Auferstehung: Wort. Wahrheit? Wirkung!

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Ein ostkirchlicher Ostergruß

Im ostkirchlichen Ritus – und vielleicht auch an anderen Orten und Gemeinden – ist es Brauch, sich am Ostermorgen mit dem Gruß zu begegnen: „Der Herr ist auferstanden. – Er ist wahrhaftig auferstanden! Dieses „wahrhaftig“ steht in der Frage nach Leben, Tod und Auferstehung auf dem Prüfstand. In einer „postfaktischen Zeit“, in der nicht nur Worte, sondern auch Bilder oder Filme als „Fake“, als künstlich hergestellte und unwahrhaftige Wirklichkeit immer zuerst mit Skepsis betrachtet werden, hat es diese zentrale Aussage unseres Glaubens schwer. Wie kann überprüft werden, ob das Wort von der Auferstehung auch einen Wahrheitsgehalt hat? Und wenn ja, welchen?

Der Zusammenhang von Wort – Wahrheit – Wirkung

Mir scheint, dass die Wahrheit des Wortes von der Auferstehung am ehesten belegt werden kann, wenn seine Annahme – im doppelten Sinne des Wortes – auch Wirkung zeigt. Damit gehört der Satz „Der Herr ist auferstanden“ zur Gruppe von Sätzen, in die z.B. auch das „Ich liebe Dich“ oder „Ich verzeihe Dir“ gehören. Denn ob diese Sätze wirklich wahr sind, kann ich nur aus dem erkennen, was ihnen an Handlungen folgt oder welche Wirkweisen sie im Miteinander mit sich bringen. Und umgekehrt kann ich aus den Handlungen, die jemand mir gegenüber vollzieht, aus den Weisen unserer Begegnung auf die Wahrheit, die Geltung dieser Sätze rückschließen, auch dann, wenn sie nicht einmal gesagt wurden. Und ein zweiter Umkehrschluss ist möglich: wenn sich mein Handeln nicht wandelt, obwohl ich diesen Satz behaupte, braucht das Gegenüber nicht an dessen Wahrheit zu glauben. Wort, Wahrheit und Wirkung bedingen einander, wenn es um so große Worte wie Liebe, Verzeihung und eben auch Auferstehung geht.

Eine Begegnung im Krankenhaus brachte mich dazu, in den 50 Tagen nach Ostern ganz in den Lesungen aus der Apostelgeschichte zu Hause zu sein. Jeden Tag ging ich an die Lesungen mit der Frage heran, wie die Erfahrung der Auferstehung die Apostel, die ja Zeugen der Auferstehung waren oder denen als erste das Zeugnis von der Auferstehung mitgeteilt wurde, deren Handeln beeinflusste. Und diese 50 Tage wurden zu einer echten Entdeckungsreise, an der ich Sie ein wenig teilhaben lassen möchte.

Auferstehungserfahrung bewirkt Freimut und Einmütigkeit

Da sind zum einen die Adjektive, die häufig genannt werden. Sie geben Zeugnis davon, in welcher Weise die Apostel und die aus ihrem Umkreis auftreten. Zwei davon sind mir gleich zu Beginn aufgefallen. Das Wort von der Einmütigkeit und das von der Freimütigkeit. Wenn man der Bibelkonkordanz glauben darf, tauchen beide Worte innerhalb des Neuen Testamentes erst ab der Apostelgeschichte (und in den zeitlich früheren Briefen) auf. Bei der Einmütigkeit geht es vor allem um das gemeinsame Gebet. Verschiedenste Menschen kommen zusammen und stehen gemeinsam vor dem Einen Gott, auf den hin sie sich ausrichten. Einmütigkeit, die das Gebet verursacht – das trifft die Wahrheit der Auferstehung, die sich bei großen Gebetsversammlungen zeigt und die mich immer wieder tief berührt, etwa bei Gottesdiensten am Weltjugendtag, in Taizé oder in Rom. Das trifft aber genauso die Wahrheit des Glaubens an die Auferstehung, wenn wir am Ende eines Gruppentreffens ins freie Beten gehen. So verschieden wir auch sein mögen: hier sind wir einmütig beisammen. Einmütigkeit trifft aber auch das Hören auf die Verkündigung, besonders dann, wenn sie im Glauben an die Auferstehung und an das Leben des Auferstanden seine Wurzeln hat. Hier wäre der Einklang von Leben und Botschaft von Papst Franziskus ein für mich geltendes Beispiel.

Das zweite Adjektiv: freimütig. Aus der Spiritualität der Exerzitien ist mir dieses Wort gut geläufig. Ignatius fordert dazu auf, in die Exerzitien mit Großmut und Freigebigkeit einzutreten – beide Worte umschreiben für mich, was Freimütigkeit meint. Keine halben Sachen, keine Halbwahrheiten, Licht- und Schattenseiten vor Augen und im Bekenntnis zu haben, einzutreten vor Gott und für Gott, mit allem, was zu mir gehört, und mit dem, was mir noch fehlt. In seiner Pfingstpredigt (Apg 2,14-36) spricht Petrus das Volk an mit „Brüder, ich darf freimütig zu euch über den Patriarchen David reden…“ – und er zieht einen Schluss von David auf den auferweckten Jesus. Als Petrus und Johannes vom Hohen Rat vernommen werden (Apg 4,1-22), heißt es: „Als sie den Freimut des Petrus und des Johannes sahen und merkten, dass es ungelehrte und einfache Leute waren, wunderten sie sich. Und sie erkannte sie als Jünger Jesu, sahen aber auch, dass der Geheilte bei ihnen stand; so konnten sie nichts dagegen sagen.“ (Apg 4,13f)

Wenn ich mich frage oder wenn ich in unserer Gruppe fragte, ob ich, ob wir an die Wahrheit der Auferstehung glaubten, wäre diese Einmütigkeit und wäre der Freimut, in der ich oder wir auftreten, eine Wirkung, an der wir einander oder anderen diese Wahrheit bezeugen könnten.

