-genannt-werden in der Taufe, bei der Weihe bzw. bei Gelübdefeier meint mehr als ein (Ein-) Stehen nur für die Kirche. Sie dürfen sich als vom Herrn Gerufene(r) sehen, den/die er bei sich haben will und den/die er sendet.

„Das Himmelreich ist nahe.“

Von Jesus gesandt – wohin, wozu eigentlich? Die Evangelien geben verschiedene Antworten, die aber immer das eine Ziel benennen. So sind die ersten Worte Jesu beim Mk: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ (Mk1,15). In Lk 9,1f klingt es ähnlich: „Dann rief er die Zwölf zu sich und gab ihnen die Kraft und die Vollmacht, alle Dämonen auszutreiben und die Kranken gesund zu machen. Und er sandte sie mit dem Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen.“ Und als Anweisung für die Mission sagt Jesus in Mt 10,7: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.“

Es fällt nicht schwer, das Ziel der Verkündigung Jesu in Wort und Tat in den synoptischen Evangelien zu entdecken. Es geht um den Anbruch des Reiches Gottes. Um im Thema des Werkheftes zu bleiben: ein weiser Entschluss Jesu, vielleicht entstanden unter dem weisen Abwägen aller Ziele, die Jesus zur Verfügung standen (vgl. EB 101f). Und wenn dieses Abwägen zielführend ist, wenn ein Entschluss gefallen ist, dann gilt es, klug die Mittel abzuwägen, die dem Erreichen des Zieles dienlich sind. Hier wird die Unterscheidung zwischen „Weisheit“ und „Klugheit“ deutlich: „Weisheit“ bezieht sich auf Ziele und Werte, „Klugheit“ auf Mittel

Jesu Wahl der Mittel: Die Apostelberufung

Eine erste Gebetszeit kann die Frage an Jesus zum Inhalt haben, ob die Wahl der Apostel in all ihrer Verschiedenheit wirklich klug war. Schauen Sie sich die Zwölf ruhig mal an, betrachten Sie sie in ihrer Verschiedenheit, ja sogar Gegensätzlichkeit. Irgendwie und vordergründig könnte man meinen, die Aufgabe der „Formation“ auf das Reich Gottes hin sei hier von Jesus nicht angegangen worden.

Es entspricht vielleicht eher der Weisheit Jesu, genau auf diese Vielfalt bei den Seinen zu setzen. Die Sendung für die Botschaft vom Reich Gottes ist eindeutig: Unreine Geister austreiben, Krankheiten und Leiden heilen, das nahe Himmelreich verkünden. Klug ist es, es jeden auf seine und jede auf ihre Weise tun zu lassen, je nach dem „Mittel“, das zur Verfügung steht. So werden die Apostel als überzeugende Überzeugte wahrgenommen, denen nur die eigene Person und ihr Glaube wirkmächtig zur Verfügung steht.

Eine zweite Gebetszeit kann die Frage zum Inhalt haben, welche Mittel Ihnen persönlich im Zusammensein mit den Menschen, die zu Ihnen gehören, zur Verfügung stehen, um die Nähe des Reiches Gottes zu verkünden, spürbar und erlebbar werden zu lassen. Oder auch die Frage, um welche Mittel sie beten und bitten wollen.

Die Klugheit der Schlangen und die Arglosigkeit der Tauben

Ein Wort in diesem zehnten Kapitel des Matthäusevangeliums klingt immer wieder anstößig. Jesus gibt denen, die er sendet, mit auf den Weg: „Seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.“ (Mt 10,16b) In der Exegese wird darauf hingewiesen, dass es sich hier um keine Verhaltensregel handele, im Sinne eines sich Anschleichens, eines Zupackens oder eines Würgens des Gegners. Es ist er Zusammenhang mit dem Vorherigen (in Mt 10,16a), der diese Aufforderung verständlich macht: „Seht, ich sende Euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.“ Den Warnspruch „wie Schafe mitten unter die Wölfe“ kennt auch Lk 10,3; der Zusatz mit der Klugheit der Schlangen und der Arglosigkeit der Tauben ist nur bei Matthäus zu finden; er kann als kluge Mahnung zur Achtsamkeit und zum klugenEinsatz der gottgewollten Lauterkeit verstanden werden (vgl. Schnackenburg, Rudolf <42005>: Matthäusevangelium 1,1-16,20, Reihe „Neue Echter Bibel“, Würzburg, 93).

Das könnte der Inhalt der dritten Gebetszeit sein: Der Klugheit Jesu nachzuspüren, dann, wenn er wie ein Schaf unter Wölfen ist. Um sich, um seiner Sendung treu zu bleiben, nicht nur den heilenden, den vergebenden, den gütigen und barmherzigen Jesus zu betrachten, sondern den klugen Jesus in der Auseinandersetzung mit den Pharisäern, den Schriftgelehrten, dem Statthalter – eben dem „Wölfischen“ in seinem Umfeld.

Ignatius rät im Exerzitienbuch oft, die Betrachtung auf sich selbst zu beziehen und irgendeinen geistlichen Nutzen daraus zu ziehen (z.B. EB 116). Es dient der eigenen Lebensweisheit, entschlossen in der gottgewollten Lauterkeit zu leben und doch klug zu unterscheiden, wo ich mich wie im Spannungsfeld der Klugheit der Schlangen bzw. der Arglosigkeit der Tauben bewege.

Harald Klein, Köln
*1961, Priester und Sozialpädagoge
mit Schwerpunkt
„Spiritualität für Soziale Berufe“,
Gebundenes Mitglied in der GCL