Sommernachtsträume und Herbstbeginn

  • Anstößig - Darüber lohnt es zu reden
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Um was es geht

„Übergangzeiten“ ist das, was wir jetzt gerade – und immer wieder – erleben. Jahreszeitlich wird es wieder „früher“ dunkel, die Stunde, in der Du den Pullover oder die warme Jacke herausholst, rutscht auch nach vorne, ohne dass die leichte Hose und das kurzärmlige T-Shirt schon weggepackt seien. Und die Farben der Natur werden dunkelgrün und braun. Und doch gibt es noch Stunden im Biergarten, am Wasser, im Park, gibt es Sonne, die bräunt und sogar zu verbrennen vermag, ist der Wind zwar mal stürmisch, aber doch auch schmeichelnd und zart.

Rainer Maria Rilke beschreibt diesen Übergang in seinem „Herbstlied“ im „Buch der Bilder“ mit folgenden Worten:

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Die Anstöße zum Gespräch

Unser Gefährtenwandern mag sich genau diesem Übergang stellen. Was war? Was ist jetzt? Worauf schaue ich aus? Ein paar Impulse zum Nachsinnen und fürs Gespräch:

„Der Sommer war sehr groß…“

  • Wenn Du drei Fotos aus diesem Sommer gemacht hättest, auf denen der Sommer „sehr groß“ war – was wäre auf den Fotos zu sehen?
  • Gibt es etwas, das Dir erwachsen ist, das Frucht für Dich getragen hat, etwas, womit Du unerwartet beschenkt wurdest?
  • Gibt es vielleicht auch „Schatten auf den Sonnenuhren“?

„Dränge sie zur Vollendung hin…“

  • Gibt es etwas, mit dem Du „sommers“ noch abschließen möchtest, das nach Vollendung ruft – und dessen Abschluss Dich erleichtern könnte?
  • Gestaltest du den Übergang? Gestaltet der Übergang Dich? Oder ist die Gegenwart eher „gestaltlos“?

„Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, (…) wird (…) in den Alleen hin und her unruhig wandern…“

  • Gibt es etwas, worauf Du Dich im Herbst „um des Herbstes willen“ freust, einfach, weil es Herbst ist?
  • Was kommt im Herbst auf Dich zu – und worauf willst Du (entschieden und bewusst) zugehen?
  • Rilke spricht für den, der allein ist, vom Wachen, Lesen, Briefe schreiben und vom unruhig hin und her Wandern – wie soll das für uns in unseren Bindungen werden?

Köln, 27.09.2023
Harald Klein