Erkläre Du mal Himmelfahrt…
Vor wenigen Tagen berichtete die Seite der Deutschen Bischofskonferenz über eine Umfrage, in der es um die Bedeutung von Christi Himmelfahrt ging.[1] Immerhin: 31 % können sie „eher gut“ beschreiben, 13 % „sehr gut“, 20 % „überhaupt nicht“ und 27 % „eher nicht gut.“ Abgesehen davon, dass hier 101 % der Antworten wiedergegeben wurden, war die „Erklärung der katholischen Kirche“, die dann im Artikel gegeben wurde, vielleicht auch nur bedingt aufschlussreich: „Himmelfahrt“ bezeichne den „endgültigen Eintritt der menschlichen Natur Jesu in die göttliche Herrlichkeit.“ Naja, den Umfrageergebnissen nach werden es wohl nur 13 % sein, die mit dieser Beschreibung und Aussage auch „sehr gut“ etwas anzufangen wissen. Immerhin! Mehr als die Zahl der Gottesdienstbesuchenden bzw. der Teilnehmenden an den katholischen Gottesdiensten an den Sonntagen, der lag 2022 bei 5,7 %[2].
Wir stehen heute am Ende eines Sprachbogens, der Jesu Erfahrungen (in den Evangelien der Fastenzeit), der das Geschehen an Ostern und danach vor allem die Erfahrung Jesu, wie sie (in den Evangelien der Osterzeit) den Jüngern und den Frauen um Jesus nach seiner Auferstehung zuteil wurde, in eine nicht-theologische und doch Gott widerspiegelnde Sprache zu bringen versucht hat. Alle Worte, die uns Rainer Maria Rilke und sein Biograf Gunnar Decker gegeben habe, laufen jetzt dem „Punkt Omega“ zu, dem Schlusspunkt, der im Abschluss des sog. Osterfestkreises zu finden ist, im Pfingstgeschehen, in der Gabe des Geistes.
Wie sieht es wohl aus, wenn nach der Auskunftsfähigkeit über die Bedeutung des Pfingstfestes gefragt würde? Und welche Sprache müsste gewählt werden, damit die 13%-Marke des „sehr gut“ übertroffen würde?
Von Himmelfahrt… – Übergang in den Herrschaftsbereich Gottes
Mit viel Vergnügen habe ich heute auf der Internetseite des ZDF einen ersten guten Hinweis auf das Pfingstfest gefunden – allerdings in der Erklärung des Himmelfahrtstages:
„Himmelfahrt wird allerdings in der Theologie kaum noch wörtlich als wirkliche Reise verstanden. Der Himmel ist danach kein geografischer Ort, sondern der Herrschaftsbereich Gottes. Die Feier (erg.: der Himmelfahrt) war zuerst mit dem Pfingstfest verbunden, ehe sich seit dem vierten Jahrhundert ein eigenständiges Fest entwickelte. In Anlehnung an die Apostelgeschichte wird Christi Himmelfahrt am 40. Tag nach Ostern gefeiert. Mit der Himmelfahrt verbunden ist das Versprechen Jesu, seinen Anhängern zur Stärkung seinen Heiligen Geist zu senden. Zehn Tage nach Himmelfahrt feiern die Christen deshalb das Pfingstfest, das Fest der Aussendung des Heiligen Geistes.“[3]
Offen bleibt hier allerdings, ob eine solche Erklärung die 13%-Marke zu sprengen vermag, oder anders: ob diese Erklärung eine „sehr gute“ lebens- und erlebensrelevante Deutung ist.
… zu Pfingsten – Leben im Herrschaftsbereich Gottes
Hin zu Rilke, dessen Sprache und Wortwahl – das haben die vergangenen Wochen belegt – ein anderes, ein persönlicheres und tieferes Verständnis von Jesu Erfahrungen bzw. der Erfahrung Jesu möglich macht, allein dadurch, dass er Sprache – und nur Sprache – „verdichtet“. Er benutzt keine Kunstbilder oder Kunstfiguren, um sich, sein Leben und Erleben, um die Welt und den Himmel deuten zu wollen, er „bildet“ Sprache und in der Sprache „bildet“ er sein Erleben ab.
