Ostern – Hören auf den Vogel Phönix

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Die Emmaus-Jünger und der Auferstandene

Das, was die beiden Jünger auf der Flucht aus Jerusalem, auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus empfunden und ins Wort gebracht haben, empfinde ich immer mit, wenn ich diese Geschichte aus dem Evangelium lese oder höre: „Brannte uns nicht das Herz?!“

Für alle Fälle kurz nacherzählt: Zwei Jünger, Männer also, die irgendwie Gefallen an Jesus und seiner Weise der Predigt und des Auftretens gefunden haben und ihm „anhängen“, fliehen nach dem, was da in Jerusalem geschehen ist, in ein kleines Dorf nahe der Stadt. Sie tauschen sich aus über alles, was sie erlebt haben, sie hören also in erster Linie aufeinander, der ein hört dem anderen zu. „Dyade“ könnte man das in der Kommunikationslehre nennen.

Plötzlich kommt Jesus hinzu und geht mit. Sie erkennen ihn nicht, er fragt, worüber sie reden, und sie antworten ihm, ob er der Einzige sei, der das mit Jesus von Nazareth nicht mitbekommen habe. All ihre Hoffnung sei durch das Todesurteil und die Kreuzigung dahin. Und jetzt hätten auch noch einige Frauen aus ihrem Kreis gesagt, er lebe, seinen Leichnam haben sie nicht gefunden. – Kannst du dir einmal vorstellen, dass dieser geheimnisvolle Dritte „innerlich“ ist, dass die Dyade hier aufgebrochen wird auf einen innerlichen Dritten, der die beiden Jünger verbindet? Die Dyade wird geistlich aufgesprengt, geweitet.

Aber so weit sind wir noch nicht. Unverständig, so nennt der immer noch Unbekannte die beiden, und erklärt ihnen aus der Schrift, warum alles so habe kommen müssen. Gegen Abend erreichen sie das Dorf, die beiden bitten den Dritten, zu bleiben, es sei schon Abend, der Tag habe sich geneigt. Im Zimmer nimmt der Fremde Brot, spricht den Lobpreis, bricht es gibt es den beiden. Jetzt werden ihnen die Augen aufgetan und sie erkennen ihn, Jesus aber entschwindet ihren Blicken. Und da ist er, der mich immer wieder berührende Satz: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift eröffnete?“ Noch in derselben Stunde, des Nachts, brechen sie auf, kehren um nach Jerusalem, suchen die Elf und erfahren dort, dass der Herr dem Simon erschienen sei. Sie halten mit und erzählen, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn beim Brechen des Brotes erkannt haben.

» Der fünfte Schritt der Phönixerfahrung: Die Geburt: Der neue Phönix wird geboren. «
Vonjahr, Anne (2023). Die Phönixerfahrung. Wie du auf einer magischen Reise deine Schatten heilst und dein wahres Selbst erkennst, München, 57.

Inneres Hören als fünfter Schritt der Phönixerfahrung Jesu

Im fünften Schritt der Phönixerfahrung wird die Geburt des neuen Phönix beschrieben. Mit Ostern taucht ein wesentlicher Perspektivwechsel auf. Die ersten vier Schritte der Phönixerfahrung erfuhr und erlebte Jesus selbst – im Bild der Vogel dessen Nest in Brand gesetzt wird, der zu Asche zerfällt und stirbt. Jetzt geht es um den neuen Phönix – von daher ist klar, dass die kommenden beiden Schritte nicht mehr von Jesus selbst als Person, die er war, erlebt und erfahren werden, er ist aber der, der diese beiden Schritte letztlich ermöglicht und initiiert. Ohne den Weg des alten Phönix kein neuer Phönix. Ohne Christus keine Christen! Allerdings macht dieser Mythos es deutlicher als alle christliche Theologie (die Mystik vielleicht ausgenommen): der neue Phönix ist keine Wiedergeburt des alten, aber sein Leben, sein Schicksal, die Schritte seiner Phönixerfahrung werden in seiner Zeit die des Vorgängers sein. Christsein meint nicht, des „alten“ Christus gedenken und (z.B. liturgisch) nachspielen, was war – z.B. am Kreuzweg an Karfreitag oder in Passionsfestspielen. Es heißt auch nicht (z.B. dogmatisch) durch Gesetze, Gebete und Riten das Alte oder den Alten „vergegenwärtigen“. Christsein meint m.E. ein Einschwingen in den „Circle of life“, in die wiederkehrenden Schritte der Phönixerfahrung, und darin auf die Stimme Christi in Dir zu hören, sie ggf. mit anderen zu teilen oder zu vertiefen, und dann danach zu leben. Das Entscheidende ist das Hören.

In der Geschichte der Emmaus-Jünger sprechen die beiden über all das, was sich ereignet hatte, erzählt Lukas. Der eine hört dem anderen zu, hoffentlich, auf die Idee, in sich hineinzuhören und nach den „inneren Bewohnern“ zu fragen, kommen sie noch nicht.

Während sie reden und ihre Gedanken austauschen, erzählt Lukas weiter, kommt Jesus selbst hinzu und ging mit ihnen. Doch ihre Augen seien gehalten auf das, was war, sodass sie ihn in dem, was ist, nicht erkennen. Dann kommt der Wendepunkt: Was sind das für Dinge, fragt Jesus, über die ihr miteinander redet? Jetzt hören sie in sich hinein, erzählen vom Propheten Jesus, der ans Kreuz geschlagen und ermordet wurde, wo sie doch die Hoffnung haten er werde Israel erlösen. Und dann die Botschaft der Frauen… Jesus kontert: Ihr Unverständigen! Und er legt ihnen aus der Schrift dar, was da in Jerusalem geschehen ist.

