„Tut alles zur Verherrlichung Gottes“ (1 Kor 10,31) – 2. Teil

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Die „explizite“ und die „implizite“ Verherrlichung Gottes

Wenn Sie gestern schon im Vorabendgottesdienst waren, erinnern sie sich vielleicht noch an das Wort des Paulus von der Verherrlichung Gottes in der Lesung und an den wichtigen Moment der Berührung des Aussätzigen durch Jesus im Evangelium. In der Lesung spricht Paulus zu der Gemeinde von Korinth und zu uns und mahnt: „Ob ihr esst oder trinkt oder etwas anderes tut, tut alles zur Verherrlichung Gottes.“ Ich habe gestern versucht zu unterscheiden zwischen einem expliziten, einem ausdrücklichen Tun, mit dem wir Gott verherrlichen – dem Gottesdienst, der Zeit des Betens oder des ausdrücklichen Dienst am Nächsten, und dem impliziten, dem mitlaufenden Tun, das Gott verherrlicht – denn davon spricht ja Paulus, wenn er „essen“ oder „trinken“ oder „etwas anderes tun“ nennt.  Und meine Idee war, dieses „etwas anderes tun“ mit Jesus in Berührung zu bringen, es ihm hinzuhalten und alles von ihm berühren zu lassen, so wie er den Aussätzigen berührt, der daraufhin seinen Aussatz verliert und rein, heute würde man sagen heil oder gesund wird.

Glaube als Art und Weise, mit der Welt in Beziehung zu treten

Ich möchte den Gedanken heute etwas weiterspinnen. Wir sind als Glaubende hier, und Glauben meint ja nicht oder zumindest nicht nur, Überzeugungen und gute Gedanken zu haben. Für mich ist Glaube eine Weise, wie ich mit der Welt um mich herum, aber auch mit mir selbst in Beziehung trete und gerade darin, in dieser Beziehung, meinem Glauben an Gott Ausdruck gebe. Daher drei kurze Hinweise, wie ich mich selbst, mein Leben und die Welt um mich Jesus hinhalten kann, damit er sie berühre.

Mein Leben Gott hinhalten

Ein Erstes: Ich halte mich selbst, mein ganzes Leben mit allem Heilen und allem Heillosen, mit allem Gelingen und mit allen Brüchen Gott hin, damit er mich berühre. Für mich spielen hier die Sakramente und die Sakramentalien, die Heilszeichen der Kirche, eine große Rolle. Da ist die Haltung, mit der ich zur Kommunion gehe. Ich halte mit meiner Hand mich selbst hin, und ich empfange in meiner Hand Jesus, der mich ganz erfüllt. Diese leere offene Hand ist für mich als jemanden, der die Kommunion austeilt, immer wieder etwas, das mich sehr berührt – steht doch diese Hand für ein Leben in all der Verletzlichkeit, der Hoffnung, der Sehnsucht, die den Menschen, der die Hand hinhält, ausmacht. – Oder nehmen Sie die einfache Geste des Segens, das Kreuzchen, das wir uns viel zu selten auf die Stirn zeichnen lassen, oder die Hand, die auf den Kopf gelegt wird zum Segnen. Da werden wir zu Handlangern Jesu füreinander.

Mein Leben mit Gott in Berührung bringen

Ein Zweites: Ich halte mein Leben so, wie es jetzt ist, Gott hin, damit es mit ihm in Berührung komme. Dafür ist für mich das Gebet und die Meditation der rechte Ort. Meditation verstanden als still werden, das Denken und die Gedanken ruhig werden lassen, damit aufsteigen kann, was tief in mir wohnt – und um den zu hören, von dem Augustinus sagt, er sei mir innerlicher als mein Innerstes. Wieder eine Frage der Haltung: Glaube ich, dass Gott Wohnung in mir genommen hat und ich ihn höre, wenn ich immer mehr Hörender werde? Und Gebet verstanden in der Weise der Schriftlesung. Ich lese ein Evangelium und nehme Platz in der Geschichte, mache mich z.B. zum Mann mit dem Aussatz und spüre dem nach, was er tut und sagt. Kann ich Jesus um Hilfe bitten, kann ich vor ihm in die Knie gehen, können das meine Worte sein: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich – ja was denn? Und wieder in der Haltung des Hörenden das von Jesus berühren lassen, was sich in dieser Weise des Betens zeigt.

Die, die zu meinem Leben gehören, Gott hinhalten

Ein Drittes: Ich halte meine Welt vor Gott, alle und alle, die mein Leben ausmachen, denen ich mich zugehörig fühle, vielleicht auch die, mit denen ich mich schwertue. Wir tun das oft in den Fürbitten im Gottesdienst oder im fürbittenden Gebet, die Kerzchen hier im Sand geben Zeugnis davon. Wieder möchte ich auf den Begriff der Haltung kommen. „Fürbitte“ verstehe ich nicht im Sinne von „je mehr ich bitte, um so eher wird Gott tun, was ich will“, das wäre der eine Graben. Der andere Graben wäre, dass Gott es machen solle, wie er wolle, es wird schon der richtige Weg sein. Ich habe sehr viel Freude an einem Wort des hl. Augustinus: „Beten heißt, die Augen schließen und sich bewusst machen, dass Gott jetzt die Welt erschafft.“ Meine Welt vor Gott halten, damit er sie berühre heißt, in der Haltung zu leben, Zeuge zu sein, wie Gott schöpferisch am Werk ist – und darin mitzutun, weil ich selbst von ihm berührt bin. Ein schönes Bild dafür ist Michelangelos „Erschaffung des Adam“ in der Sixtinischen Kapelle, Sie wissen, das Bild, wo sich der Finger Gottes und der der Adam beinahe berühren.

„Mitlaufend“ Gott verherrlichen

„Tut alles zur Verherrlichung Gottes“ – wenn dieses „alles“ implizit, mitlaufend geschehen soll, geht es um innere Haltung: ich bringe mich vor Gott, damit er es berühre – in der hingehaltenen Hand, im empfangenen oder gegebenen Segen; ich bringe mein Leben vor Gott, damit er es berühre, z.B. dann, wenn ich „einsteige“ in die Heilsgeschichten der Bibel und sie als an mir geschehend deute; ich bringe meine Welt vor Gott, dass er sie berühre, im fürbittenden Gebet, so, dass ich Zeuge und Mitwirkender an der Schöpfung Gottes werde, die gerade jetzt geschieht.

Amen.

Harald Klein, Köln