Gunnar Decker zitiert einen Brief Rilkes, der diesen Verzicht auf religiöse Artefakte oder Bilder beschreibt. Rilke benennt den daraus entspringenden Ernst, in dem er, Rilke, sich sieht und bietet ihn in diesem offenen Brief anderen Menschen an: „Hier ist der Engel, den es nicht gibt, und der Teufel, den es nicht gibt; und der Mensch, den es gibt, ist zwischen ihnen, und, ich kann mir nicht helfen, ihre Unwirklichkeit macht ihn mir wirklicher.“[4]
Um Pfingsten zu feiern, braucht es keinen Engel und keinen Teufel, aber den Menschen, der sich wirklicher nimmt, realistischer, weder dem einen, noch dem anderen, nur sich selbst ausgeliefert – oder eben weder dem einen, noch dem anderen, nur sich selbst geschenkt. Und es braucht die Wahl des Angebotes Gottes, die Annahme des Geistes, der Jesus belebt hat, es braucht den Übergang in den bzw. das Leben im Herrschaftsbereich Gottes. Das ist die tägliche, die beinahe stündliche und immer wiederkehrende Wahl, im Herrschaftsbereich Gottes zu bleiben, zu wohnen, sich einzurichten. Der ist nicht in einem fernen Himmel, denn dieser Himmel ist in Dir, die Psalmen in der Heiligen Schrift Israels nennen das Herz als den Ort, wo Gott seinen Herrschaftsbereich in Dir errichtet.
Es ist ein Zwist in der Sprache vom Göttlichen vom Herrschaftsbereich Gottes, es ist ein Dualismus im Religiösen zwischen Himmel und Erde, zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Dunkel und zwischen Leben und Tod, zwischen Immanenz und Transzendenz. Diesen Zwist wird kein Konklave, kein Synodaler Rat und keine Theologenkonferenz beilegen können, und diesen Zwist wird kein aufgeklärter Christ, kein in den Religionen nach Sinn suchender Mensch auflösen können, wenn die Bereitschaft fehlt, das eine im anderen zu sehen und zu suchen, und aus dem einen das andere zu deuten. Beides – Immanenz und Transzendenz – hat Platz in dem einen Herrschaftsbereich Gottes, und beides wird darin eine Veränderung seiner selbst erfahren, wenn sie diese Veränderung zulässt, wenn beide die „Gebrauchsanweisung Gottes“ beachten, die der Auferstandene seinen Jüngern an Pfingsten weitergibt: „‘Friede sei mit Euch. Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch.‘ Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: ‚Empfangt den Heiligen Geist!‘“
Bei Rilke klingt das dann so:
„Das Hiesige recht in die Hand nehmen, herzlich, liebevoll, erstaunend, als unser, vorläufig. Einziges: das ist zugleich, es gewöhnlich zu sagen, die große Gebrauchsanweisung Gottes, die meinte der heilige Franz von Assisi aufzuschreiben in seinem Lied an die Sonne, die ihm im Sterben herrlicher war als das Kreuz, das ja nur dazu dastand, in die Sonne zu weisen.“[5]
„Das Hiesige recht in die Hand nehmen, herzlich, liebevoll, erstaunend, als unser, vorläufig. Einziges … – jetzt dazu eine Umfrage machen und das als Erklärung von Pfingsten anbieten? Ich bin sicher, es wären mehr als 13 %, die es „sehr gut“ verstünden.
Für die Zeit im Jahreskreis, die jetzt wieder fortgesetzt wird, nach den Fasten- und Osterzeit-Tagen möge uns diese „Gebrauchsanweisung Gottes“ am Badezimmerspiegel entgegenlächeln, um mit ihr den Tag zu beginnen und zu beenden.
Amen.
Für A.W., der heute das Lebensalter Jesu hinter sich lässt!
Köln, 19.05.2024
Harald Klein
[1] vgl. [online] https://katholisch.de/artikel/53165-umfrage-so-viele-deutsche-kennen-bedeutung-von-christi-himmelfahrt [09.05.2024]
[2] vgl. [online] https://katholisch.de/artikel/47162-jeder-zweite-katholik-in-deutschland-geht-nie-in-den-gottesdienst#:~:text=Seit%20Jahren%20sinkt%20der%20Gottesdienstbesuch,noch%205%2C7%20Prozent%20aus. [09.05.2022]
[3] vgl. [online] https://www.zdf.de/nachrichten/wissen/christi-himmelfahrt-feiertag-bedeutung-100.html [09.05.2024]
[4] Sieber, Carl (Hrsg.)(1996): Über Gott. Zwei Briefe, Frankfurt am Main und Leipzig, 30. Die heute gültige Rechtschreibung wurde angepasst.
[5] ebd.