» Der sechste Schritt der Phönixerfahrung: Das neue Leben: Der junge Phönix breitet seine Flügel aus. «
Vonjahr, Anne (2023). Die Phönixerfahrung. Wie du auf einer magischen Reise deine Schatten heilst und dein wahres Selbst erkennst, München, 58f.

Lobpreis, Brot und Wein, das Leben in Gefährtenschaft als sechster Schritt der Phönixerfahrung Jesu

Lass mich hier für zwei Zeilen unterbrechen, hier beginnt der nächste Schritt der Phönixerfahrung. Dieser sechste Schritt nimmt das neue Leben in den Blick. Der junge Phönix breitet seine Flügel aus. Denn auch das findet sich im Evangelium von den Emmaus-Jüngern.

In diesem „Geist“ des Erlebens und des Erfahrens – Erfahrung ist immer gedeutetes Erleben – möchten die beiden zusammenbleiben, sie bitten Jesus – den sie vielleicht wirklich nicht „gesehen“ haben – zu bleiben (was anderes ist das „Komm, Herr Jeus, sei du unser Gast …“ auch nicht!). Lobpreis, Brot brechen, mit ihm Wein teilen – da könnte ihnen klar geworden sein, dass (um im Bild zu bleiben) der neue Phönix geboren wurde, in ihnen geboren wurde. Das erklärt auch, warum der neue Phönix, warum die beiden ihre Flügel ausbreiten und ins Fliegen kommen, ihre Füße unter den Arm nehmen und zurück nach Jerusalem eilen. Hier schließt sich der Kreis: Sie hören einander zu, teilen, was sie erfahren haben, und ahnen den neuen Phönix, den neuen Christus in sich, wenn Erlebte ebenso wie das Brot geteilt wird. Ein wenig kindlich möchte ich sagen: Der neue Christus, der neue Phönix wird flügge.

» Wenn du den Ruf deines inneren Phönix hörst, ist es an der Zeit, alte Ideen, Glaubenssätze und Vorstellungen loszulassen. Was du einst als deine Identität und deine Sicht auf dein Leben betrachtet hast, muss sterben, um Raum für dein neues Potential zu kreieren, das geboren werden will. «
Vonjahr, Anne (2024): Die Phönixkarten. 44 Archetypen für dein inneres Licht, Kiel, 131.

Alles, was zu Ende geht, ist zugleich auch Teil deines neuen Anfangs – Die Perspektive des Phönix

Mich fasziniert an Anne Vonjahrs „Phönixerfahrung“[1], dass in der Beschreibung der alte Phönix stirbt und ein neuer Phönix ersteht. In den das Buch begleitenden Karten[2] wird der Phönix unter die „inneren Bewohner“ summiert, er steht neben 43 anderen „Archetypen“, mit denen du ins Gespräch kommen kannst, um deine Phönixerfahrung zu gestalten.

Da wäre dann wieder der „Christus in uns“, der „Christus in dir“ und der „Christus in mir“. Für ihn gilt all das, was Anne Vonjahr dem „inneren Bewohner“, dem Phönix, zuschreibt. Die Botschaft des Phönix ist: „Alles, was zu Ende geht, ist zugleich auch Teil deines neuen Anfangs. Ohne das, was war, würde es diesen neuen Anfang nicht geben können.“[3]

Dich an der Lichtseite treffend, bewirkt die Stimme des Phönix Transformation, Reinigung, Erneuerung, Hoffnung, Widerstandsfähigkeit, Selbstverwirklichung, Mut und Wiedergeburt. Trifft die Stimme dich an der Schattenseite, so verläufst du dich in eine Wiederholung von Mustern, bleibst gefangen in der Opferrolle, hast Angst vor Veränderung und Widerstand gegenüber dem Loslassen, du wirst Festhalten an Altem und in der Vergangenheit leben, schlimmstenfalls verweigerst du jedem und allem gegenüber Akzeptanz.[4]

Zum Ende hin: schau doch mal, ob du das nicht alles auch in der Emmaus-Geschichte finden kannst. Und ohne die Lesungen aus der Apostelgeschichte zu spoilern: du wirst sehen, sie sind voll davon. Und erst die Kirchengeschichte! Aber die spannendste Frage ist: Lass uns doch mal aufeinander hören und ein wenig unsere Lebensgeschichte teilen – ob wir das nicht auch kennen?!

Dir und denen, auf die du hörst und die dir zuhören, mit denen du etwas teilst und dich selbst teilst und hingibst, ein frohes Osterfest.

Soviel für heute!

Köln, 15.04.2025
Harald Klein

[1] vgl. Vonjahr, Anne (2023): Die Phönix-Erfahrung. Wie du auf einer magischen Reise deine Schatten heilst und dein wahres Selbst erkennst, 2. Aufl., München.

[2] vgl. Vonjahr, Anne (2024): Die Phönixkarten. 44 Archetypen für dein inneres Licht. Anleitungen und Deutungen, Begleitbuch zu den Karten, Königsfurt, 130-132.

[3] a.a.O., 132.

[4] ebd.