Auferstehungserfahrung bewirkt Haltungsänderung

Neben den Adjektiven, neben der Art und Weise, wie die Apostel und die Menschen um sie herum auftreten, sind es die sich ändernden Haltungen, die bemerkenswert sind. Das ausdrucksstärkste Beispiel dafür finde ich im Apostelkonzil in Apg 15, in der Klärung der Frage, ob und wie auch die „Heiden“ einen ihnen eigenen Zugang zum Glauben an den Auferstandenen haben, oder ob sie erst zum Judentum konvertieren müssten. Die Apostel und die Ältesten beschließen – in ihrer Wortwahl übrigens „zusammen mit dem Heiligen Geist“ – den Heiden keine weitere Last aufzulegen als das Einhalten dessen, was im Judentum als anstößig empfunden würde. Sehenden Auges lassen sie dadurch zu, dass ihre bisher judenchristliche Gemeinde aller Voraussicht nach von einer großen Anzahl von Heidenchristen „überformt“ werden würde, ist deren Zahl doch um ein vielfaches größer als ihre eigene kleine Schar. Dieses „Ja“ zur strukturellen Veränderung der eigenen kleinen Kirche wünschte ich mir in den Debatten um die Strukturveränderungen in der Kirche, zeugt es doch von der Wahrheit der Auferstehung und ihrer Wirkung bei den Verantwortlichen.

Eine doppelte Änderung der Haltung angesichts der Auferstehung finde ich in der Geschichte von der Taufe des Äthiopiers in Apg 8,26-40. Philippus lässt sich von einem Engel aus der gewohnten Umgebung herausrufen, er trifft unterwegs einen Äthiopier, der im Propheten Jesaja liest und den Philippus bittet, in seinen Wagen einzusteigen und ihm zu erklären, was er dort liest. Die Geschichte hat ihren Höhepunkt in der Bitte des Äthiopiers: „Hier ist Wasser. Was steht meiner Taufe noch im Wege?“ (Apg 8,36) – Ich selbst arbeite gerade mit vielen jungen Menschen aus Syrien, in einer Aufgabe, die mir zugetragen wurde. Ein Ausbruch aus dem Gewohnten. Und immer wieder die Bitte, doch einmal in „ihren Wagen“ einzusteigen, teilzunehmen an ihrer Situation, an ihrem Leben. Mir werden die „Basics“ des Evangeliums neu gezeigt, und ich frage mich nach dem Sinn z.B. einer langen Taufkatechese für Erwachsene. Es ist doch vor allem das laubhafte Zeugnis des Philippus in Verbindung mit dessen Deutung der Schrift, und es wird das Lebenszeugnis des Philippus gewesen sein, der den Äthiopier um die Taufe bitten lässt. Die Einfachheit der Begegnung hat etwas Bezauberndes: „Hier ist Wasser. Was steht meiner Taufe noch im Weg?“ Und nach der Taufe entführt der Geist den Philippus. Der Kämmerer zieht voll Freude weiter. Es gibt Momente, in denen die Wahrheit der Auferstehung wirksam in einer Begegnung erfahren werden kann, und die Freude und Dankbarkeit als Frucht und Trost hinterlassen. Wenn man denn einmal in den Wagen des anderen steigt…

Auferstehungserfahrung hat einen Ort

Und schließlich ist es eine Frage des Ortes, an dem die Wahrheit der des Wortes von der Auferstehung wirken will. Beispielhaft sei die Pfingstgeschichte genannt. Da ist vom „Haus“ die Rede, aber nirgends steht, dass „alle“ – die Apostel, die Frauen und mit ihnen Maria – nach draußen gegangen wären. Mir gefällt die Idee, dass mit dem Haus das „gemeinsame Haus der Erde“ gemeint sein könnte, von dem Papst Franziuskus in seiner Enzyklika „Laudato Si`“ spricht. Denn dann wäre der Ort, an dem sich die Haltungen und die Art und Weise, wie aus den Haltungen das Handeln folgt, der Marktplatz der Welt und nicht das verborgene Obergemach. Dann könnte die Wahrheit des Wortes von der Auferstehung an ihre wWrkungen von allen Völkrn verstanden werden – freilich nur dann, wenn ich in deren „Sprache“ mit ihnen rede und nicht meine, in akademischem Theologendeutsch eine Disputation führen zu müssen.

Der Wahrheit der Auferstehung durch ihre Wirkungen auf die Spur kommen – das kann im Teilen der Bibel geschehen, indem die Gruppen gegenseitig Abschnitte aus der Apostelgeschichte heraussuchen und betrachten. Das kann geschehen über das Vorstellen einiger Lebenszeugnisse von Menschen, die Einmütigkeit bewirken und die freimütig in Kirche und/oder Politik und Gesellschaft auftreten. Das kann dienend geschehen, indem ich mich „in den Wagen des Äthiopiers“ setze und mir sein Leben und die Deutung seines Lebens anhöre und ihm mein Leben und die Deutung des Lebens anbiete. Es wäre schade, wenn es beim bloßen Wort von der Auferstehung bliebe, und es wäre schön, wenn wir – vielleicht sogar ohne Worte – einstimmen könnten in den Gruß: „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.“

Harald Klein, Köln