Rezension zu: Wils, Jean-Pierre (2024): Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft, Stuttgart

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Im Anfang war ein Podcast

Mein Interesse an Jean-Pierre Wils‘ „Verzicht und Freiheit“ wurde in einem Podcast von WDR 5 geweckt. Anfang November tauschten sich Jürgen Wiebicke, der verantwortliche Redakteur für das „Philosophischen Radio“ bei WDR 5, Jean-Pierre Wils, der Autor, und Anrufende, die sich in den Gedankengang einbringen konnten, über Wils‘ Thesen und Vorschläge aus. Der Podcast konnte nur ein Teaser, ein Appetizer für das Buch sein – das, was hier zur Sprache kam, fand ich gleich im Vorwort wieder.

Drei Ansatzpunkte innerhalb des Vorworts finde ich bemerkenswert. Wils geht es darum, Betrachtungsweisen umzukehren, um in der Frage nach Lösungswegen in der Klimakatastrophe – und nicht nur dort – weiterzukommen. Er verweist, ein erster Ansatzpunkt, auf den Sommer 2023 und die sich auf Startbahnen festklebenden Klimaaktivisten. Dann bietet er den Lesenden ein Reframing an und fragt, wer denn die wahren „Ökoterroristen“ seien und wer in der Tat die rote Linie überschritten habe – die Anklebenden oder die Abhebenden, die Erdverbundenen oder die Davonfliegenden? Auf welcher gewählten und entschiedenen Grundlage sind die einen, auf welcher gewählten und entschiedenen Grundlage sind die anderen „Ökoterroristen“? Und was ist diesseits, was jenseits der „roten Linie“? Wer darf von sich behaupten, das Deutungsrecht zu besitzen?

Ein zweiter Ansatzpunkt nimmt Sprache und Begriffe in den Blick und scheint den ersten weiterzuführen. Wils fordert eine begriffliche Neuaufstellung und betont die Rolle der Sprache. Sprache entscheide mit über die Angemessenheit und Unangemessenheit der Weltwahrnehmung, sie entscheidet auch mit über die aus dieser Wahrnehmung zu ziehenden Konsequenzen und Praktiken. Von daher müssen Begriffe wie Verzicht und Freiheit neu gedacht und in Beziehung gesetzt werden. Wer kann das leisten?

Die Richtung, in der diese beiden Begriffe zu denken sind, bildet den dritten Ansatzpunkt. „Verzicht“ – im Buchtitel der Freiheit vermutlich bewusst vorangestellt – meint nicht einen unnötigen Negativismus, der der der „Fetischisierung des Freiheitsapostolates“ entgegensteht. Angesichts der Krisen in der Welt geht es nicht darum, dass wir weniger, sondern dass wir anders, vielleicht sogar besser frei werden. Die Autonomie des Menschen, unser Wille kann nur noch wollen. Diese Engführung des Willens, des Wollens, dieses Verstehen von Freiheit zu überwinden hilft eine Neujustierung des Begriffes des Verzichtes und der Freiheit. Dies zu leisten vermag die Philosophie.

» Es ist Aufgabe der Philosophie, die Welt deuten zu helfen, die schwierigen Wirklichkeiten, in denen wir leben, verstehen zu lernen, unser Tun und Lassen gegebenenfalls zu korrigieren. «
Wils, Jean-Pierre (2024): Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft., Stuttgart, 21.

Das erste Kapitel zeigt einen Spannungsbogen zwischen dem Rückzug in Nostalgie und dem Wagemut zu radikaler Hoffnung. An Beispielen aus der Literatur und aus der Geschichte zeigt Wils, dass Nostalgie (einer ersten Möglichkeit des unproduktiven Umgangs mit der Krise) und Realitätsverweigerung (i.S.v. gewalttätigem Beibehalten des Status quo als zweite Möglichkeit) den Pfad des unproduktiven Umgangs mit Krisensituationen säumen. Notwendig ist bzw. die Not wenden kann als dritte Möglichkeit nur eine mutige Umkehr. Am Beispiel des dem Untergang geweihten Stammes der Crow aus der indigenen Bevölkerung Nordamerikas wird deutlich: Damit diese mutige Umkehr gelingt, muss das kulturelle Psychogramm des Kollektivs umgeschrieben, müssen psychische Widerstände überwunden, die bequemen und eingeübten Bahnen der Selbst- und Weltwahrnehmung verlassen werden. Genau das bedeutet ‚radikale Hoffnung‘ – sich mutig um die Bewältigung einer unsicheren Hoffnung kümmern.

