Lorenz, Stefanie (2020): „Das lasse ich hinter mir.“
Auf dem Cover ein verlockendes Angebot: „Wie du mit altem Schmerz abschließt, um in der Zukunft nicht mehr zu sterben“, gefolgt von einem Untertitel „Vergangenheit loslassen“. Vor einer wohl eher auf- als untergehenden Sonne reckt ein Mensch die Arme zum Himmel, ein Ballon steigt auf, und mit größter Schrifttype steht unter dem Sonnenbild der eigentliche Titel des Buches: „Das lasse ich hinter mir…“
Das knappe Buch mit seinen etwas mehr als 100 Seiten hält, was es verspricht. Der Inhalt ist entsprechend des Prozesses des Loslassens gegliedert, die Schritte dieses Prozesses werden beschrieben.
Die Autorin setzt bei der Wahrnehmung der Vergangenheit an und erklärt im ersten Kapitel den Prozess des – vor allem subjektiven – Erinnerns, aber auch die Hintergründe des Bewertens von Ereignissen und von Erinnerungen an diese Ereignisse. – Im zweiten Kapitel wird nach Dingen und Themen gefragt, die die Lesenden hinter sich lassen wollen. Hier geht es vor allem um Genauigkeit und um den Umgang mit diffusen Erinnerungen, kleinen „Stacheln“ und großen Verletzungen. – Möglichkeiten des Abwägens werden im dritten Kapitel angeboten. Ist die Auseinandersetzung mit dem gewählten „Stachel“ oder der Verletzung alleine zu bewältigen? Ist die Aufarbeitung mit einer Fachkraft hilfreich? Welche Grenzen hat eine Aufarbeitung?
Das vierte Kapitel ist dann der – sicher ersehnte, aber auch genau richtig platzierte – Praxisteil: „Endlich loslassen – wie gehe ich es an?“ Anders als in den anderen Kapiteln werden hier weniger Reflexionsfragen, dafür aber Aufhänger und Stichworte angeboten und inhaltlich gefüllt, anhand das Loslassen von Stacheln und Verletzungen angegangen werden kann, z.B. Relativieren, Leid anerkennen, Trauern, Vergeben, Verletzungen äußern, aufhören, Fragen zu stellen u.v.m. Besonders hilfreich scheint mir der Hinweis auf das „Physische Loslassen durch Ausmisten – sichtbar und unmittelbar spürbar“ und der Hinweis darauf, eine Vision für sich zu finden und die Energie neu auszurichten.
In einem fünften Kapitel geht die Autorin ausführlich auf die Schwierigkeiten ein, loslassen zu wollen, es aber nicht zu können. – Das sechste abschließende Kapitel ist ein kleiner Ausblick auf den Startschuss für neue Lebenspläne. Und als „Schmankerl“ wird ein kleines Bonusheft zum Download angeboten, das motivierende und Mut machende Geschichten anbietet.
Auffällig ist: Die Autorin wählt einen durchgängig kognitiven Ansatz. Sie arbeitet im dialogischen Teil mit den Lesenden – den Stellen, an denen die Lesenden ausdrücklich angesprochen und gefragt sind – häufig mit geschlossenen Fragen (z.B. „Gibt es Personen, die ich bei diesem Prozess um Hilfe bitten kann?“, vgl. 33). Oft können diejenigen, die mit dem Buch arbeiten, mit „Ja“ oder „Nein“ antworten; die Autorin setzt aber – was sie sicher darf! – voraus, dass nach dem „Ja“ oder „Nein“ die mündige Schar der Lesenden auch noch eine Fortsetzung zu diesen kognitiven geschlossenen Fragen ersinnen und anhängen. Klar ist, dass diese Weise des Fragens den Prozess in eine vorbedachte Richtung zu lenken vermag. Gut für alle, die sich darauf eingelassen haben.
Fazit: Dass das Buch mit seinen griffigen Ideen und Hinweisen im Rahmen des Self-Publishings erscheinen musste, ist schade. Wer jedoch den Werdegang der Autorin auf ihrer Homepage (www.stephanielorenz.com) nachliest, kann verstehen, dass gerade diese Weise der Veröffentlichung auf einer Linie liegt mit dem schönen Angebot auf ihrem Blog, gerne in Kontakt mit ihr zu treten, sei es wegen Fragen, wegen Problemen oder Anregungen. Danke dafür.
Köln, 25.11.2021
Harald Klein