17. Sonntag im Jahreskreis – „Der Grund bist Du!“

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Ein sechstes „S“: Der Schatz im Acker

Mit dem heutigen Sonntag klingt das schöne 13. Kapitel der Matthäus-Evangeliums aus. Es ist der dritte Sonntag, es ist die dritte Predigt, die sich der Verkündigung des Reiches Gotte widmet, hoffentlich so, wie Jeus sie gemeint hat!

Ein kurzer Rückblick: Vor zwei Wochen das Bild von der „Worte-Box“, die du selbst bist; wie der Sämann im Gleichnis fällt Gottes Ruf, Gottes Wort, fällt der „An-Spruch“ des Lebens Dir zu, fällt in Dich hinein, und die Frage ist, auf welchen Boden er fällt. Kann etwas wachsen und kann dieser „An-Spruch“ Frucht tragen? Das ist nicht mehr des Sämanns Sache allein, da braucht er Dine Mitwirkung! Und doch: Er geht und geht und geht … – aufs Feld, um zu säen.

Letzten Sonntag dann die „fünf „S“: Sämann – Senfkorn – Sauerteig – selbstwachsende Saat: Die leicht einzuprägenden Gleichnisse Jesu, die davon erzählen, was es braucht, damit es wachsen und Frucht tragen kann: (1) immer gibt es eine handelnde Person, z.B. einen Sämann auf dem Feld oder die Frau am Trog mit Mehl; (2) immer gibt es einen Verzicht auf Selbstwirksamkeit und ein festes Vertrauen auf Wachstum, sei es bei der Saat oder in der Hoffnung auf das Durchsäuern des Troges mit Mehl; (3) immer erleben alle handelnden Personen, dass ihr Vertrauen belohnt wird, wenn auch in unterschiedlicher Auswirkung, teils vierzig-, teils sechzigfach, sogar auch mit Unkraut unter dem Weizen.

M.a.W.: (1) Es ist Gottes Initiative, zu handeln; (2) er legt seinen „An-Spruch“ uns vor, hoffend, ein „hörendes Herz“ anzutreffen (vgl. die Lesung aus dem ersten Buch der Könige), verzichtet auf seine Selbstwirksamkeit, hofft auf Wachstum; und (3) erleben die, die sich „ansprechen“ lassen, die „aufnahmebereit“ sind, eine Art Belohnung ihres Vertrauens.

In der direkten Fortsetzung weist der Evangelist Matthäus auf ein sechstes „S“ hin, wenn es um das Reich Gottes geht – im Gleichnis vom Schatz im Acker: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker“ (Mt 13,44).

Rose Ausländer: Noch bist du da

» Wirf deine Angst
in die Luft
Bald
ist deine Zeit um
bald wächst der Himmel
unter dem Gras
fallen deine Träume
ins Nirgends
Noch
duftet die Nelke
singt die Drossel
noch darfst du lieben
Worte verschenken
noch bist du da
Sei was du bist
Gib was du hast «

Aus: Ausländer, Rose (1992): Im Atemhaus wohnen. Gedichte, Frankfurt/Main 135

Selbstwirksamkeit – im Zusammenspiel zwischen Gott und mir

Merken Sie den Unterschied zu den anderen fünf „S“? Es gibt nicht den einen bestimmten Acker, auf den der Sämann geht, um zu säen, oder den einen Trog Mehl, den die Frau durchsäuern will. Die Rede ist von irgendeinem beliebigen Schatz, der in irgendeinem) Acker vergraben ist. Es ist nicht der eine Schatz, den Gott in den Acker gelegt hat und den es zu finden gilt – es sind die unzähligen Schätze Gottes, die zu entdecken wir von ihm angesprochen sind; wieder verzichtet Gott auf seine Selbstwirksamkeit- und freut sich an unserer Freude, wenn wir diese Schätze entdecken und sie uns zu eigen machen, und mit ihnen „werken“.