» Darüber hinaus verlieren wir unsere Selbstachtung, sobald wir das Richtige erkennen und dennoch nicht danach handeln. «
Wils, Jean-Pierre (2024): Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft., Stuttgart, 56.

Ob ein Erschrecken oder wenigstens die Fähigkeit, noch erschrecken zu können, der gegenwärtigen Situation (noch) helfen kann? Im zweiten Kapitel versucht Wils, an den Mut zur Realität zu appellieren. Er bedient sich verschiedener Phänomene der Klimakrise, die er lieber Klimakatastrophe nennen möchte: eine Krise hat einen Beginn und ein Ende, das „Ende“ der Klima-Krise ist jedoch nicht nur nicht in Sicht, sondern sogar nicht erwartbar.

Für mich unerwartet, aber einsichtig begründet, geht Wils an dieser Stelle auf den Wohnungsbau ein. Ihn bezeichnet er als einen Klimazerstörer ersten Ranges vor. Seine der Moderne zugehörige Obsoleszenz, d.h. seine erwünschte Kurzlebigkeit, gründend in der Herstellungsweise des Produkts spielt hier mit hinein, ebenso wie die Stabilität des Geschaffenen, die zu einem Synonym für Profitfeindlichkeit wird. Der ständige ‚Neubau‘ bilde lediglich eine Vorstufe zum rasanten ‚Abbau‘, so Wils. Dieser Mechanismus kann m.E. auf den Lebensstil der späten Modernen angewendet werden, der die Klimakrise oder besser: Klimakatastrophe zumindest begünstigt, eher sogar herbeigeführt hat. Die Kosten, die dieser Mechanismus und dieser Lebensstil hat, werden zeitlich wie räumlich „ausgelagert“.

Wils appelliert mit Blick auf die Selbstachtung des Menschen an dessen Ehrlichkeit. Die Selbstachtung gehe verloren, wenn man das Richtige erkannt habe und dennoch nicht danach handle. Aber genau das geschehe, vor allem dadurch, dass ganze Gesellschaften in Scheinrealitäten Zuflucht nähmen. Es gehöre das Eingeständnis zu dieser Ehrlichkeit, dass es nicht nur oder auch nicht mehr nur „vorwärts“ gehen müsse oder könne. Der „Autonomie“ und der “Selbstbestimmung“ Einzelner oder vieler stehen immer noch reale Umwelten oder manche Widrigkeiten des Lebens anderer gegenüber, die um der „Autonomie“ oder der „Selbstbestimmung“ einfach ausgeblendet werden. Wils bezeichnet diesen Vorgang als Frucht einer „halbierten Anthropologie“.

Vielleicht gehört es in diesem Zusammenhang zu den schwersten Eingeständnissen, den Kontrollverlust hinzunehmen. Keiner weiß, wann und was geschieht, wenn diese Abwehr- oder Verdrängungsmechanismen auf welcher Ebene auch immer nicht mehr funktionieren?

» Dazu gehören Begriffe wie ‚Verzicht‘, ‚Einschränkung‘, ‚Anpassung‘, ‚Maß‘ und ‚Verbot‘. Diese sind allesamt keine Sympathieträger. Sie lösen Befremden und Argwohn aus. Sie sind jedenfalls ungewohnt. «
Wils, Jean-Pierre (2024): Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft., Stuttgart, 85 .

