Zur Unterscheidung von Wahrheit und Wirklichkeit II

  • Aus der Reihe getanzt - Gedankensplitter
  • –   
  • –   

Um was es geht

In der ersten „Unterscheidung von Wahrheit und Wirklichkeit“ steht ein Gedicht im Mittelpunkt. Matthias Kröners BADEZIMMER deutet aus dem Blickwinkel zweier Personen, ein ER und eine SIE, das gleiche Geschehen, eben ein Wannenbad – das Erleben triggert zweierlei Erfahrung, die weit auseinanderliegen.

In „Die Geschichten in uns. Vom Schreiben und Leben“[1] erinnert Benedict Wells an die Parabel der beiden Fische aus dem Film Soul. Hier erfahren ein älterer und ein jüngerer Fisch das gleiche Umfeld, sie erleben es aber unterschiedlich. Der kleine Abschnitt aus dem Buch spricht für sich:

„Als junger Autor hatte ich davon geträumt, dass mein Leben mit dem Veröffentlichen ‚richtig‘ losgehen würde. Dass ich dadurch ein anderer sein würde und insgeheim auch, dass Erfolg glücklich mache. Doch das sind zwei verschiedene Dinge. An seinem Erfolg hat man im Zweifel hart gearbeitet, aber nicht automatisch auch an seinem Glück. Erst nach mehreren Büchern begriff ich, dass meine Zufriedenheit als Autor in den jahrelangen mal mühsamen und mal erfüllenden Arbeit an den Geschichten zu finden ist. Im Bestreben, ihnen gerecht zu werden, und sie mit anderen Menschen zu teilen, sodass man im besten Fall von dem leben kann, was man liebt.

Das ist bereits alles – und es ist verdammt viel. Die Sehnsucht nach mehr wird in der Parabel des Films Soulbeschrieben. Dort schwimmt ein Fisch zu einem älteren Fisch und sagt, er wolle endlich diesen Ort finden, den die Leute ‚The Ocean‘ nennen. ‚The ocean?‘, antwortet der ältere Fisch; ‚that’s what you’re in right now.’ – ‘This?’, sagt der jüngere Fisch, ‘this is water … What I want, is the ocean.’”[2]

Köln, 20.02.2025
Harald Klein

[1] Wells, Benedict (2024): Die Geschichten in uns. Vom Schreiben und Leben, Zürich.

[2] a.a.O., 335.