Von Streichholz-Momenten und Kerzen-Beziehungen

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Um was es geht

Zu Beginn eine kleine Frage: Wie unterscheidest Du ein Streichholz und seine Flamme von einer Kerze und ihrem Licht? Was ist gemeinsam, was ist anders?

Einige Begegnungen, die ich während meiner Irland-Reise im Juli/August machen konnte, haben in mir diese Frage geweckt. Und diese Unterscheidung von „Streichholz-Momenten“ und „Kerzen-Beziehungen“ haben mir begrifflich helfen können, was da geschehen ist – und sicher auch immer wieder geschehen wird, ich hoffe es zumindest.

Streichholz-Momente

Streichholz-Momente haben die Tücke, dass sie völlig überraschend und überall geschehen können. In meinem Fall kann ich von einer Begegnung auf einer neolithischen Ausgrabungsstätte und dort im Café nach der Führung erzählen. Streichholz-Momente sind aufreibende Momente, Begegnungen zwischen zwei Verschiedenen, in denen in kurzer Zeit und gewöhnlich auch nur für kurze Zeit etwas entflammt. Der Dialog an der Theke, die Frage „Woher“ und „Wohin“, ein oder zwei Namen, Eindrücke, die Atmosphäre und die Wahrnehmungen, und die Wagemutigen beginnen auf diesem Streichholz-Moment zu bauen und tauschen Telefonnummern oder Mail-Adressen aus. Dann ein Handschlag, ein Verabschieden, und zurück bleibt die Frage: „Was war das denn jetzt?“, vielleicht auch „Wer war der/die denn jetzt?“ oder ganz kurz „Und jetzt?“

Wer ein Dank-Tagebuch führt, wird diese Streichholzmomente notieren. Die Gefahr ist, dass diese Notate alles sind, was bleibt. Die Mutigen werden die Telefonnummern oder die Mail-Adressen nutzen, sich gegenseitig bedanken für die Begegnung und noch einmal austauschen, was in dieser Begegnung für sie geschehen ist.

Währenddessen brennt die Flamme des Streichholzes langsam nieder, und es steht eine Vereinbarung an, wie beide mit der niederbrennenden Flamme umgehen wollen. Wenn einer oder beide es für richtig finden, darf das Streichholz verlöschen. Vielleicht ist eine Seite traurig, hätte es gerne anders gehabt oder erhofft. Egal wie, der erlebte Moment steht, der erlebte Moment trägt, der erlebte Moment war hell und warm.

Kerzen-Beziehungen

Es kann aber sein, dass beide Seiten sich auf das Abenteuer einlassen, diesen Streichholz-Moment in eine Kerzen-Beziehung zu verwandeln. Das braucht eine gemeinsame Vereinbarung, und der Versuch des einen, eine Kerzen-Beziehung über den Kopf – das Herz? – des anderen hinaus anzufangen, muss über kurz oder lang scheitern. Auf irgendeine Weise muss sich das Einverständnis zum Wir manifestieren. Dafür mag der eine Docht, die eine Kerze stehen. Und deren Licht schenkt Zeit, die für alles genutzt werden kann, um dieses Einverständnis zum Wir stärken und zum Leuchten bringen kann. Und was dann daraus wird, aus diesem Streichholz-Moment und aus dieser Kerzen-Beziehung– das wird man sehen, das wird sich zeigen.

Zwei Beobachtungen zum Schluss. Die erste Beobachtung: Was für den Streichholz-Moment zwischen zwei Menschen gilt, gilt auch für die Begegnung mit guten Büchern, gilt für Musik und Landschaften, gilt für alles, was Dich entbrennen, aufleuchten, hell, warm werden lässt. Und die zweite Beobachtung: Eine Kerzen-Beziehung, zum wem oder zu was auch immer, braucht immer zuerst einen Streichholz-Moment, sonst käme sie überhaupt nicht zustande! Es ist schon gut, wenn Du Dich um Deine bestehenden  Kerzen-Beziehungen sorgst. Denen tut es gut, wenn ab und an die gemeinsame Flamme weitergegeben wird. Darüber hinaus aber hält es Dich lebendig, wenn Du Dich wach hältst für Streichholz-Momentemitten in Deinem alltäglichen Leben. Denn da kann immer was draus werden, Dein Einverständnis und das der anderen vorausgesetzt!

Köln, 21.08.2024
Harald Klein