Im dritten Kapitel behandelt Wils das Zwielicht des Luxus. Mit „übergewichtigem Leben“ zeigt er schon in der Überschrift des Kapitels seine Blickrichtung. Luxus kann definiert werden als all das, was über das Notwendige hinausgeht. Auf diese Weise wird der Begriff offenbar zu einem Relationsbegriff, der erst dann einen greifbaren Inhalt bekommt, wenn man weiß oder sich darüber einigen kann, was „das Notwendige“ sei.

Luxus werde durch den Ausstieg aus dem Kreislauf von Produktion und Reproduktion bewirkt, er könne so als ein Zeichen von Befreiung und Emanzipation verstanden werden. Zu einer Überdehnung des Luxus muss es zwangsläufig dann kommen, wenn er als Flucht oder Narkotikum einer überbeanspruchenden Welt herangezogen wird. Gerechtigkeitsvergessen wird der eigene Luxus dann auf den Schultern anderer erworben. Wils fasst das in ein treffendes Bildwort: man könne den Tod nicht riechen, solange man in einer parfümierten Welt lebe. Angesichts der Klimakatastrophe plädiert Wils für einen Verzicht auf allen Genuss – denn erst dann könne in der Gegenwart der Katastrophe der Genuss beginnen und nur so könne der Verzehr der Welt enden.

» Die Ausgeschlossenen sind die Eingeschlossenen in den Müllablagerungen der Ausschließenden. «
Wils, Jean-Pierre (2024): Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft., Stuttgart, 139.

Das vierte Kapitel stellt dem „übergewichtigen Leben“ die „magersüchtige Freiheit“ unter dem Blickpunkt ihrer Abschaffung“ gegenüber. Für mein Verständnis finden sich hier die Kerngedanken der „Noch-Utopie“ des Autors. Versehen mit der Überschrift „Temperaturanstiege“ zeigt Wils, wie sich der Begriff und das Verständnis von Freiheit über Jahrhunderte hinweg entwickelt hat – von einer Errungenschaft, die einer Gesellschaft zugeschrieben wurde, hin zu einer Forderung, die dem Individuum gilt – und das in zwei Weisen: Individuen können sich rechtlich auf Freiheiten berufen – und erleben sich gleichzeitig unter Druck stehend, ihre Freiheiten bestmöglich zu nutzen, es sei nur an den Begriff der Selbstoptimierung erinnert. Eine Frucht der überdehnten Autonomie sei es, ständig müssen zu müssen, um Geltung zu haben (der Sprachwitz des Autors lässt schwere Inhalte, verbunden mit anderen Kontexten, zumindest ab und an mit einem Lächeln lesen, wenn sie wie hier dem Werbungs-Zusammenhang entnommen sind!)

Kernpunkt des Kapitels sind die Beschreibungen der drei Fehldeutungen des Freiheitsbegriffes:

(1) Der „Negativismus der Freiheit“ pocht auf die größtmögliche Selbstentfaltung und erlebt die Begegnung oder die Berührung mit der Freiheit eines anderen als Störung. Diesem Negativismus der Freiheit geht es vor allem darum, auf sich bezogen, möglichst unbehelligt von anderen, auch vom Staat, das eigene Selbstentfaltungspotential ausleben zu können. „Freiheit“ wird hier immer erlebt als „Freiheit von…“.

(2) Der „Naturalismus der Freiheit“ geht davon aus, dass des Menschen Frei-Sein eine existenzielle Gegebenheit, ein anthropologisches Faktum ist. M.a.W.: Wir betreten die Welt mit dem uns auszeichnenden Merkmal, freie Wesen zu sein. Die Freiheit gehört zu unserer Ausstattung. Sobald der Mensch ‚Ich‘ zu sich sagen kann und sich als Subjekt, das zur Eigeninitiative fähig ist, erfährt, betritt er, so Wils, jedenfalls einen Pfad, der freiheits-initiiert, freiheits-ambitioniert, freiheits-erweiternd und freiheits-finalisiert ist. Ausgesprochen erhellend und spannend ist Wils‘ Ausflug ins Staatsrecht und zu Ernst Wolfgang Böckenförde, der bereits 1967 nach der Möglichkeit fragte, wie ein solcher Pfad vom Staat gesichert und getragen werden kann. Böckenförde kam zum Schluss, dass der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht garantieren könne. Es braucht nicht viel Fantasie, um dieses sog. Böckenförde-Theorem auch parallel zu setzen auf die Frage nach der Freiheit in einem naturalistischen Verständnis und in ihrer Verquickung mit der Klimakatastrophe. Freiheit kann nicht mehr und nicht zuerst oder allein als subjektives Recht gesehen werden.

