Der Geist des Herrn durchweht die Welt – nicht nur die Kirche

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Jeder, der ihn fürchtet und tut, was recht ist, ist Gott willkommen!

Wenn jemand erzählt, ist spannend, was aus dem Geschehen er darstellt und was er weglässt. Die Lesung aus der Apostelgeschichte wählt aus 24 Versen 13 aus und verschweigt und verschwiegt 11 Verse, die es in sich haben.

Petrus kommt zum römischen Hauptmann Kornelius, so wird erzählt. Verschwiegen wird, dass Kornelius eine Vision, eine Eingebung hatte: eine Lichtgestalt sei ihm erschienen, seine Gebete seien erhört, seine Almosen angenommen, nun solle er Petrus holen, der erzählen solle, was Gott ihm aufgetragen habe.

Das Spannende wird ebenfalls verschwiegen: Die gläubigen Juden schauen skeptisch zu, wie Petrus auf Einladung des römischen Hauptmannes Kornelius in das Haus eines Ungläubigen geht, weil es den Juden nicht erlaubt ist, mit Nichtjuden zu verkehren und da Haus eines Ungläubigen zu betreten. Und Petrus antwortet freimütig auf diese Skepsis: „Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen als unheilig oder unrein nennen darf!“ Mein erster Impuls beim Lesen des Verschwiegenen: „Mir hat er es auch gezeigt!“ Und in der Lesung kommt nach der verschwiegenen Schilderung des Grundes, warum Kornelius nach Petrus schickt, ein wenig abgemildert die zweite Erkenntnis des Petrus:“ Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.“ Der Sozialarbeiter in mir jubelt – das macht doch in der Sorge um die Welt Tür und Toren auf! Es braucht nur den Mut des Petrus, dorthin zu gehen, wo ich vielleicht noch nicht zu Hause, aber doch willkommen bin! Ich muss – und vor allem: ich darf – mich auf dünnes Eis begeben! Nur Mut! Für die Kirche: Ein Mut, der Wege eröffnet – anstelle der Angst, die sich einschließt. Das ist doch ein Grund zum Jubeln in der Frage nach dem „Wohin“ der Kirche!

Gottes Geist, ausgegossen auf alle, die das Wort hören

Dann stellt – ebenfalls in der Lesung verschwiegen – Petrus dem Kornelius und all seinen Leuten dar, wer für ihn Christus ist, was sie alle mit ihm vor, während, nach seinem Tod mit ihm erlebt haben. Und dann wieder ein Grund zum Jubel: „Noch während Petrus dies sagte, kam der Heilige Geist auf alle herab, die das Wort hörten. Die gläubig gewordenen Juden die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen, dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde. Denn sie hörten sie in Zungen reden und Gott preisen.“

Lassen Sie mich das mal in mein Erleben und aus der Warte des Petrus übersetzen. Während ich nicht nur in Worten, sondern im Tun von meinem Gott erzähle und für ihn, auch durch ihn wirke, erlebe ich dasselbe in denen, die Gott noch nicht kennen. Und ich erlebe, dass sie dasselbe tun, dass sie in ihrem Tun Gott preisen, auch in Worten oder Begriffen, die ich nicht verstehe. Ich darf glauben, dass es derselbe, der Heilige Geist ist, in dem sie wirken.

Es ist ein Erkennen, dass manche Theologie auf den Kopf stellt: Nicht die Kirche hat den Heiligen Geist, um in ihm Gottes Willen zu erfüllen, sondern: Der Heilige Geist hat auch die Kirche – und daneben noch viele andere Wege -, durch die und auf denen sein Reich Wirklichkeit werden kann.

Ein wahres Ostern und Pfingsten zugleich

Für mich ist das die Aufforderung, aufzuhören mit Abgrenzungen aller Art, die anderen Menschen den Heiligen Geist absprechen – etwa das ewige Ringen um Grade der Zugehörigkeit oder Hinweise und Normierungen bei Religionsverschiedenheit. Es ist eine Auferstehung der Kirche, die sich selbst in den Tod, ins Sterben einschließt, schlimmer: die den Heiligen Geist ans Kreuz der Kirche schlägt. Für mich ist das die Ermöglichung und die Einladung, nach dem Wirken Gotts und seines Heiligen Geistes in der Welt Ausschau zu halten, um mit denen, die von diesem Geist begabt sind, das Antlitz der Welt zu erneuern – so wird es vom Heiligen Geist an Pfingsten gesagt.

Drei Erkenntnisse für eine geistfreudige Kirche

Letztlich geht es um drei Dinge, die aus der geschilderten Geschichte und dem, was sie verschwiegt, einladend sind:

  • aufzuhören, aus meiner Warte heraus Menschen unheilig oder unrein zu nennen;
  • anzufangen, nach dem verbindenden Geist zwischen uns zu suchen;
  • glauben zu dürfen, dass Gottes Geist (auch) die Kirche hat, und nicht umgekehrt zu glauben (nur) die Kirche habe den Heiligen Geist.

Letztlich geht es darum, um die zweite Lesung und das Evangelium zu Worte kommen zu lassen, einander in Liebe zu begegnen und in dieser Liebe Gott zu erkennen – und zu wissen, dass wir Christen, jeder einzelne und die Kirche als Ganzes, genau dafür von Christus berufen sind: uns aufzumachen (im doppelten Sinne des Wortes), Frucht zu bringen und einander in Liebe zu begegnen. Das macht an der Kirchentür nicht Halt – das macht die Welt zu unserer Kirche, zu unserm Kloster, zur Wohnstatt für unseren Gott.

Amen.

Harald Klein, Köln