Philosophie von gestern – für heute?!

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Die Idee:

Die antike Philosophie der Stoa – ihre Vertreter sind vor allem Epiktet, Marc Aurel und Seneca – zeichnet sich durch häufige Dualismen aus. Was steht in deinen Möglichkeiten, was nicht? Was kannst Du ändern – dann ändere es? Was nicht – dann nimm es hin. Das sog. „Gelassenheitsgebet“ des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr (1882-1971) bringt die Idee der Stoa mit dem christlichen Glauben in Einklang: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden“.

Hier sind einige Zitate der Stoiker notiert.[1] Wir lesen reihum die Zitate vor. In einer Zeit des Schweigens wähle ich das Zitat aus, das mich jetzt am ehesten anspricht. Erst danach gehen wir in 2er- oder 3er-Gruppen in den Austausch, der durch die Impulsfragen strukturiert werden kann.

Impulse fürs Gespräch:

Ein Wort von Epiktet: „Einige Dinge stehen in unserer Macht, andere nicht. Wir beherrschen unser Denken, unsere Entscheidungen, unsere Wünsche und Abneigungen, kurzum, alles, was sich aus uns selbst heraus entwickelt. Wir beherrschen nicht unsere Körper, unseren Besitz, unser Ansehen und unsere Stellung, kurzum, alles, was sich nicht aus uns entwickelt. Die Dinge, die wir beherrschen, sind sogar von Natur aus frei, ohne Hindernisse und Beschränkungen, während jene Dinge, die wir nicht beherrschen, anfällig, abhängig und beschränkt sein können, und sie sind nicht unser eigen.“ (25)

Ein Wort von Epiktet: „Denke daran, dass es nicht nur unser Verlangen nach Reichtum und Erfolg ist, dass uns unterjocht und erniedrigt, sondern auch das Verlangen nach Frieden, Freizeit, Reisen und Bildung. Um welches Objekt es sich handelt, ist egal – es ist der Wert, den wir einer Sache beimessen, der uns unterwürfig macht […] Wo unser Herz hinstrebt, das ist unsere Bürde.“ (69)

Ein Wort von Marc Aurel: „Gib den äußeren Umständen nicht die Macht, deinen Ärger zu provozieren, denn ihnen ist es völlig egal.“ (71)

Ein Wort von Epiktet: „Wir flehen Gott den Allmächtigen an – wie können wir diesen Schmerzen entkommen? Dummkopf, hast du keine Hände? Oder hat Gott etwa vergessen, dir welche zu geben? Setz dich hin und bete, dass dir die Nase nicht läuft. Oder, noch besser, putz dir die Nase und hör auf, nach einem Sündenbock zu suchen.“ (179)

Ein Wort von Epiktet: „Wir sollten unsere Vorhaben nicht aufgeben, bloß weil wir befürchten, sie nie zur Vollendung bringen zu können.“ (247)

Ein Wort von Marc Aurel: „Es ist wichtig, dass die Beachtung, die du jeder Tat beimisst, proportional zu ihrem Wert steht, denn dann wirst du nicht so schnell müde werden und aufgeben, was passiert, wenn du dich mit Kleinigkeiten beschäftigst, die mehr Aufmerksamkeit beanspruchen, als sie verdienen.“ (259))

Ein Wort von Seneca: „Ich halte dich für bedauernswert, weil du noch kein Unglück erlebt hast. Du bist ohne Widersacher durchs Leben gegangen – niemand kann jemals wissen, wozu du fähig bist, auch nicht du selbst.“ (274)

Die Fragestellungen für den Austausch:

  1. Was hat mich dazu bewogen, dieses Zitat zu wählen?
  2. Welche Emotionen löst das Zitat bei mir aus?
  3. Welche Gedanken kommen mir sofort zu diesem Zitat?
  4. Welche persönliche und/oder gesellschaftliche Situation kommt mit diesem Zitat in mir zum Klingen?
  5. (Wie) kann dieses Zitat eine Wegweisung sein, diese persönliche und/oder diese gesellschaftliche Situation zu gestalten?
  6. Steht für mich dieses Zitat als Einmal-Aussage, die ggf. wiederholt werden kann – oder kann die Aussage des Zitats zu einer persönlichen Haltung werden? (Wenn Letzteres der Fall ist: welchen Namen hat die Haltung? Z.B.: „Ich möchte mich einüben in die Haltung der/des …!“

Köln, 21.03.2023
Harald Klein

[1] Die Zitate sind entnommen aus: Holiday, Ryan/Hanselman, Stephen (2021): Der tägliche Stoiker. 366 nachdenkliche Betrachtungen über Weisheit, Beharrlichkeit und Lebensstil, 10. Auflage, München. In Klammern sind am Ede der Zitate die Seitenzahlen eingefügt.