(3) Als „absolutistische Fehldeutung der Freiheit “ sieht Wils die dritte Fehldeutung. Sie beschreibt die Freiheit als persönliches Eigentum und demnach im Grunde als unteilbar. Freiheit gehört zum Besitz des Individuums, und der Besitz hat den „Nimbus des nahezu Unantastbaren“. Diese Fehldeutung geht vom Individuum und seiner vermeidlichen Verfügungsgewalt über eine solche Freiheit aus. Dem ist notwendigerweise gegenüberzustellen, dass sich jede Bewegungs-, Handlungs- und Entscheidungsfreiheit einem komplexen Netzwerk von Erlaubnissen und Verboten, von Lizenzen und Limitierungen, von Möglichkeiten und Verzichten, von Tun und Lassen verdanken, ohne welches alle diese Freiheitsäußerungen zugrunde gingen. Wils kommt folgerichtig zu dem Schluss, dass Freiheit, insofern sie sich nur in einem solchen Ensemble von Abstufungen und Abwägungen, von normativen Gesten des Gebens und des Nehmens, von Ansprüchen und Einschränkungen gedeihen kann, ihren Absolutismus verabschieden muss.

Dass diese immer noch Geltung beanspruchenden Fehldeutungen von Freiheit ein Ringen zwischen Unersättlichkeit und Kooperation auf der Mikro-, der Meso und der Makroebene evozieren, beschreibt und illustriert Wils zum Ende dieses Kapitels hin. Deutlich darin die Mahnung des Autors: Wir müssen uns daran erinnern, dass Freiheit ein Beziehungswort ist, eine Vokabel, die auf Rücksichtnahme, Kommunikation und Kooperation hinweist, nicht zuletzt auf Zivilisierung unserer Ansprüche. Unsere Freiheit wird auch in Zukunft kommunikativ und kooperativ sein oder sie wird nicht mehr sein.

» Aus der Erweiterungsgeschichte der Freiheit ist [...] eine Überdehnungsgeschichte geworden, aus der Begehung immer neuer Räume deren progressive Vernichtung. «
Wils, Jean-Pierre (2024): Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft., Stuttgart, 162.

Im fünften Kapitel bahnt Wils wenn nicht Wege, so doch Elemente der Weiterentwicklung, des guten Blicks nach vorn. Es geht ihm in diesen Elementen darum, eine Balance zwischen Einsichten und Wissen auf der einen und Affekte auf der anderen Seite anzustreben. „Verzicht“ hat immer das Politikum und das Privatissimum im Blick und muss von beiden Seiten geleistet werden. Von daher bietet sich ein Rückgriff auf die Kollektiv- und Allmendegüter an. Sie sind weder privat noch marktförmig. Für eine noch unbestimmte Zahl an Gütern wird es eine Begrenzung und daneben ein Regelwerk zur Benutzung geben; diese Güter vertragen sich nicht mit einem privaten Eigentumstitel. Als solche „öffentliche Güter“ zieht Wils z.B. die Rechtssicherheit und die äußere Sicherheit, aber auch den öffentlichen Verkehr und den Einsatz für den Frieden vor Ort, Straßenbeleuchtung und Dämme, das Gesundheitswesen, trinkbares Wasser, das Erdklima und den Klimaschutz u.a.heran.

» Es sei an dieser Stelle noch einmal erinnert an Sloterdijks Formulierung, heutzutage wären ‚Autonomie und Verzweiflung Synonyme‘ geworden. «
Wils, Jean-Pierre (2024): Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft., Stuttgart, 197.