Hier ist die Selbstwirksamkeit des Menschen gefragt – anders als beim Sauerteig, der von selbst durchsäuert, wenn ihm Sauerteig zugeführt wird, oder die Pflanzen, die von selbst wachsen, wenn der Boden gut ist und der Sämann den Samen ausgesät hat. Ohne das Entdecken, ohne das Weggeben, das Aufgeben dessen, was nicht mehr nötig ist, ohne die Inbesitznahme dieses Ackers und des Schatzes darin und vor allem ohne die Freude, all dies zu tun, wäre Gottes Initiative mit dem Schatz im Acker ins Leere gelaufen. Es braucht das Zusammenspiel zwischen der Selbstwirksamkeit Gottes und meiner Selbstwirksamkeit.

» Wird Christus tausendmal
in Bethlehem geboren,
und nicht in Dir,
so wärst Du doch verloren. «
Aus: Angelus Silesius (1624-1677): Der cherubinische Wandersmann

„Der Grund bist Du!“

Der Mann im Gleichnis entdeckte den Acker und kaufte ihn, des Schatzes wegen. Wo den Schatz suchen? Wo fangen Sie, wo fange ich an? Es ist eine biblische Tradition im Alten wie im Neuen Testament, nicht weit weg zu gehen, um suchen. Dieser Schatz ist uns ganz nahe. Ich finde ihn im kleinen Sätzchen „Du bist der Grund!“

„Du bist der Grund“, mag Gott sagen, „in den ich meinen Schatz und mit ihm mich selbst hineingelegt habe.“ Die karmelitische Spiritualität ist voll davon, Teresa von Avilas Bild von der „Inneren Burg“ klingt da an, ebenso Angelus Silesius‘ Vierzeiler: „Wär‘ Christus tausendmal / in Bethlehem geboren, / und nicht in Dir, / so wärst du doch verloren.“ In Dir lebt ein Schatz, für den Du in Freude vieles aufgeben und sein lassen kannst! Du bist der Grund, der Acker, in dem dieser Schatz verborgen ist. Das ist Gottes „An-Spruch“, sein „Zu-Spruch“ an mich, auf mich hin!

„Du bist der Grund“, mag ich sagen, “in dem die Gnade Gottes, sein Reichtum mir entgegenkommt. Da spreche ich einen anderen Menschen an, sage ihm zu, dass er, dass sie ein Schatz für mich ist, dass er, dass sie ein Schatz für mich ist. Das ist mein „An-Spruch“ auf ein Du hin, besser vielleicht mein „Zu-Spruch“ an ihn, an sie.

„Du bist der Grund“, mag jemand mir sagen, “in dem die Gnade Gottes, sein Reichtum mir entgegenkommt. Da spricht ein anderer Mensch zu mir, sagt mir, dass ich ein Schatz für ihn, für sie sei. Das ist sein „An-Spruch“ auf mich hin, besser vielleicht sein „Zu-Spruch“ an mich.

Und ich kann alles drei kaum glauben.[1]

Amen.

Köln, 28.07.2023
Harald Klein

[1] Erich Kästner schildert in seinem Gedicht „Sachliche Romanze“, was geschieht, wenn Gewöhnung an die Stelle der „Schatzsuche“ tritt, oder anders: wenn das Unglaubliche nicht geglaubt werden kann: „Als sie einander acht Jahre kannten / (und man darf sagen, sie kannten sich gut), / kam ihre Liebe plötzlich abhanden. / Wie andern Leuten ein Stock oder Hut. // Sie waren traurig, betrugen sich heiter, / versuchten Küsse, als ob nichts sei, / und sahen sich an und wussten nicht weiter. / Da weinte sie schließlich, und er stand dabei. // Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken. Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier / und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. Nebenan übte ein Mensch Klavier. // Sie gingen ins kleinste Café am Ort / und rührten in ihren Tassen. Am Abend saßen sie immer noch dort. Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort / und konnten es einfach nicht fassen.

(aus: Leonhardt, Rudolf Walter (o.J.): Kästner für Erwachsene, Gütersloh, 39)

Herman van Veen hat dieses Gedicht wunderschön vertont, vielleicht spornt es sie zum Suchen und Finden an: [online] https://www.youtube.com/watch?v=HtTz9ykDq38 [28.07.2023]