Verw:ortet 05/2022: Ichiro Kichimi / Fumitake Koga – Du musst nicht von allen gemocht werden. Vom Mut, sich nicht zu verbiegen (2. Teil)

  • Worte, auf denen ich stehe
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Wie es zur Wahl des Buches kam, ist bereits im „ersten Teil“ der Zitate unter April 2022 beschrieben. Jetzt im Mai sind einige Zitate aus den drei letzten „Abenden“ (= Kapiteln) ausgewählt. Die Auswahl fällt nicht leicht, weil die Denk- und Argumentationszusammenhänge komplex sind. So werden hier einigen Zitate in voller Länge abgedruckt, die aber im Slider auf der Startseite nur teilweise wiedergegeben werden. Die Titel der letzten drei „Abende“ sind „Die Aufgaben der anderen abweisen“, „Wo der Mittelpunkt der Welt ist“ und „Bewusst im Hier und Jetzt leben.“ Auffällig ist, dass die Psychologie Alfred Adlers ein Ausprobieren voraussetzt, das sich über Belastendes aus der Vergangenheit und über Befürchtetes in der Zukunft hinwegsetzt. Letztlich geht es um ein „So tun, als ob“, das sich dann durch das Tun als ein kleiner und wachsender Habitus einstellen kann.

Die Seitenzahlen (in Klammern nach den Zitaten) beziehen sich auf das Buch Kichimi, Ichiro / Yoga, Fumitake (2018): Du musst nicht von allen gemocht werden. Vom Mut, sich nicht zu verbiegen, Reinbek. Diesen Artikel können Sie hier downloaden.

Die Zitate

„Wenn man Bestätigung von anderen sucht und nur darum besorgt ist, wie die anderen einen bewerten, lebt man am Ende das Leben anderer Menschen.“ (139f)

„Alles, was man in Hinsicht auf sein eigenes Leben tun kann, ist, den besten Weg zu wählen, an den man glaubt. Welches Urteil andere Menschen über diesen Weg fällen, steht auf einem anderen Blatt. Das ist deren Aufgabe – und Sie haben keinen Einfluss darauf.“ (153)

„Bevor ich mir Sorgen darum machen, was andere von mir denken, möchte ich mein eigenes Leben verwirklichen. Das soll heißen, ich möchte in Freiheit leben.“ (172)

„Es geht nicht darum: Was wird mir dieser Mensch geben?, sondern eher darum: Was kann ich diesem Menschen geben? Das bedeutet Engagement für die Gemeinschaft.“ (198)

„Was das Thema des Gemeinschaftsgefühls betrifft, da gab es einmal jemand, der Adler eine ähnliche Frage gestellt hat. Adlers Antwort lautet: ‚Einer muss anfangen. Andere mögen nicht kooperativ sein, aber das hat nichts mit Ihnen zu tun. Mein Rat ist: Sie sollten beginnen. Unabhängig davon, ob andere kooperativ sind oder nicht.‘ Mein Rat ist genau der gleiche.“ (223)

„Das Alter spielt in der Freundschaft und in der Liebe keine Rolle. Sicher ist es so, dass die Aufgaben der Freundschaft einen festen Mut erfordern, Was Ihre Beziehung zu mir betrifft, wäre es schön, die Distanz nach und nach ein wenig zu reduzieren – bis zu einem Maß, in dem wir in einem zu engen Kontakt stehen, aber trotzdem mit ausgestrecktem Arm das Gesicht des anderen berühren können – sozusagen.“ (229)

„Ich habe kein Selbstvertrauen, und daher bin ich übermäßig befangen.“ (234)

„Anders gesagt, hat Engagement für andere weniger damit zu tun, das ‚Ich‘ loszuwerden und für jemand anderen von Nutzen zu sein, als vielmehr damit, etwas zu tun, um sich des Wertes des ‚Ich‘ wirklich bewusst zu werden.“ (249)

„Für einen Menschen ist es das größte Unglück, nicht fähig zu sein, sich selbst zu lieben. Adler lieferte eine sehr einfache Antwort für dieses Problem – nämlich, dass das Gefühl, der Gesellschaft von Nutzen zu sein, das Einzige ist, was einem ein echtes Bewusstsein seines eigenen Wertes verschaffen kann.“ (263)

„Warum muss man unbedingt etwas Besonderes sein? Wahrscheinlich, weil man sein normales Selbst nicht annehmen kann.“ (272)

„Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf der Bühne eines Theaters. Wenn die Lichter im Saal an sind, können Sie wahrscheinlich den ganzen Raum bis zum Ende sehen. Doch wenn Sie unter einem hellen Scheinwerfer stehen, können Sie nicht einmal die vorderste Reihe erkennen. Genauso ist es mit unserem Leben. Weil wir ein schwaches Licht auf unser ganzes Leben werfen, können wir die Vergangenheit und die Zukunft sehen. Aber wenn man einen hellen Scheinwerfer auf das Hier und Jetzt richtet, kann man die Vergangenheit und die Zukunft nicht mehr sehen.“ (282f)

„Die größte Lebenslüge überhaupt ist es, nicht im Hier und Jetzt zu leben. In die Vergangenheit und die Zukunft zu blicken, ein trübes Licht auf sein ganzes Leben zu werfen und zu glauben, dass man etwas sehen könnte. […] Legen Sie also die Lebenslüge ab und strahlen Sie das Hier und Jetzt mit einem hellen Scheinwerfer an. Das können Sie tun.“ (287)

„Adler fährt nach seiner Behauptung, ‚das Leben im Allgemeinen hat keine Bedeutung‘ dann fort: ‚Welche Bedeutung das Leben hat, muss jeder Einzelne bestimmen.‘“ (290)

„Wenn ‚Ich‘ mich verändere, wird sich die Welt verändern. Das heißt, dass die Welt sich nur durch mich und niemand anderen für mich ändert.“ (293)

Ichiro Kishimi: „Es ist merkwürdig, dass Philosophie etwas sein sollte, worüber mit Worten gesprochen wird, die nur Spezialisten verstehen. Denn in seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet Philosophie nicht die ‚Weisheit‘ selbst, sondern die ‚Liebe zur Weisheit‘, und wichtig ist eben dieser Prozess, bei dem man lernt, was man nicht weiß, und schließlich zur Weisheit gelangt. Ob man am Ende wirklich Weisheit erreicht oder nicht, ist nicht von Bedeutung.“ (301)

Köln, 01.05.2022
Harald Klein