Wils überschreibt sein Schlusskapitel mit „Die Kunst des Provisorischen und die Schaffung von Lebensräumen“. Die die Klimakatastrophe verursachenden Leben- und Arbeitsweisen ermöglichen nur noch „ein Leben danach“, ein den Umständen entsprechend angepasstes Leben ohne große Zukunftsvorstellungen. Zeiten der Verschwendung und der Angeberei seien endgültig vorbei. Die tiefgreifenden Verwandlungen unserer Lebensbedingungen ließen sie nicht mehr zu. Die Existenzweise richte sich nach den Prinzipien der Sparsamkeit und des Verzichts. Wir werden lernen müssen, in Provisorien zu leben.

Fünf Aufgaben seien uns gestellt , und deren Beantwortung können dazu beitragen, dieses Leben zu gestalten. (1) Die Aufgabe, an den Orten zu bleiben, an denen wir sind, und in demokratischer Weise vor unserer Haustür das Leben gemeinsam zu gestalten. (2) Die Aufgabe, eine persönliche Bedürfnisökologie zu beschreiben und daraus einen eigenen und realistischen Bedürfnishaushalt zu entwickeln. Hier ist auch die Weise unserer Sprache den Bedürfnissen gegenüber auf den Prüfstand zu stellen. (3) Die Aufgabe, die Illusion des Weges des Weiter-so zu verabschieden und die eigene Realitätsverleugnung aufzuheben. (4) Die Aufgabe, die öffentlichen Güter als solche wieder zu rehabilitieren: Wohnen, Bildung, medizinische Versorgung und Pflege, Energie- und Wasserversorgung, nicht zuletzt ein bewohnbares Klima. Hier werden Bedingungen für ein sicheres und zivilisiertes Leben in einer „Fundamentalökologie“ bereitgestellt. (5) Die Aufgabe, mutig unser Sprachregister zu erweitern, d.h. Verbots- und Verzichtsbegriffe nicht mehr zu tabuisieren und Begriffe wie „Maßhalten“, „Sparsamkeit“, „Einschränkung“ von ihrem Nimbus des Negativen zu befreien. Auf diese Weise können Menschen sich in der Lebensform der „Selbstbescheidung“ einrichten.

Nach der Lektüre

Es ist später Abend, ich höre den Podcast im dunklen Zimmer. Und allein schon das Zuhören weckt in mir die Neugier, diese Gedanken auf den Advent und auf die Weihnachtszeit zu beziehen. Die Evangelien rufen in der Adventszeit zur Umkehr auf, an Weihnachten zeigen sie Erfüllung, wenn auch in unerwarteten Bildern. Nach Weihnachten werden einzelne und Gruppen gerufen, auch in Pflicht genommen. Eine andere Welt bricht ein, eine neue Welt bricht an.

Vielleicht sind es die Sprachspiele, die Jean-Pierre Wils an diesem Abend – und auch im Buch – bringt. Vielleicht ist es der Mut, den er zuspricht, die Sprache zu korrigieren und sie mehr realistisch werden zu lassen. „Aus hartem Weh‘ die Menschheit klagt“ ist ein Adventlied aus dem Jahr 1525, das von Kriegsschäden und der Not der Menschen singt – es ist schon eine Art der Erweiterung des Sprachregisters, ein solches Lied zu singen und nicht bei einem „Kling, Glöckchen, klingeling“ stehenzubleiben. Der – wenn auch nur erzählten – Lebenswirklichkeit der Hirten, der Weisen, des Königs Herodes und der Eltern Jesu auf die Spur zu kommen, die Flucht der Heiligen Familie, aber auch den Sehnsuchtsweg der drei Weisen als Parallele zu erahnen zum Leben in einer Zeit, in der Verschwendung und Angeberei keinen Platz mehr hat und Freiheit in ihren Grenzen wahrgenommen werden muss, das könnte mit den geschriebenen Worten und beschriebenen Haltungen von Jean-Pierre Wils‘ Buch gelingen.

Ich bin gespannt!

Köln, 01.12.2024
Harald Klein