Nur Lukas ist noch bei mir (2 Tim 4,11a)

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Ein einziger Satz aus den Texten zum Fest des Hl. Evangelisten Lukas mag genügen, um geistlich diesen Tag zu gestalten. In seinem zweiten Brief an Timotheus schreibt Paulus: „Nur Lukas ist noch bei mir.“ Um diesen Satz geht es mir.

Ein erster Blick geht auf Paulus.

Der Satz steht ziemlich am Ende seines Briefes. Vorher schreibt Paulus, dass er den guten Kampf gekämpft habe, dass er die Treue zu Christus gehalten habe (vgl. 2 Tim 4,7). Und dann schildert er dem Timotheus seine Einsamkeit, in die hinein ihn dieser Kampf für Christus geführt hat: „Demas hat mich aus Liebe zu dieser Welt verlassen und ist nach Thessalonich gegangen; Kreszens ging nach Galaten, Titus nach Dalmatien. Nur Lukas ist noch bei mir“ (vgl. 2 Thess 4,10-11a). Das könnten Sie kennen, die Einsamkeit, die sich einstellt, wenn man versucht, Christus nachzufolgen; Unverständnis und Verlassen werden von denen, die diesen Weg nicht mitgehen wollen. Paulus klagt über seine Einsamkeit – ein anderer Blickwinkel könnte ihm zeigen: „Lukas ist bei mir“ – nicht: nurLukas ist noch bei mir, sondern: aberLukas ist noch bei mir! „Lukas“ mag für Paulus stellvertretend für all die stehen, die diesen Weg mitgehen. Lukas – in seiner Besonderheit, seiner Treue, seiner eigenen Suche nach Christus. Paulus ist nicht allein!

Ein zweiter Blick mag auf Sie selber gehen

In der Einsamkeit, die auch Ihr Benediktinerinnenkloster mit sich bringen mag, in dem Gefühl der Verlassenheit trotz, vielleicht sogar wegen der Gemeinschaft, die Sie als Lebensform gewählt haben – nicht auf die schauen, die Sie physisch oder psychisch „verlassen“ haben, sondern auf die schauen, die für Sie „Lukas“ sind: die treu zu Ihnen stehen, und umgekehrt, zu denen Sie in Treue stehen. Deren Geschichte Sie kennen, und die Ihre Geschichte kennen – und bleiben. Die mit Ihnen, vielleicht manchmal auch für Sie nach Christus ausschauen. In denen für Sie – oder denen durch Sie – Christus greifbar nahekommt.

Und ein dritter Blick gilt dem Lukas

Es geht um den Lukas, wie Paulus ihn beschreibt den Lukas, dem wir das Dritte der Evangelien zuschreiben. Seine Eigenart wird durch sein Evangelium deutlich: er mag die Botschaft vom Kommen des Reiches Gottes mit den anderen Evangelisten teilen, kennt er doch auch die „5 S-Gleichnisse“: Sämann, selbstwachsende Saat, Sauerteig, Senfkorn. Aber seine Spezifika, seine Eigenart wird im Gleichnis vom barmherzigen Vater deutlich, im Jesus, der über Jerusalem weint und es ermahnt, das zu suchen, was dem Frieden dient, und in der Emmaus-Geschichte, die vom Mitgehen und von der Lebensdeutung Jesu erzählt. In dieser Form der gegenseitigen Barmherzigkeit, in den Tränen füreinander und in der Suche nach dem, was zum Frieden dienst, und in dieser Form des Mitgehens, des Begleitens und des Deutens des Lebens können Sie, können wir einander zum „Lukas“ werden.

Nehmen Sie diesen Satz mit in Ihren Tag: „Nur Lukas ist noch bei mir.“

Köln, 18.10.2018
Harald Klein

Für L.N. – zum Namenstag