Zur Unterscheidung von Wahrheit und Wirklichkeit

  • Aus der Reihe getanzt - Gedankensplitter
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Um was es geht

Eine Binsenweisheit gelingender Kommunikation besagt, dass zum wirklichen Verstehen zwischen Kommunizierenden ein Einverständnis über das besteht, worüber kommuniziert wird.

Mit einfacheren Worten: Alle Beteiligten müssen wissen und verstanden haben, worum es geht, damit über die EINE Sache verhandelt werden kann.

Im geisteswissenschaftlichen und religiösen Kontext ist dies von besonderer Bedeutung, da z.B. eine Vielzahl von „Gottesbildern“ es nahezu unmöglich macht, ÜBER „Gott“ zu sprechen. Dasselbe gilt für Begriffe wie „Meditation“, „gelingendes Leben“.

Fundamental für das Gelingen dieser Kommunikation ist, dass vor allem zwischen WAHRHEIT und WIRKLICHKEIT unterschieden wird. Sehr vereinfacht kann behauptet werden, dass WAHRHEIT ein objektiver Begriff ist, der sich auf das Sein der Sachverhalte bezieht. WIRKLICHKEIT hingegen ist ein subjektiver Begriff, der im Schein der Sachverhalte gründet.

Anders ausgedrückt: WAHRHEIT ist das, was IST. Wirklichkeit ist das, was WIRKT. Ich überlasse es dir, dich dieser Theorie mit eigenen Beispielen und eigenem Erleben zu nähern.

Wirklichkeit und Wahrheit – verdichtet

Ein Gedicht[1] von Matthias Kröner (*1977) gab mir den Impuls zu diesem „Gedankensplitter“ über WIRKLICHKEIT und WAHRHEIT. Das Wannenbad eines lyrischen „sie“ zeigt die Unterscheidung von WIRKLICHKEIT und WAHRHEIT in einer Weise, dass sie beim Lesen und Aufnehmen der Worte beinahe schmerzt – ok, und das wäre dann meineWirklichkeit!

BADEZIMMER

Immer dann,
wenn er heimkommt
nach einem langen Arbeitstag
und sie sieht in der Wanne, die Haare offen,
weiß er wieder,
wofür und warum und weshalb und überhaupt.

Immer dann,
wenn sie heimkommt
von ihrem Geliebten,
nimmt sie ein langes Bad.

Köln, 06.02.2025
Harald Klein

[1] Aus: Kröner, Matthias (2010): Junger Hund. Stories&Friends, Dresden, in: Worms, Oliver (Hrsg.) (2024) Dreizehn + 13 Gedichte, Themenheft Liebe, Hamburg, 128.